Das ist der Perfide daran: Nicht »die Polizei«, sondern Individuen, die
zufälligerweise eine Uniform an haben.
> Ich muß mir beim Erkennen der Waffe, welche mich konkret und unmittelbar
> bedroht, auch schon irgendwie sicher sein. Es kann ja schließlich nicht
> sein, daß harmlose Leute erschossen werden, nur weil sie ihr Taschentuch
> aus der Jacke holen.
Das kann beim »Flossen hoch!« schon sein. Ich würde auch nicht darauf
warten, dass einer den Ballermann aus der Jacke zieht. Allerdings ist es
ein Unterschied, ob man so eine Situation vorliegen hat, oder ob der
Gegenstand schon längst sichtbar ist.
> Die Polizei gibt sich in diesem Fall auch Mühe den Mann als gefährlich
> darzustellen, es ist dann von "polizeibekannt" die Rede. Das glaub ich
> gern, der ist wohl für so einen Unfug bekannt, aber wohl nicht für
> Gewalttaten, denn ansonsten hätte man das ja auch durchsickern lassen.
> Der Polizei sind viele Personen bekannt, und?
Irgendwie muss man ja rechtfertigen, warum das gerade unbedingt sein
musste bzw. unvermeidbar war. Erinnert dich das nicht auch zufällig
daran, wie die Leute händeringend nach Gründen suchen, warum der
Fußgänger oder Radfahrer ja nun ein mal selbst schuld war, dass man ihn
tot gefahren hat? Es ist immer das gleiche. Man will die Schuld, dass
man gerade jemanden völlig ungerechtfertigt aus dem Leben gedrängt hat,
so weit es nur irgendwie geht von sich schieben. Ist mit der Knarre in
der Hand nicht anders...
>>> Das ergibt eigentlich nur Sinn, wenn die beiden Polizisten als Täter
>>> angesehen werden.
>>> Für mich klingt das eher nach: "Wir müssen uns noch eine gerichtsfeste
>>> Geschichte ausdenken!"
>>
>> Das wird exakt so kommen. Nach allem, was ich bisher lesen durfte, ist
>> das DE-weit Usus. Der Bulle baut Scheiße aber wenn er irgendwie ein
>> Schlupfloch findet, ist er raus aus der Geschichte. Denn es reicht ja
>> schon etwas herbei zu phantasieren, was zwar offenkundig
>> unwahrscheinlich aber nicht unmöglich ist. Denn im Zweifelsfalle hat ja
>> fast immer der Bulle vor Gericht recht. Wenn denn nicht der Staatsanwalt
>> die Geschichte gar nicht erst verfolgt oder das Verfahren sehr schnell
>> einstellt. Auf dem Auge ist unsere Justiz sehr oft blind (wenn auch
>> erfreulicherweise bei Leibe nicht immer).
>>
> Selbstverständlich wird da gelogen das sich die Balken biegen.
Ist, so blöd es klingt, auch sein gutes Recht. Warum die Märchen aber
schon in der Presse sind... Aber irgendwie muss man die Rechtfertigung
ja schließlich möglichst weit verbreiten. Irgendwer wird einem schon
recht geben.
> Bei Strafrechtsanwälten ist der Begriff "Widerstand gegen Vollstreckungs-
> beamte" ja schon fast synonym zu übermäßigem Gewalteinsatz.
Ist wie mit der »verdachtsunabhängigen Personenkontrolle«. Irgendwie
kriegt man es schon hin, absichtliche Belästigungen und Gängelungen in
die Rechtmäßigkeit zu zerren. Da hat der Gesetzgeber schon genug
Möglichkeiten an die Hand gegeben. Weshalb die eigentlichen Stinkstiefel
in diesen Angelegenheiten für mich regelmäßig die Richter und
Staatsanwälte sind. Denn in letzter Instanz haben die da die Hand drauf.
Und was da teils durch geht, dafür würde ich als Normal sicher meine 2-3
Jahre absitzen...
> Bei Richtern hat sich das anscheinend noch nicht so rumgesprochen und
> man ist geneigt der Polizei zu glauben.
So isses. Wie gesagt, wenn es denn überhaupt so weit kommt. Oft genug
lässt das dann ja auch einfach der Staatsanwalt fallen.
>>> Als jemand, der so etwas Ähnliches noch zu Zeiten als unsere Freiheit
>>> noch nicht am Hindukusch verteidigt wurde, geübt hat und selbst mal
>>> in die prekäre Lage kam "Schießen oder nicht schießen"¹, würde ich auch
>>> zugern mal wissen, warum man das SEK brauchte.
>>> Wollte der vormals Radfahrende sich etwa nur vom SEK widerstandslos
>>> vorläufig festnehmen lassen und nahm deshalb eine Verzögerung von
>>> 60 Minuten in Kauf?
>>
>> So wird's gewesen sein. Denn den unmittelbaren Zwang wenden unsere
>> Ordnungshüter bekanntermaßen nur äußerst selten an. Die zerren niemanden
>> vom Rad, die fahren keinem Radfahrer in den Weg, das machen sie alles
>> nicht...
>>
> Haben sie doch auch, denn sie haben den Spinner nicht nur mit Schußwaffen
> bedroht, sondern sogar auf ihn geschossen.
Verstehe ich dich gerade falsch oder ist dein Ironie-Detektor hinüber?
> Ich denke nur, das die übervorsichtig waren.
Für mich passt das Wort »rücksichtslos« schon viel besser.
> Ich hätte die Situation sehr wahrscheinlich ganz anders eingeordnet
> und wäre im Schutzmodus gewesen.> Ich ticke aber auch anders als viele Polizisten und halte von der
> Nullrisikopolitik so gar nix.
Ich bin eh der Meinung, dass unter denen, die Bock auf dieses Metier
haben, nicht zufällig eine Menge sind, die gerne mal den dicken Max
markieren und »ich Chef, du nix« auch in solchen Situationen leben. Ich
kann mir zumindest nicht vorstellen, dass in der Polizeischule eine
Lehrgangseinheit »Klugscheißen, Kleinreden, Rechtfertigungen frei
erfinden und den anderen als Deppen behandeln, weil er keine Uniform
trägt« vorkommt.
>>>> Das Ganze nur wegen einer Ordnugnswidrigkeit (Fahren mit einem
>>>> nichtmotorisierten Fahrzeug auf der Autobahn = 10,- Euro); das
>>>> maskiertes Herumfahren mit einem maskieren Plüschtier ist zumindest im
>>>> Moment noch nicht strafbar und stellt auch keine Ordnungswidrigkeit dar.
>>> Wenn der die tatsächlich mit einer für die Polizisten gefährlichen Waffe
>>> oder etwas was die Polizisten dafür halten konnten, bedroht hat, spielt
>>> das ja keine Rolle. Polizei muß sich auch nicht von flüchtenden Kaugummi-
>>> Dieben erschießen lassen.
>>
>> So weit richtig. Drum muss man auch klar sagen: In deren Haut will man
>> in solchen Fällen nicht stecken. Du deutest es ja schon an, was auch in
>> BW-Kreisen (insbesondere im Zusammenhang mit Vergatterung) altbekannte
>> Weisheit ist: Mit einem Bein im Knast, mit dem anderen im Grab.
>> Gütigerweise sind die Dienstherren und Staatsanwälte diesbezüglich aber
>> sehr oft sehr zuvorkommend, sodass der Teil mit dem Knast kaum auftritt,
>> weshalb man sich den Teil mit dem Grab deutlich leichter vom Leib halten
>> kann, als es kolportiert wird.
>>
> Eben, man steht ja eben nicht mit einem Bein im Knast. Und das Grab
> kommt in Friedenszeiten auch regelmäßig anders als man es erwartet.
> Ich habe damals die eigentliche Gefahr ganz woanders gesehen und auch
> unsere Vorgesetzte. Die eigentliche Gefahr besteht nämlich darin jemanden
> zu erschießen, den man im Nachhinein besser nicht erschossen hätte.
> Das ist nämlich die langjährige Erfahrung aus dem Wach- und
> Sicherungsdienst.
So isses. Der Teil mit dem Knast folgt daraus noch lange nicht.
Insbesondere wenn man Staatsbediensteter ist...
>>> Zu deiner Frage, ob wir hier jetzt schon US-amerikanische Verhältnisse
>>> hätten, möchte ich sagen: Nein.
>>> Auf Wikipedia gibt es eine Statistik zum Schußwaffengebrauch von
>>> Polizisten und die gehen IMHO doch recht sparsam damit um.
>>
>> Die werden in DE auch einigermaßen in Sachen Deeskalation und
>> Krisenmanagement geschult. Zwar sicher auch oft genug nicht ausreichend,
>> aber nicht ausreichend ist immer noch besser als gar nicht. So läuft das
>> nämlich in US oft ab. Da steht man drei mal die Woche auf den
>> Schießstand, aber wie man eine Situation so beeinflusst, dass man die
>> Knarre gar nicht erst braucht, muss ja keiner wissen...
>>
> Deeskalaation ist die eine Seite, die andere Seite ist die, daß denen
> suggeriert wird sie stünden ständig mit einem Bein im Grab und deshalb
> sollte man lieber zuerst schießen.
Was in US ja teils auch zutrifft. In DE dagegen eher nicht so.
> Auch waffentechnisch hat sich das niedergeschlagen. Polizeipistolen
> müssen nicht mehr entsichert werden und die Waffe ist
> teilvorgespannt, so daß die Fingerkraft zu Abgabe des ersten Schusses
> nur noch gering ist.
Krasser Scheiß.
> Der gute, alte Warnschuß scheint auch vom Aussterben bedroht zu
> sein.
/Das/ habe ich mir bei der ganzen Angelegenheit auch gedacht. So hat man
mir das mal beigebracht. Nicht einfach sinnlos rein rotzen. Das sollte
die letzte Maßnahme sein.
> Zusätzlich hat man die Polizei mit nicht tödlichen Waffen ausgerüstet,
> von denen anscheinend auch eifrig Gebrauch gemacht wird und es sollen
> noch mehr dieser Waffen dazu kommen.
> Das ist IMHO eine Entwicklung die bedenklich ist, denn psychologisch
> sind die so per se schon auf dem Kriegspfad und der Waffeneinsatz wird
> gefördert. Die tatsächliche Bedrohungslage hat sich für Polizisten aber
> verbessert.
Das einzige, was evtl. tatsächlich gestiegen ist, ist der Stresslevel.
Aber darüber kann ich nur spekulieren. Ich mache den Dienst ja nicht.
>>> IMHO ist aber nicht jeder Polizist für den Job in Bezug auf
>>> Schußwaffengebrauch geeignet. IMHO darf man in der konkreten Situation
>>> keinen übermäßigen Schiß haben und muß zumindest glauben, man hätte das
>>> im Griff.
>>
>> Logo. Deshalb gibt es mWn auch umfangreiche Tests, bevor man überhaupt
>> »mitspielen« darf. Wie gut diese Tests allerdings den Job erledigen,
>> weiß ich nicht.
>>
> Die Polizei hat umfangreiche Tests, die überprüfen ob man sich da
> jetzt einen übernervösen, triggerhappien Typen einhandelt?
> Das wäre mir neu.
Ich meine schon. So wie sie das bei der BW durchaus auch machen. Da kann
man schon mal ausgemustert oder entlassen werden, wenn klar ist, dass
man ein schießwütiger Trottel ist, der sich nicht an die Vorschriften
halten will oder kann.
> Ich habe eher so den Eindruck es reicht einigermaßen Schreiben und Lesen
> zu können und dann beim Spochttest eine gute Figur zu machen.
Wir verstehen uns. =)
> Der krönende Abschluß der Polizeiausbildung ist dann das alljährliche
> Radfahrertrietzen zur "dunklen" Jahreszeit.
Da wird es sicherlich noch andere tolle Dinge geben, die neben der
Ausbildung wunderbar kolportiert werden. Z. B. Blitzen an
Tempolimitübergängen, während im tatsächlich schützenswerten Bereich
keine Sau unterwegs ist.
>>> Trotz fallenden Risikos als Polizist Opfer einer Gewaltstraftat zu
>>> werden, wird von interessierten Gruppen aber eine Zunahme der Gewalt
>>> behauptet, da kommen die aber nur hin, wenn der Gewaltbegriff
>>> unzulässig auf Lappalien wie z.B. böse Widerworte ausgeweitet wird.
>>
>> Naja, es ist schon auch eine Frage, wie oft man mit Gerangel und
>> Beleidigungen konfrontiert wird. Der Ton wird definitiv schärfer und im
>> Karton rappelt es schon auch immer öfter. Woher das kommt, das will
>> allerdings keiner untersuchen. Wenn ich zurückdenke, was meine
>> bisherigen Erlebnisse mit Ordnungshütern im Dienst waren, verliere ich
>> auch mehr und mehr den Respekt vor dem Berufstand. Was letztlich aber,
>> wie so oft, wieder nur einzelne versauen. Über die Gesamtheit kann ich
>> ja nichts sagen. Trotzdem ist es quasi automatisch so, dass man bei
>> ständiger Bestätigung von untragbaren Verhaltensmustern innerhalb einer
>> gewissen Gruppe von Menschen dazu neigt, die ganze Gruppe damit in
>> Verbindung zu bringen.
>>
> Schärfer wird allenfalls der Ton, eine durchschnittliche
> Bäckereifachverkäuferin darf sich auch so manches anhören.
Das meine ich. Und das kriegen auch die Bullen ab. Und in einer
zusätzlich hitzigen Situation sicherlich nicht weniger, eher mehr als
üblich.
> Gewalt, in dem Sinne wie es auch vor deutschen Gerichten stand hielte,
> ist meines Wissens gegenüber Polizisten rückläufig.
> Respekt ist ansonsten etwas was man sich verdienen muß und man kann
> wohl kaum erwarten, daß einem das qua Uniform verliehen wird.
Das ist es, worum es mir geht. Wenn man mich stets respektvoll behandelt
hätte, keine Frage. Aber man wird ja immer behandelt wie ein Stück altes
Brot, das sich mal nicht so haben soll, wenn sich der Herr oder die Dame
in Grün daneben benimmt. Man hat ja schließlich nichts zu melden, wenn
sie sich was einbilden.
>>> Hohe Emotionalität und eine unrealistische Einschätzung des Risikos
>>> sind der Sache abträglich.
>>
>> Dafür hat man doch die Polizeigewerkschaft... Ich habe bisher noch so
>> gut wie nichts sinniges von denen gehört – aber viel polemisieren und
>> Übertreiben, das können sie.
>>
> Das sind die Schlimmsten und in jeder Talkshow zum Thema dürfen die meist
> unangefochten ihren Unfug ablassen.
Gut, die Merkel darf bei Politikrunden ja auch mit reden. ;-)
> Ich hatte neulich mal ne Talkshow gesehen und da hat Richter Fischer mal
> wieder kaum ein Blatt vor den Mund genommen, auch das übliche Opfer,
> welches nicht zwischen Raub und Diebstahl differnzieren konnte&wollte und
> Polizsiten die den Unterschied zwischen Täter und Tatverdächtige nicht
> kennen und auch nicht wissen wie Gewalt vor dem Gesetz definiert ist,
> durften nicht fehlen. Den Fischer haben sie dann alle angegiftet und
> nur der Christopher Lauer kam dann dem Fischer zur Hilfe und meinte
> der Herr Fischer hätte eben eine professionelle Sicht auf die Dinge,
> also etwas was man auch von Polizisten erwarten kann.
So isses. Das Tragischste aber sind die Bullen, die wirklich mit allem
Ehrgeiz und aller Professionalität versuchen, ihren Job gut zu machen.
Und die die von ihren Kollegen verursachte verbrannte Erde da draußen
mit ausbaden müssen.
>>> ¹ Wir hatten uns übrigens damals für das Nichtschießen entschieden,
>>> obwohl das einsame Gegenüber im Dunkeln ein M16 trug.
>>> Glück für den die heimliche Einsamkeit suchenden US-amerikanischen
>>> Freund, denn seine Schutzweste hätte gegen 7,62x51 mm nichts ausrichten
>>> können.
>>
>> Also mit einem Bein im Grab.
>>
> Nein, eben nicht. Wenn auch nur einer von uns beiden den Eindruck gehabt
> hätte, auf uns würde gleich geschossen werden, hätte mindestens einer
> von uns beiden auch geschossen. Den Eindruck hatten wir aber nicht, also
> war es auch die richtige Entscheidung. Mit Hätte-hätte-Fahradkette und
> "Was da alles hätte passieren können!!!", kommt man da ja nicht weiter.
Schon klar. Wenn der Typ die Knarre nur auf'm Buckel hat, kein Ding.
Wenn das Ding schon in meine Richtung zeigt, bin ich auch anders drauf...
> Und in diesem Fall vermute ich auch, daß der Polizist "instinktiv"
> nicht den Eindruck hatte konkret und unmittelbar an Leib und Leben
> gefährdet zu sein. Er hat nämlich wohl nur einen einzigen Schuß
> abgefeuert.
Immerhin, treffen kann er. ;-) Wobei... ich fand das nicht weiter
schwer. 48 Punkte von 50 bei 25 m, das ist eigentlich nicht so krass
schwer, auch wenn die Kameraden das anders sahen. In Bewegung sicher
nicht einfacher, aber die Zielscheiben sind auch nicht gerade 60 cm
breit oder 1,8 m hoch.
Grüßle,
Martin.