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Faust, der Komödie erster Teil - 14 - Alltag in der Firma

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Walter Anger

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May 29, 2009, 12:18:13 PM5/29/09
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Firma, Verhandlungssaal. Abgedunkelt; wie für eine satanische Messe
hergerichtet.

Das Führungspersonal sitzt am Tisch. Sie sind abenteuerlich Gothic
Style gekleidet. Der Tisch ist mit einem schwarzen Tuch gedeckt. Ein
weißes Kaninchen sitzt auf dem Tisch.

Faust kommt rein. Er schaut entgeistert.

Führungspersonal: (fast alle, fast gleichzeitig) Guten Morgen!

Faust: (beutelt den Kopf) ... Was soll das? Wie seid ihr angezogen?

Leiter Rechtsabteilung: Das ist die neue Corporate Identity.

Buchhalterin: Bekleidungsvorschriften!

Leiterin Marketing: Wir werden sicher auffallen und herausragen, aber
ich fürchte, man wird uns auch meiden.

Leiter Rechtsabteilung: Der Professor hat uns zu einem Seminar geladen.

Mephisto und Raffaela kommen rein. Sie tragen Seminarutensilien.

Mephisto: (laut, zur Versammlung) Alles angetreten zur Gehirnwäsche?!

Faust: (leise, zu Mephisto) Dürft ich um eine Erklärung bitten?

Mephisto: (leise, zu Faust) Hab doch einfach Vertrauen zu mir.

Faust: ... (leise, zu Mephisto) Nein!

Mephisto: ... (leise, zu Faust) Ich turne die Corporate Governance und
die Corporate Policy upside down. Für das Change Management klopf ich
das Human Capital weich.

Faust: (für alle hörbar, zeigt auf das Kaninchen) Und was soll das
Kaninchen dort?

Raffaela: (für alle hörbar) Aber das ist doch offensichtlich, wir
(zückt ein Messer) opfern es!

Buchhalterin: Ui!

Mitleidiges Raunen.

Faust: (für alle hörbar) Hier wird kein Kaninchen geopfert!

Buchhalterin: Nein! Das Arme! (sie nimmt das Kaninchen und drückt es an
ihren großen Busen)

Raffaela: (zu Faust, für alle hörbar) Du kriegst deinen Teil. Willst du
es lieber gebraten oder paniert?

Faust: (für alle hörbar) Dieses hier ist kein Kaninchenschlachthaus!

Mephisto: (zu Faust, für alle hörbar) Du hast ganz recht, wir geben es
einem professionellen Schlachter.

Buchhalterin: Nein! Ich nehm es meinen zwei Nichten mit! Bitte!

Raffaela: (leise, zu Faust) Die werden es täglich gewaltstreicheln. Sie
werden es an den Ohren ziehen, an den Beinen, sogar am
Stummelschwänzchen zupfen. Sie werden es überfüttern, und es wird
qualvoll an einer Zivilisationskrankheit krepieren.

Mephisto: (leise, zu Faust) Von Natur aus haben Menschen zu Kaninchen
ein sehr ambivalentes Verhältnis - wir füttern sie, wir streicheln sie,
und zum Schluß ziehen wir ihnen das Fell über die Ohren. Ich stelle nur
die natürliche Geisteshaltung wieder her. Aber du kannst ja alternativ
mit dem Vieh deine Tierversuche machen.

Faust: (leise, zu Mephisto) Ich mache keine Tierversuche!

Mephisto: (leise, zu Faust) Ich finde das auch inhuman. Ich beschränke
mich auf Menschenversuche. Heute teste ich, bis zu welch lächerlichen
Aktionen ich unser Personal kriegen kann. Sie werden Ringelreihen
tanzen und sich gegenseitig die Nasen verdrehen.

Faust: (leise, zu Mephisto) Paß auf deine Nase auf, du Rattenfänger! -
ich bin eine ziemlich bissige Laborratte.

Mephisto: (leise, zu Faust) Überlaß _mir_ die Menschenführung! Damit
hab ich eine Erfahrung, die niemand je aufholen wird. Schon Eva, das
Luder, ist auf mich reingefallen. Ich schmiede dir das tödlichste
Management der Welt.

Faust: (verzieht zweifelnd den Mund) ... (zur Buchhalterin, freundlich)
Sie können das Kaninchen mit nach Hause nehmen.

Faust geht. Das Tor schließt scheinbar ohrenbetäubend laut,
erschreckend. Mephisto begutachtet grinsend die angstschlotternde
Versammlung.


Ortswechsel: Faust geht zu seinem Büro. Michaela fängt ihn ab.

Michaela: (reicht Faust ein Schriftstück) Ich überlaß das lieber dir.
Luzi kann bei sowas ziemlich explosiv reagieren.

Faust verlangsamt seinen Schritt und liest; er läuft zornig an; er geht
wieder schnell weiter. Michaela begleitet ihn.

Faust: (zornig) Und wie, meinst du, reagiere _ich_ auf sowas?!

Faust und Michaela betreten Fausts Büro. Gretchen sitzt und liegt halb
auf dem Sofa. Sie trägt ein T-Shirt, auf dem 'kiss me' steht; eine enge
rote Hose; pinkfarbene Söckchen. Ihre Schuhe stehen daneben. Sie ißt,
und arbeitet am Laptop.

Faust: (zornig) Zieht sich der Signore Mafia Morali 20% Rabatt ab! und
schreibt noch drauf: 'wie vereinbart'! unverschämt!

Gretchen: Das ist in Ordnung. Er hat gesagt, das war immer so. Also hab
ich die Rechnung nachträglich korrigiert.

Faust und Michaela sehen Gretchen fassungslos an.

Michaela: (leise, klopft Faust auf die Schulter) Jeder Chef hat die
Sekretärin, die er verdient.

Faust hustet. Gretchen steht auf, um etwas vom Schreibtisch zu holen.

Faust: (noch um Fassung ringend) Gretchen ... ich versteh fast nichts
von Menschenführung ... ich versteh nicht viel von Buchhaltung ... aber
ich weiß, was -

Gretchens Hinternoberteil ist zu sehen. Sie zieht sich die Hose hoch.

Faust: ... (setzt fort) - was rund und weich ist. -

Michaela sieht Faust vorwurfsvoll von der Seite an. Gretchen setzt sich
wieder; sie putzt sich die Söckchen ab.

Faust: ... (setzt fort) - Du kannst froh sein, daß du für _mich_
arbeitest, und nicht für den Teufel.

Michaela versetzt Faust einen Ellenbogenstoß.

Gretchen: Den Teufel gibt's doch gar nicht!

Michaela: Nicht?

Gretchen: Und Gott auch nicht.

Faust: Nein?

Gretchen: Ja, das weiß ich ganz genau.

Michaela: Dürften wir wissen, woher du das so ganz genau zu wissen
meinst?

Gretchen: - Weil nämlich der Valentin hat mir das gesagt.

Michaela: (leise, klopft Faust auf die Schulter) Jede hat das Hirn, das
sie verdient.

Gretchen: Also, der Valentin ist ja eigentlich ein Depp. Aber das geht
klar - ich mag keine gescheiten Männer, bei denen komm ich mir immer so
dumm vor.

Michaela: (leise, klopft Faust auf die Schulter) Was sie sich nimmt,
das hat sie.


Ortswechsel: Verhandlungssaal.

Das Kaninchen hoppelt auf dem Tisch. Das Führungspersonal hoppelt um
den Tisch.

Mephisto: Jaa! Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl!

(Idee mit der Schildkröte von <ramona>)

Mephisto: - ... Der Hauptgang fällt heute aus, aber uns bleibt das
Hors'deuvre. (weist auf ein abgedecktes Tablett)

Raffaela habt die Abdeckung. Eine lebende Schildkröte ist auf dem
Tablett, umkränzt von Salat.

Einige Angestellte: (aus dem Hintergrund, durcheinander) Nein! - Oh! -
(Buchhalterin) Ui!


Ortswechsel: Fausts Büro.

Faust: (streckt sich die Ärmel hoch) Das schreit nach einer sich tief
ins Gedächtnis prägenden Bestrafung.

Michaela: (zu Faust) Kam dir eine phantasievolle Grausamkeit in den
Sinn?

Gretchen schaut verunsichert. Faust gibt Michaela mit Gesten zu
verstehen, was er vorhat. Sie deutet zurück, daß sie verstanden hat.

Sie gehen zu Gretchen; -

Gretchen: (laut) He! Nein! -

- sie packen sie jeder an einem Fuß; heben die Füße hoch; -

Gretchen: (laut) - Was macht ihr da?! -

- sie ziehen ihr die Söckchen aus; -

Gretchen: (laut) - Aufhören!

- sie kitzeln sie an den Fußsohlen.

Gretchen schreit, strampelt, wirft sich hin und her.


Ortswechsel: Verhandlungssaal.

Das Führungspersonal sitzt wieder am Tisch. Die Leiterin Marketing hat
die Schildkröte schützend an sich gedrückt.

Man hört Gretchen schreien. Den Leuten ist sichtlich unwohl.

Mephisto: (sich auf die Schreie beziehend) Da wird jemand gepeinigt! -
man fühlt sich gleich wie daheim. ... (setzt seinen Vortrag fort) Wir
beginnen zum Aufwärmen mit einer Softcore-Disziplin - Mobbing!

Leiterin Marketing: Das war in unserer Firma noch nie ein Problem.

Während des folgenden Vortrages schauen alle entsetzt fragend, teils
sich gegenseitig an.

Mephisto: Jaa, und diesem Problem müssen wir uns stellen! ... Nun, was
ist Mobbing? ... - massiver Terror gegen einen unliebsamen Kollegen am
Arbeitsplatz. Beim Spaßmobbing ist das üblicherweise die schwächste
Maus im Bau; beim Zweckmobbing ein Konkurrent oder Streber. Der Terror
kann Psychoterror sein, wie beleidigen, ignorieren, unangekündigt
versetzen; aber auch praktischer Terror, wie Sabotage, Informationen
vorenthalten, Schlüssel klauen, und so weiter und so fort. Im Anschluß
halten wir zu den möglichen Terrormethoden ein ausgiebiges
Brainstorming ab. -


Ortswechsel: Fausts Büro.

Faust und Michaela halten Gretchen noch immer fest, haben jedoch eine
Kitzelpause eingelegt.

Faust: (zu Gretchen) Also, was wirst du sagen, wenn dich wieder wer um
einen Preisnachlaß angeht?

Gretchen: (aufgelöst) Daß ich den Wunsch weiterleite.

Michaela: (zu Gretchen) Und was machst du _dann_?

Gretchen: (aufgelöst) Dann sag ich's dem Professor, aber erst wenn er
gut aufgelegt ist.

Faust: (zu Michaela) Ich glaub, jetzt hat sie's!

Michaela: (zu Faust) In der Schule des Bösen lernen wir, daß der
Delinquent noch einen Nachschlag braucht, damit es sicher sitzt.

Gretchen schreit, noch ehe Faust und Michaela zu kitzeln beginnen. Kurz
darauf beginnen sie.


Ortswechsel: Verhandlungssaal.

Das Führungspersonal sitzt noch immer am Tisch und Mephisto hält weiter
seinen Vortrag. Auch Gretchens Geschrei ist deutlich zu hören.

Mephisto: - Am frühen Nachmittag dann machen wir eine praxisnahe Übung.
Und zu guter letzt bereiten wir uns auf die Praxis vor. Und für diese -
nun, was brauchen wir da zuallererst? - ... (schaut der Buchhalterin
knapp ins Gesicht) na, ein Opfer!

Buchhalterin: Ui!

Leiter Rechtsabteilung: Das ist doch wohl nicht notwendig, es könnte
uns unnötig belasten.

Mephisto: Die Wahrheit schämt sich ihrer Nacktheit. Sie zeigt sich nur,
wenn es zischt und kracht.

Eine Explosion erschüttert die Firma. Fenster bersten, Rauchsschwaden,
Geschrei.

Ein Laborant, rußgeschwärzt und freudestrahlend, mit zwei
Haarschöpfchen wie Hörner geformt, kommt in die erschrockene
Versammlung gerannt.

Laborant: (begeistert) Das Experiment ist geglückt! -

Das Führungspersonal applaudiert.

Gabriela, gleichfalls rußgeschwärzt und freudestrahlend, kommt
hinterhergerannt.

Gabriala: (begeistert) - Und das Labor ist hin!

Mephisto: Auch du, meine Hexe Gabriela?!

Gabriela: Ich hab den Wasserstoff gezündet, ich komm mir ganz bedeutend
vor.

Das Führungspersonal applaudiert.

Faust kommt hereingeeilt.

Faust: (schimpft Gabriela und den Laboranten) Ich sagte doch, stellt's
in den Schutzraum! Wär's schief gegangen, wär das ganze Haus in die
Luft geflogen!

Das Führungspersonal applaudiert.

Gabriela: Ich konnt's nicht erwarten.

Faust: (zu Mephisto) Was stehst du hier rum?! <goethe>Sei / doch /
nicht wie Brei /.../ und schaff / ein neu's Labor / herbei.</goethe>

Mephisto: (affig) <goethe>Ja, gnäd'ger Herr, von Herzen gerne.</goethe>

--
Walter Anger

moviemaster.at

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