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Faust, der Komödie erster Teil - 19 - Die Obsession des Faust

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Walter Anger

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Jun 6, 2009, 8:00:49 AM6/6/09
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Firma, Verhandlungssaal.

Mephisto boxt laufend gegen die Wand. Die Tür zum Verhandlungssaal ist
angelehnt. Michaela geht vorbei, in einem Labormantel, mit Unterlagen;
sie hört es; geht rein.

Michaela: <goethe>Hat sich was im Kopf verschoben, dich kleidets wie
ein Rasender zu toben?</goethe>

Mephisto: (hält ein) ... Da gab's doch mal so einen Film - ein Mann
wurde 15 Jahre lang eingesperrt, ohne daß ihm einer sagte warum. Er
boxte 15 Jahre lang gegen die Wand. So ähnlich fühl ich mich derzeit
auch.

Faust, Gabriela und Raffaela kommen vorbei und schauen ebenfalls rein;
alle in Labormäntel.

Faust: (zu Mephisto) Ah, da bist du! ... (begeistert) Mit meinen drei
Assistentinnen flutscht alles nur so dahin!

Raffaela: Wir sorgen dafür, daß er sich wohl fühlt.

Gabriela: Unter jedem erfolgreichen Mann liegen drei Frauen.

Mephisto: Die Todsünde der Wollust kann ich ja nachvollziehen. Aber
dieses ewige Entdecken, Erfinden, Forschen, Entwickeln - das ist eine
Obsession - die Obsession des Faust!

Faust: Ohne diese Obsession hätte ich nie einen Vertrag mit dir gemacht.

Mephisto: Aber du bist unmäßig und unersättlich. Keine Aufgabe wäre dir
zu schwierig oder zu gewagt.

Faust: Stimmt! Sag 'unmöglich', und ich bin dabei.

Mephisto: (lachend) Das merk ich mir!

Faust: Ohne Obsession hättest auch _du_ nie einen Vertrag mit mir
gemacht. Was ist _deine_?

Mephisto: ... Gute Frage.

Faust: Beantworte sie gut!

Mephisto zögert.

Michaela: (leise) Sag es! -

Gabriela: (leise) - Sag es! -

Raffaela: (leise) - Laß es raus! -

Mephisto: - Ja, ich sag es! -

Michaela: - Sag es! -

Mephisto: (leise) Ich will Gott stürzen! -

Gabriela: - Lauter!

Mephisto: (normal beginnend, lauter werdend) Gott stürzen! ... Ich will
Gott stürzen! ... Gott stürzen! Gott stürzen! ... (normal) Aber das
sollten nur meine intimsten Freunde wissen.

Faust: Alle Welt weiß es. Du bist bekannt dafür. Das ist der Mythos des
Teufels.

Mephisto: Ich mag's aber nicht, wenn darüber getratscht wird.

Faust: (schmunzelnd) In der Hölle könnte einer auf den gleichen
Gedanken kommen und den Teufel stürzen wollen.

Mephisto: (auflachend) ... Den Teufel stürzen! Unmöglich! -

Mephisto lacht. Faust reibt sich überlegend das Kinn, Mephisto prüfend
betrachtend. Michaela, Gabriela und Raffaela werfen sich
bedeutungsvolle Blicke zu und streichen Faust über den Rücken.

Mephisto: - ... (noch lachend, ins Leere blickend) Völlig unmöglich!

Ein Laborant schaut rein.

Laborant: Herr Doktor, der Computer hat fertig gerechnet. Die Testwerte
wurden bestätigt.

Faust: (zum Laboranten) Ich komm gleich!

Laborant ab.

Faust: Wir müssen noch einige Realitychecks ausarbeiten, aber ich bin
zuversichtlich. (zu Mephisto) Im Namen der ganzen Menschheit - danke,
daß du uns diese Gelegenheit verschafft hast. Du bist ein Wohltäter,
ein Heiliger! -

Mephisto kann es nicht fassen.

Faust: - Das ist ein technologischer Quantensprung, wir krempeln alles
um. Ich sehe schon Wohlstand und Glück auf der ganzen Erde. ...
(allgemein gerichtet, verzückt) <goethe>Ach Augenblick, verweile doch,
du bist so</goethe> -

Mephisto ist am Sprung, Faust zu ergreifen und in die Hölle zu zerren.
Gretchen kommt herein. Faust sieht sie und hält inne.

Faust: (unglücklich) - ... Gretchen!

Mephisto hält im Sprung inne, das Gesicht zu einer Fratze verzerrt.

Gretchens Kleidung ist eine Farbkomposition aus Rosa, Pink und Rot. Sie
hat einen Ordner mit. Sie hüpft im Wechselschritt zu einem Regal.

Gretchen: (hüpfend, singsang) Ich wollt, ich wär ein Lutschbonbon, ein
zuckerlrosa Lutschbonbon!

Gretchen stellt den Ordner ins Regal; sie dreht sich um und geht zum
Ausgang; sie sieht neben sich Mephisto. Dieser ist auf allen Vieren auf
einem Tisch und stiert sie wild und haßerfüllt an. Gretchen erschrickt
und flüchtet schreiend.

Faust: (aufgebracht, zu Mephisto) Warum erschreckst du Gretchen so?!

Mephisto: Gretchen, Gretchen, Gretchen! das ist keine Obsession mehr,
das ist eine Zwangsneurose!

Michaela: (indigniert) Liebe ist keine Zwangsneurose!

Raffaela: (inbrünstig) Liebe ist ein Geschenk des Himmels!

Gabriela: (inbrünstig) Liebe ist ein Befehl Gottes!

Mephisto: (zu seinen Engeln) Iiihr! Mit euch rechne ich noch ab!

Michaela, Gabriela und Raffaela kuscheln sich schutzsuchend an Faust.

Michaela: (anklagend, verängstigt, schlitzohrig) Heinrich, bittebitte
hilf uns!

Raffaela: (anklagend, verängstigt, schlitzohrig) Er ist schrecklich!

Michaela: (anklagend, verängstigt, schlitzohrig) Er wird uns quälen! -

Raffaela: (anklagend, verängstigt, schlitzohrig) - foltern! -

Gabriela: (lüstern) - und peitschen!

Faust wirkt empört.

Mephisto: Ausgerechnet die drei da jammern und flehen! ... Michaela war
eine Nymphomanin. Sie hat die Gladiatoren erst in die Arena gelassen,
als sie von ihrer unersättlichen Lüsternheit völlig ausgelaugt waren.

Michaela: (zu Faust) Ja, ich war schlecht! Aber damals war es normal
und alltäglich, Sklaven wie eine seelenlose Sache zu benutzen. Wir
hatten keinen Faust, der uns sagte, was Recht und Unrecht ist.

Mephisto: Und Gabriela! die war eine schwarze Witwe. Dreizehn Männer
hat sie umgarnt, geheiratet, vergiftet und beerbt.

Gabriela: (zu Faust) Ja, das stimmt! Aber wenn du wüßtest, was das für
Widerlinge waren! Ich habe der Menschheit einen Gefallen getan. Und
alle meine Ex sind in der Hölle gelandet, dies zur Bestätigung.

Mephisto: Meine Spionin Raffaela! die beherrscht ihr Handwerk deshalb
so gut, weil sie es lernte und ausübte. Sie war eine verräterische
Doppelagentin. Deckname: Venusfalle! Hat beinahe zwei Geheimdienste
ausgerottet.

Raffaela: (zu Faust) Ja, er hat recht! Aber ich wurde später auch
liquidiert. Das war das große Spiel. Es hat Spaß gemacht, uns allen,
auch den Liquidierten.

Mephisto: Ausreden, Ausreden, nichts als Ausreden! (direkt zu Faust)
Wenn ich solche Missetäterinnen schon so fördere, wie sehr erst dich!
Wenn wir die Armeen Gottes besiegt haben, mache ich dich zum Zweiten im
Universum! Du wirst alles wissen, alles können, alles haben, was du
begehrst, für den Rest der Ewigkeit. Du wirst mein Prunkteufel!

Faust: (verzieht den Mund) ... Ich werd's kurz und schmerzlos machen
- ... Um jemanden ins Hirn scheißen zu können, bedarf es da oben (weist
auf seinen Kopf) eines Hohlraumes. Ein solcher ist zwar recht häufig,
doch nicht bei jedem vorhanden.

Mephisto schaut blöde.


Ortswechsel, Zeitsprung: Firma

Faust ist wieder auf dem Weg ins Labor; er geht durch einen Korridor;
kommt an einen Spiegel vorbei; bleibt davor stehen.

Faust: (sich im Spiegl betrachtend, streicht sich über die Brust)
Prunkteufel! ... (lauter) Prunkteufel! (knickt ein) ... (unglücklich)
Gretchen! (geht weiter)


Ortswechsel, Zeitsprung: Faustfelsen

Mephisto boxt laufend an den Felsen. Gott kommt an; er nimmt den Helm
ab, bleibt aber am Motorrad sitzen.

Gott: Am Faust schlägt sich selbst der Teufel die Fäuste blutig.

Mephisto: (boxend) Ich gebe nie auf! - Ich gebe nie auf! - Ich gebe nie
auf!

Gott: (spöttisch) Das mochte ich immer so an dir.

Mephisto hört zu boxen auf und dreht sich zu Gott.

Mephisto: Hat denn der überhaupt keine Schwächen?!

Gott: Nana! <goethe>Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt. Nichts
Abgeschmackters find ich auf der Welt als einen Teufel, der
verzweifelt.</goethe>

Ein weibliches Englein, blond, mit weißen Flügelchen, in weißem Leder,
setzt sich hinter Gott aufs Motorrad. Gott lacht breit. Die beiden
setzen sich die Helme auf. Gott fährt ab.

--
Walter Anger

www.moviemaster.at

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