Faust: (ruft) <goethe>Es klopft? Herein! Wer will mich wieder
plagen?</goethe>
Mephisto: (ruft) <goethe>Ich bin's!</goethe> Der Teufel!
Die Nachbarin erschrickt und flüchtet.
Faust: (ruft) <goethe>Herein denn!</goethe>
Mephisto: (ruft) <goethe>Du mußt es dreimal sagen!</goethe>
Faust: (ruft laut) Bewegst du jetzt endlich deinen Arsch rein!
Mephisto geht in die Wohnung. Faust macht gerade umständlich und
unsicher eine Yogaübung.
Mephisto: <goethe>Ah bravo! Find ich Euch in Feuer? In kurzer Zeit ist
Gretchen Euer.</goethe>
Faust: <goethe>So recht!</goethe>
Mephisto fällt ein Buch auf, das auf dem Tisch liegt. Er nimmt es.
Mephisto: (liest vom Cover) Occam's Razor, eine metaphysische
Abhandlung, von Doktor Heinrich Faust. (redet wieder von sich aus) Ah,
die geschätzte Metaphysik! - mit der man <goethe>tiefsinnig faßt, was
in des Menschen Hirn nicht paßt</goethe> Davon kann man leben?
Faust kommt wieder ins Bild. Er macht eine andere Yogaübung, wieder
umständlich und unsicher.
Faust: Wie geht's nun weiter?
Mephisto: Wir gehen Gretchen besuchen.
Faust purzelt aus seiner Yogastellung.
Faust: Wann? Jetzt? Kann ich noch duschen?
Mephisto: Es ist genug Zeit. ... Ich wart unten beim Wagen.
Mephisto ab.
Ortswechsel, Zeitsprung: Straße. Mephisto, Michaela und Raffaela warten
beim Wagen auf Faust. Mephisto tappt ungeduldig mit einem Fuß, schaut
auf die Uhr.
Faust kommt übertrieben hergerichtet aus dem Haus.
Faust: Fertig!
Michaela: (etwas spöttisch) Kaum noch auszuhalten!
Raffaela: (etwas spöttisch) Darf ich mal abbeißen?
Faust: ... (zu Raffaela) Ich hab dich schon öfter um mich rumschwänzeln
sehen, oder?
Mephisto: (stellt vor) Das ist Raffaela, meine Spionin.
Faust: Eine Fr- ... Ich sag lieber nichts.
Raffaela: Besser so!
Ortswechsel, Zeitsprung: Fahrendes Auto. Faust und Mephisto auf den
Rücksitzen, Raffaela auf dem Beifahrersitz, Michaela am Steuer.
Raffaela: (informiert) Gretchen und ihre Schwester Vicky wohnen
zusammen in einem Haus. Vicky ist letztes Jahr ihr Mann abhanden
gekommen. Das übliche Klischee - er ging um eine Packung Zigaretten und
ward nie mehr gesehen.
Faust: Wo ist er denn?
Raffaela: In Sicherheit, soweit wir wissen.
Mephisto: <goethe>Wir legen ein gültig Zeugnis nieder,</goethe> daß er
gestorben ist.
Faust: Ist er nun tot oder nicht?
Mephisto: Das ist doch völlig gleich! <goethe>Bezeugt nur, ohne viel zu
wissen.</goethe>
Faust: <goethe>Wenn er nichts bessers hat, so ist der Plan
zerrissen.</goethe>
Mephisto: (schlägt die Augen auf) ... <goethe>Ist es das erstemal
in /deinem/ Leben, daß /du/ falsch Zeugnis abgelegt?</goethe> ... Weißt
doch recht gut, daß Wissenschaft meist nur Mode, Täuschung, Irrtum ist!
Dennoch - hast du <goethe>Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?
mit frecher Stirne? kühner Brust?</goethe>
Faust: <goethe>Du bist und bleibst ein Lügner, und Sophiste.</goethe>
Mephisto: Ja! ... Schweige wenigsten! und überlaß _mir_ das Lügen!
sonst gibt's kein Rendevouz mit Gretchen.
Faust: (seufzend) Nun, es wird kein Schaden angerichtet.
Raffaela: (informiert Faust weiter) Noch etwas - Gretchen hat einige
Musik-CDs zum Verkauf angeboten. Vielleicht kannst du da einhaken zu
einem Gespräch. (reicht Faust ein Blatt) Hier, dein Briefing!
Ortswechsel, Zeitsprung: Der Wagen hält vor Gretchens Haus. Faust liest
die letzten Zeilen des Briefings.
Faust und Mephisto steigen aus.
Michaela: Wir warten hier, falls es Schwierigkeiten gibt.
Mephisto: Was sollt es schon für Schwierigkeiten geben! Ihr
unterschätzt mich. Macht euch einen schönen Tag! ... Das ist ein Befehl.
Faust und Mephisto gehen zur Haustür.
Mephisto: Also, du schmeißt dich an Gretchen ran, und ich brat derweil
die Schwester an.
Mephisto läutet. Gretchen öffnet.
Faust: (heiser) Guten Tag!
Mephisto: Guten Tag! Vicky erwartet uns.
Gretchen: Ach ja, kommt rein!
Gretchen führt Faust und Mephisto ins Wohnzimmer.
Gretchen: Ich bin Gretchen.
Faust: Faust, Heinrich Faust! Und das ist -
Mephisto: (unterbricht, direkt zu Gretchen) - Nenn mich Mephisto!
Gretchen: So einen schön abscheulichen Namen hätt ich auch gern. Setzt
euch doch! Ich ruf Vicky.
Faust und Mephisto setzen sich.
Gretchen: (ruft, bei einer Tür stehend) Vicky!
Vicky: (ruft, von einem anderen Raum aus) Bin gleich da!
Gretchen: (zu Faust) Du kommst mir so bekannt vor. Haben wir uns schon
mal gesehn?
Faust: Kann sein. Man läuft sich über den Weg und fällt sich auf.
Vicky kommt. Sie ist eine ausgesprochen stark gebaute Frau. Sie bleibt
in der Tür stehen, lehnt sich lasziv an den Türstock.
Vicky: Man hat mir gesagt, ich soll hier den Teufel vergewaltigen. Wo
ist er denn?
Michael, Gabriel und Raffael erscheinen für einen Moment im Raum.
Faust (panisch); Michael, Gabriel, Raffael (grinsend): (alle
gleichzeitig, auf Mephisto weisend) Der da!
Mephisto, entsetzt, erstarrt.
Vicky: (zu Mephisto gehend) Der ist ja süß!
Vicky setzt sich zu Mephisto. Sie krault ihm die Haare.
Mephisto: (versucht wegzukommen) <goethe>Verzeiht die Freiheit, die ich
genommen, will Nachmittage wiederkommen.</goethe>
Vicky: (zieht Mephisto zurück) Neinnein, ihr wißt was von meinem
entlaufenen Mann.
Mephisto: <goethe>Ihr Mann ist tot und läßt sie grüßen.</goethe>
Vicky: <goethe>Ist tot? das treue Herz! O weh! Mein Mann ist tot! Ach
ich vergeh!</goethe>
Gretchen: <goethe>Ach! liebe /Schwester/, verzweifelt nicht.</goethe>
Vicky: <goethe>Erzählt mir seines Lebens Schluß!</goethe>
Mephisto: <goethe>So hört die traurige Geschicht!</goethe> Die Piranhas
fraßen ihn im Dschungel. Wir sahen ihn ganz skelletiert. Die Fluten
trieben weg die Knochen.
Gretchen: Das war sicher malerisch. Habt ihr es gefilmt.
Mephisto: Leider - wir hatten grad keine Kamera zur Hand.
Vicky: Ich hab nun noch eine sehr heikle, intime Frage.
Vicky drückt Mephisto an seinen Sitz und sieht Gretchen an, als ob sie
sie wegschicken möchte.
Faust: Da bin ich auch überflüssig. Er weiß alles besser als ich.
Gretchen: (zu Faust) Ich hab frischen Kaffee am Zimmer. Komm!
Faust und Gretchen ab. Mephisto sieht Faust verzweifelt nach, als ob er
ihn zurückhalten wollte.
Mephisto: (gepreßt) Welche Frage?
Vicky: (gierig) Was hat er hinterlassen?
Mephisto: ... Eine schöne Erinnerung. <goethe>Im übrigen sind meine
Taschen leer.</goethe>
Vicky: <goethe>Was! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?</goethe>
Metal Musik ist von Gretchens Zimmer zu hören.
Mephisto: Nun ... er schürfte Gold und fand auch viel.
Vicky: <goethe>Ei wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben?</goethe>
Mephisto: <goethe>Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an,</goethe>
als er am Strand von Rio <goethe>fremd umherspazierte.</goethe>
Vicky: <goethe>Der Schelm!</goethe>
Mephisto: <goethe>Ja seht! dafür ist er nun tot.</goethe>
Vicky: (schnüffelt) ... (traurig) Und ich bin allein.
Mephisto reißt sich los und eilt zu Gretchens Zimmer. Faust und
Gretchen haben es sich gemütlich gemacht. Sie unterhalten sich, trinken
Kaffee, begutachten Musik-Disks, hören Metal Musik.
Mephisto: (in der Tür stehend, ruft, heiser) Heinrich!
Faust kommt heran.
Mephisto: (leise) Abbruch!
Faust: (leise) Wir kommen grad ins Reden.
Mephisto: (leise) Das ist ein Monstrum! ein Riesenbaby! ein
Gehsteigpanzer!
Faust: (leise) Nur weil dein Geschmack auf schlanke Gazellen fixiert
ist!? Sie ist eine kultivierte Lady. Bagger sie an wie Don Juan!
Mephisto: (leise, quiekend) Ich kann nicht!
Faust: (leise) Hopp, hopp!
Mephisto: (leise) Wie springst du mit mir um? Ich bin immerhin der
Teufel!
Faust: (leise) Kleine Korrektur - du bist ein Teufel, der einen Vertrag
unterschrieben hat.
Faust geht zu Gretchen zurück; Mephisto verzweifelt zu Vicky.
Vicky: Ich muß mich jetzt bei Gretchen ausweinen. (will gehen)
Mephisto: (hält Vicky zurück) Da ist noch was... (bekommt nichts raus)
Vicky: Was willst du denn loswerden? raus damit!
Mephisto: ... Vicky ... du bist das Sahnehäubchen auf meinem
Lebensunglück!
Vicky: (kichert) ... Ist's <goethe>nie Ernst in Eurem Herzen?</goethe>
Mephisto: <goethe>Mit Frauen soll man sich nie unterstehen zu
scherzen.</goethe>
Ortswechsel: Gretchens Zimmer.
Gretchen: (schimpft ins Handy) Sandra, ich brauch die CD _jetzt_! ...
Du hast sie weitergeborgt und kriegst sie nicht zurück? Du dumme
Blunzn! Ich spuck dich an! (beendet das Gespräch)
Faust: (verliebt) <goethe>Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhält,
als alle Weisheit dieser Welt.</goethe>
Gretchen lächelt geschmeichelt.
Ortswechsel: Wohnzimmer.
Mephisto: (hat sich an Vicky rangeschmissen) Du bist nicht umwerfend,
du bist plattwalzend. Mehr Schönheit ist gar nicht vorstellbar. Süße,
laß mich andocken!
Vicky quickt glückselig; packt Mephisto und schleift ihn weg.
Mephisto: (laut, panisch) Aber doch nicht jetzt gleich!
Vicky: Das Leben ist so kurz. Wozu Zeit verlieren?
Mephisto: (laut, panisch) Die nimmt <goethe>den Teufel selbst beim
Wort.</goethe> (strampelt) ... (schreit) Hilfe!
Ortswechsel: Fahrendes Auto. Michaela und Raffaela.
Mephisto: (schreit, aus einem Funkgerät) Hilfe!
Raffaela dreht das Gerät ab.
Raffaela: Er sagte, wir sollen uns einen schönen Tag machen.
Michaela: Befehl ist Befehl.
--
Walter Anger
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