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Faust, der Komödie erster Teil - 10 - Gretchen wird eingestellt

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Walter Anger

unread,
May 26, 2009, 1:42:19 PM5/26/09
to

Morgens. Fahrendes Auto. Mephisto fährt in die Firma. Er hämmert mit
seinem kleinen Finger in einem juckenden Ohr.

Mephisto fährt rasant in den Firmenparkplatz ein. Ein Mitarbeiter
springt im letzten Moment zur Seite. Mephisto parkt ein; er steigt aus.
Ein Mitarbeiter versteckt sich vor ihm hinter einem Wagen.

Mephisto geht zum Eingang. Ein schwarzes, satanisch gestaltetes Schild
mit entsprechendem Logo und der Aufschrift 'evil tech' hängt dort.

Mephisto betritt forsch die Eingangshalle. Drei Mitarbeiter, die
tuschelnd zusammen stehen, stieben erschrocken auseinander.

Mephisto geht durch einen Korridor. Er geht vorsätzlich leise, damit
die Buchhalterin, die bei einem Kaffeeautomaten steht, ihn nicht hört.
Als er hinter ihr ist, kreischt er laut und durchdringlich.

Buchhalterin: (erschrickt, verschüttet Kaffee) Uiuiuiui!

Mephisto betritt sein Büro. Gabriela und Raffaela arbeiten dort.

Mephisto: (schleudert seine Tasche auf den Tisch) Den Generaldirektor
mußten wir großzügig abfinden. (setzt sich) Aber wenigstens den Rest
des Managements kann ich genußvoll disziplinieren.

Gabriela: (maulig) Ich vermisse meinen Schönheitssalon.

Mephisto: Du bekommst einen besseren. Ich muß alle Kräfte
konzentrieren. Es geht um die Wurscht!

Faust kommt herein.

Faust: (gut aufgelegt) Guten Morgen! Was für ein schöner Morgen! Ich
fühl mich hier richtig wohl; und kann mich voll entfalten. Das Labor
ist phantastisch ausgestattet.

Mephisto: Die neuen Geräte waren auch phantastisch teuer.

Faust: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter sind kompetent.

Mephisto: Und kosten Unsummen, da wir deren Anzahl auf deinen Wunsch
verdreifachten.

Faust: Wenn's nach dir ginge, wäre die Rechtsabteilung die größte.

Mephisto: Im Laufe der Erfahrungen wirst du auf meine Linie
umschwenken. Die Irrtümer der klugen Menschen beruhen meist auf
falschen Prämissen.

Faust: Was ist nun? - du hast mich rufen lassen.

Raffaela: (reicht Faust eine Unterschriftenmappe und einen Stift,
antwortet für Mephisto) Einige Personalumstellungen, für die wir deine
Unterschrift brauchen.

Faust: (nimmt Mappe und Stift) Welche Umstellungen?

Mephisto: Zuerst feuern wir den Verkaufschef.

Faust: Aber der ist doch recht sympathisch!

Mephisto: Es gehört zu seinem Job, sympathisch zu sein. Das ist sein
Talent, er hat es gelernt, und geübt. Wenn er nicht sympathisch
erscheinen könnte, hätte er exakt diesen Job nie bekommen. Weniger
sympathisch ist, daß er Firmengeheimnisse verkauft.

Faust: Bist du sicher?

Mephisto: Das geht klar aus den Abhörprotokollen hervor.

Faust: Aus den ... (laut) _was_?

Mephisto: Abhörprotokolle! ... Ich hab alles verwanzt - dieses Haus,
das Land, die Hölle und die Erde samt Umgebung. Man nennt mich auch
'die große Wanze'. Hier (lädt mit einer Geste, in seinen Computer zu
schauen) - ich habe ein eigenes Computerprogramm, das die Informationen
verwaltet.

Faust: (aufgebracht) Hast du dich beim Watschentanz übertrainiert?!

Mephisto: (lacht) ... Es ist wohl gegen Recht und Gesetz, aber dennoch
vertragskonform. Hier dieser Punkt: (Mephisto hält den Vertrag hoch und
zeigt auf einen Paragraphen) Ich bin - nein, nicht berechtigt, das
steht da nicht, sondern _verpflichtet_ - zwecks Erfüllung des Vertrages
mit allen technischen, taktischen, praktischen (holt Luft) ... und
psychogenen Mitteln alle auch nur entfernt relevanten Informationen zu
beschaffen.

Faust: (nachdenklich, zu sich selbst) Ein Formalpunkt ... meinte ich
undurchdacht... ... (ruft) Geister! Euer Urteil!

Alle Geister erscheinen.

Ein Geist: Er hat recht!

Ein Geist: Er darf es -

Ein Geist: - und er muß es.

Ein Geist: So ist es niedergeschrieben -

Ein Geist: - und unterschrieben.

Ein Geist: Leicht gabst du dein Wort -

Ein Geist: - und nun ist es vergeben.

Faust seufzt. Alle Geister entschwinden.

Mephisto: Nun? Entfernen wir den Wicht?

Faust: (unterschreibt die Entlassung) Ja.

Ein lauter Schrei, gefolgt von einem Plumps. (Michaela hat nebenan den
Verkaufsleiter aus dem Fenster geworfen)

Faust: Was war das?

Michaela kommt herein.

Michaela: (zu Mephisto) Hab ich's richtig verstanden?

Mephisto: (unernst, zu Michaela) - Aber falsch aufgefaßt! (zu Faust)
Das zweite: in deinem Büro bleiben die Routinearbeiten liegen. Ich habe
dir eine Sekretärin engagiert.

Faust: O.K.

Mephisto: Es ist Gretchen.

Faust: Was!

Gabriela: (schaut auf den Monitor) Sie kommt!

Faust: Wer?

Raffaela: Gretchen! (lächelt) Alles videoüberwacht!

Mephisto: Sie ist frisch ausgebildet zur Büromaus und sucht Arbeit.
<goethe>Das hat der Zufall gut getroffen.</goethe>

Faust: (richtet sich vor einem Spiegel) Die Idee ist richtig gut! So
ist sie ständig in meiner Nähe. Sie wird sich an mich gewöhnen. Wir
werden lachen und scherzen. Sie wird sich in mich verlieben, und -

Valentin kommt uneingeladen herein, gleich hinter ihm Gretchen.
Valentin, mit Kapuze, schaut grimmig, hört üble Musik, grüßt nicht.

Gretchen: Guten Tag, also, ich bin da zum Vorstellen.

Faust: Sehr erfreut, aber wer ist das? (weist auf Valentin)

Gretchen: Das ist der Valentin, mein Freund. Wir haben uns grad wieder
versöhnt.

Faust setzt sich, verbirgt gekonnt seinen inneren Zusammenbruch.
Gabriela faßt besorgt, tröstend seine Schulter.

Mephisto: (breit grinsend, zu Gretchen) Fein! Ich führe das
Vorstellungsgespräch. (lädt Gretchen mit einer Geste zum Hinsetzen ein
- )

- Raffaela bietet Gretchen einen Sessel an. Sie setzt sich. Valentin
will sich auch setzen, aber Michaela nimmt provokant den letzten freien
Sessel in Beschlag. Valentin muß stehen bleiben und schaut feindselig.

Gretchen: (zu Valentin) Valentin, sag was, wenigstens 'Guten Tag!'

Valentin knurrt nur.

Mephisto: (zu Gretchen) Darf ich die Zeugnisse sehen?

Gretchen: Ja, natürlich! (reicht Mephisto ihre Zeugnisse)

Michaela: (halb zu Gretchen, halb zu Valentin) Will dein Begleiter
nicht draußen warten?

Valentin: Nein!

Gretchen: Valentin macht sich immer Sorgen um mich.

Raffaela: Und worum sorgt er sich so im allgemeinen und speziellen?

Gretchen entdeckt eine weiße Maus am Boden.

Gretchen: (schreit auf, zeigt auf die Maus) Eine Maus! (sie springt auf
den Tisch)

Mephisto: Wo?

Michaela: Da!

Raffaela: Sie flüchtet in ihr Loch!

Gabriela: Wie schön! Ein Mäuschen als Haustier!

Mephisto: (schaut ins Mauseloch) <goethe>Der Herr der Ratten und der
Mäuse, der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse befiehlt dir, dich hervor zu
wagen.</goethe>

Die Maus kommt heraus. Mephisto habt sie auf. Michaela, Gabriela und
Raffaela stehen um ihn; sie sind entzückt.

Michaela: Die ist voll lieb!

Raffaela: Mag auch streicheln, bitte! (streichelt die Maus in Mephistos
Hand)

Gretchen springt vom Tisch runter und nähert sich neugierig.

Gretchen: (entzückt) Oh!

Gabriela: (zu Gretchen) Magst du sie halten?

Gretchen: Ja!

Gretchen nimmt die Maus in die Hand und streichelt sie.

Valentin: (grantig) Mich streichelst du nie so!

Gretchen: Du hast ja auch nicht so ein weiches Fell! Valentin, du bist
sogar auf eine Maus eifersüchtig!


Ortswechsel, Zeitsprung: Gretchen und Valentin. Sie verließen gerade
Mephistos Büro.

Valentin: Da ist doch was oberfaul! Warum sollt dich der als
Chefsekretärin einstellen?

Gretchen: Weil wir uns gut verstehen. Wir haben die gleichen Interessen.


Ortswechsel: Mephistos Büro. Michaela sitzt mit verschränkten Armen auf
dem Tisch. Raffaela streichelt das Mäuschen. Gabriela ist tröstend bei
Faust.

Faust flennt.

Mephisto: Toll!

Faust: Was ist denn so toll?

Mephisto: Hast du ihn dir angesehen? - klein, dumm, häßlich, ungut,
stinkt aus dem Mund - sie hat einen denkbar schlechten Geschmack. Du
hast die besten Chancen.

Faust: Sie ist vergeben!

Mephisto: Dann spannst du sie ihm halt aus.

Faust: Ich dränge mich nicht in eine bestehende Beziehung.

Mephisto versucht sich seine zu kurzen Haare zu raufen.

Faust: Wie soll ich das durchstehen?! Sie ständig in meiner Nähe!

Mephisto: Schmeiß sie halt wieder raus! <goethe>Aus den Augen, aus dem
Sinn.</goethe>

Faust: Sie braucht den Job, das arme Mädchen!

Mephisto: (wirft einen Blick auf die Zeugnisse) Bei diesen miesen
Zeugnissen ist das hier wirklich ihre einzige Chance, da hast du recht.

Faust: (jammert) Ich bin in schweren emotionalen Turbulenzen! ... Ach
was! ich bin in einem emotionalen Inferno!

Mephisto: Keine Bange - ins Inferno kommen nur die, die sogar mir
unsympathisch sind.

Raffaela: (leise) Und das will was heißen!

Faust: Ein Gutes hat es ja - sollte die Beziehung nicht halten -

Mephisto: (unterbricht) - dann nützt du schamlos ihre emotionalen
Turbulenzen aus.

Faust: (setzt fort) - dann bin ich ihr guter Freund, und vielleicht
erhört sie mein unaufdringliches Werben.

Mephisto lacht gackernd.

--
Walter Anger

moviemaster.at

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