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(Chinesisch) Gekürztes VRC-Chinesisch

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Klaus Dorfmann

unread,
Nov 25, 2003, 11:32:57 AM11/25/03
to
Hallo,

in der VR China wurde das traditionelle Chinesisch gekürzt und
vereinfach, während man in Taiwan am "richigen" Chinesisch festhält.

Fragen:

Wie kann man Jahrtausende alte Schriftzeichen vereinfachen? Warum
wurde das getan? Schneidet sich man so nicht von seiner Geschichte ab?
Wer Taiwan-Chinesisch kann, könnte jahrtausendealte Texte lesen, der
Rotchinese aber nicht? Welches Chinesisch wird sich nach der
Wiedervereinigung durchsetzen? Tradition oder Vereinfachung
(Verstümmelung?)?

Danke für Antworten.

Klaus

André Müller

unread,
Nov 25, 2003, 1:17:06 PM11/25/03
to
Hallo Klaus,
dazu solltest du vielleicht wissen wie Chinesische Zeichen aufgebaut sind. Diese setzen sich nämlich meist aus Grundzeichen, sogenannten Radikalen, zusammen, die selbst zwischen 1 und 17 Strichen haben können. Naja, und da es häufigbenutzte Wörter gibt, die sehr viele Striche beinhalten, hat man manche Radikale vereinfach. Das Radikal für "sprechen" hatte vormals 7 Striche, es wurde sehr häufig verwendet. Daraus machte man bei der Simplifizierung ein Zeichen was dem ursprünglichen zwar nur geringfügig ähnelte aber auch nur 2 (oder sind das 3) Striche hat. Das sind auch nicht übermäßig viele Zeichen - die kann man sich eigentlich recht leicht merken. Andere Zeichen (also komplette, 'große' Zeichen) wurden vereinfacht, indem einfach mal ein Teil davon zu einem einzelnen Strich wurde oder man nur ein Teil davon behalten hat.
In der Schule in der VR China lernen die Kinder dieses Vereinfachte Chinesisch, aber ich bin mir fast sicher dass irgendwann auch die traditionellen Zeichen drankommen. Also ein VRCler kann auf jeden Fall traditionelle Texte lesen. Wird wohl auch andersrum der Fall sein.

Ich selbst finde die Vereinfachten Zeichen praktischer, weil schneller zu schreiben. Aber die Traditionellen sehen einfach schöner aus. Ich denke da nur an das Zeichen für "Osten" oder "Freude". :)

Grüße,
- André

Heinz Lohmann

unread,
Nov 25, 2003, 8:16:18 PM11/25/03
to
Klaus Dorfmann schrieb:

>Hallo,
>
>in der VR China wurde das traditionelle Chinesisch gekürzt und
>vereinfach, während man in Taiwan am "richigen" Chinesisch festhält.
>
>Fragen:
>
>Wie kann man Jahrtausende alte Schriftzeichen vereinfachen? Warum
>wurde das getan? Schneidet sich man so nicht von seiner Geschichte ab?

Viele Schriftzeichen wurden traditionell vereinfacht, d.h. man hat das
in der Schreibschrift schon früher so oder ähnlich gemacht und verkürzt
auch heute. Viele "moderne" Kurzzeichen gab es genauso oder ähnlich in
der Schreibschrift schon lange. Insbesondere die Vereinfachung einiger
Radikale ist nicht neu und für einen Taiwaner recht einfach zu packen.

Einige Zeichen wurden neu und z.T. recht hässlich vereinfacht (z.B. das
guang von Guangdong).

Warum hat man vereinfacht: Man wollte die Alphabetisierung fördern und
es gab auch mal Pläne, die chinesischen Zeichen eventuell ganz durch
eine Lautschrift zu ersetzen. Die Zahl der Analphabeten ist in der
VR-China heute mit Sicherheit wesentlich höher als in Taiwan. Man hatte
also mit der Vereinfachung der Schrift. aufs falsche Pferd gesetzt.

>Wer Taiwan-Chinesisch kann, könnte jahrtausendealte Texte lesen, der
>Rotchinese aber nicht? Welches Chinesisch wird sich nach der
>Wiedervereinigung durchsetzen? Tradition oder Vereinfachung
>(Verstümmelung?)?

Als Taiwaner oder Ausländer, der die sog. Langzeichen gelernt hat, liest
man sich in die Kurzzeichen schnell ein. Umgekehrt ist es schwieriger.
In China haben viele teure Restaurants ihren Namen doch wieder in
Langzeichen. Hat eben mehr Klasse.

Was sich durchsetzen wird? Keine Ahnung. Aaaangeblich sollten die
Taiwaner nach einer eventuellen Wiedervereinigung ihre internen
Angelegenheiten wie Hongkong selbst regeln können. Wer's glaubt!

mfg
Heinz Lohmann
Tanshui, Taiwan
25.13N 121.29E
--
Information is not knowledge. Knowledge is not wisdom. Wisdom is not
truth. Truth is not beauty. Beauty is not love. Love is not music.
Music is the best. F.Z. 1940-1993

Andreas Eibach

unread,
Nov 25, 2003, 10:00:31 PM11/25/03
to

"Heinz Lohmann" <lese...@despammed.com> wrote:
> >Wer Taiwan-Chinesisch kann, könnte jahrtausendealte Texte lesen, der
> >Rotchinese aber nicht? Welches Chinesisch wird sich nach der
> >Wiedervereinigung durchsetzen?

> Keine Ahnung. Aaaangeblich sollten die


> Taiwaner nach einer eventuellen Wiedervereinigung ihre internen
> Angelegenheiten wie Hongkong selbst regeln können. Wer's glaubt!

Wiedervereinigung? Ist das nur Fiktion oder ist da wirklich "was im Busch",
von dem ich "noch" nichts weiß?
Klingt ja recht illusorisch, muß man sagen (oder muß man hier "utopisch"
sagen? Mift! ;))

Andreas

Heinz Lohmann

unread,
Nov 26, 2003, 4:09:34 AM11/26/03
to
Andreas Eibach schrieb:

Ich meine, auch die Taiwaner, die prinzipiell nicht gegen eine
Wiedervereinigung sind, sind auf jeden Fall gegen eine Wiedervereinigung
mit *diesem* China.
Welche Vorteile sollte das einem bereits weitgehend demokratischem Land
mit den üblichen bürgerlichen Freiheiten wie Taiwan bringen?

Martin Bienwald

unread,
Nov 26, 2003, 8:46:05 AM11/26/03
to
Andreas Eibach schrieb:
> "Heinz Lohmann" <lese...@despammed.com> wrote:

>> Keine Ahnung. Aaaangeblich sollten die
>> Taiwaner nach einer eventuellen Wiedervereinigung ihre internen
>> Angelegenheiten wie Hongkong selbst regeln können. Wer's glaubt!

Steht doch schon da: wie Hongkong. Die können ihre internen Angelegenheiten
auch selbst durch ihren von Peking eingesetzten Gouverneur regeln lassen.
Oder so.

> Wiedervereinigung? Ist das nur Fiktion oder ist da wirklich "was im Busch",
> von dem ich "noch" nichts weiß?

Die VR China droht Taiwan regelmäßig mit gewaltsamer Wiedervereinigung.
Ansonsten wüßte ich auch von nix ...

... Martin

Otto Grasent

unread,
Nov 27, 2003, 2:40:37 PM11/27/03
to
Hallo!

Warum
> wurde das getan?

Aufgrund Ihrer Eigenart und Entstehungsgeschichte, zu der ich unten
noch etwas sagen werde, sind die chinesischen Schriftzeichen,
besonders in der traditionellen Form, äußerst reich an Strichen und
Elementen. Deshalb ist es einerseits oft kompliziert, sie sich zu
merken, auch schon der Anzahl wegen, andererseits sind sie dann auch
aufwändig beim Schreiben.

Es gab daher in der Geschichte der chinesischen Schriftzeichen schon
immer Bestrebungen zur Vereinfachung, letztlich sind chinesischen
Schriftzeichen allgemein ja Stilisierungen von alten, bildhafteren
Formen, und auch das traditionelle Chinesisch in der heutigen Form ist
das Ergebnis vieler Vereinfachungen bzw. Stilisierungen, was oftmals
bis zur Unkenntlichkeit der ursprünglichen Elemente, oftmals aber
wiederum zum Zusammenfallen von Elementen in ihrem Aussehen kommen,
die von der Herkunft her eigentlich überhaupt nichts miteinander zu
tun haben.

Nach der republikanischen Revolution in China zu Beginn des 20.
Jahrhunderts, als der Kaiser und das jahrhundertealte System abgelöst
wurde, begann man unter der Kuomintang-Regierung von Sun Yat-sen,
viele radikale Reformen durchzuführen. Die Schriftsprache etwa, wie
sie in öffentlichen Dokumenten und auch in der Literatur verwendet
wurde, war sehr alt und von der mündlichen Alltagssprache des Volkes
sehr weit entfernt. Schreiben und Lesen waren mehr oder weniger ein
Privileg der wohlhabenderen Eliten. Deshalb war ein erster Schritt der
Reformen in sprachlicher Hinsicht, die moderne Alltagssprache für
diese Bereiche einzuführen und zu etablieren. Aus der gleichen Epoche
stammen auch die ersten Entwürfe für eine Schriftzeichen-Reform, und
diese Entwürfe bildeten die Grundlage für die spätere Schriftreform
unter der kommunistischen Regierung. (Anm.: Die KMT ist die Partei,
die später, unter Chiang Kai-shek nach Taiwan ging.) Nach 1949 wollte
man die ärmere Bevölkerungsmehrheit, die bisher oft keine Schreib- und
Leseausbildung wahrnehmen konnte, da das Erlernen der Schrift eben
aufgrund ihrer Komplexheit eine aufwändige und teure Ausbildung
erforderte, rasch alfabetisieren. Deshalb wollte man die
Schriftzeichen endgültig vereinfachen, wie es übrigens Japan auf
Anraten der Amerikaner bereits getan hatte (!).

> Wie kann man Jahrtausende alte Schriftzeichen vereinfachen?

Die Methode der Radikale, wie sie schon erwähnt wurde, ist eine von
vielen Methoden.
Zunächst aber, wie versprochen, etwas zur Entstehung der chinesischen
Zeichen:
Viele, eigentlich die meisten chinesischen Zeichen sind ja eine
Kombination von Einzelideogrammen, d.h. Bildern, die jeweils eine
konkrete oder abstrakte Sache darstellen. Die chinesischen Zeichen
sind aus Kombinationen und wiederum Kombinationen von Kombinationen
entstanden. Nun gab es zwei Prinzipien bei der Kombination: Zum einen
kominierte man Zeichen zu neuen Zeichen, um mit dem Sinn der einzelnen
Zeichen eine neue Aussage auszudrücken. Da Chinesisch aber eine
monosyllabische Sprache ist, d. h. viele Wörter (ursprünglich) nur aus
einer Silbe bestehen (bestanden), gab und gibt es viele Wörter, die
einen ähnlichen oder gleichen Klang haben, da natürlich die Anzahl von
möglichen Einzelsilben begrenzt ist. Daraus resultierte die zweite
Methode, nach der man Zeichen aufbaute: Um ein Wort mit einem neuen
Zeichen auszudrücken, nahm man ein Zeichen, das ähnlich oder gleich
klang, und kombinierte es wiederum mit einem oder mehreren Zeichen,
die den Sinn des Wortes zu verdeutlichen halfen, z. B. das für Holz
für Baumarten. So tauchen dann folglich bei sämtlichen Zeichen, deren
Sinn etwas mit Holz zu tun haben, das Beizeichen für Holz auf, es
"kategorisiert" sozusagen die Zeichen. Solche "kategorisierenden", in
vielen Zeichen wiederkehrenden und für deren Bedeutung entscheidenden
Elemente werden Radikale genannt.

Bei der Vereinfachung hat man dann viele Radikale, da es ja alles
einzelne Zeichen mit oft zahlreichen Strichen waren, für ihre Funktion
als Radikal zu ähnlich aussehnden, aber sozusagen "stiliserten" bzw.
"kontraktierten" Zeichen mit weitaus weniger Strichen umgeformt.
Genauso hat man es bei anderen oft verwendeten Elementen in Zeichen
gemacht, die einfach sehr viele Schriftzeichen aufwiesen. Allgemein
orientierte man sich für dieses "stilisierende" Vereinfachen von
Zeichen oft an der "Grasschrift", eine (ebenso jahrtausendealte)
kalligraphische Schreibart der chinesischen Zeichen ähnlich der
europäischen, schnellen Handschrift, wobei die Zeichen nicht Strich
für Strich, sondern fließend und rasch und dadurch vielfach auch in
ihrer Form durch Kontraktionen vereinfacht erscheinend wiedergegeben
werden. Daraus sind auch die japanischen Alfabet-Schriftzeichen
entstanden, so sieht das etwa aus. Diese schnelle Handschrift ist
übrigens die gängige Form des handgeschriebenen Chinesisch, der Arzt
schreibt so seine Atteste, Freunde und Verwandte schreiben so ihre
Briefe, wobei es selbstverständlich unterschiedlich starke und
individuell geprägte "Verformungsgrade" gibt, die dann je nach dem
auch nur für einen vertrauteren Personenkreis verwendet werden und nur
für diesen auch gut leserlich sind (ähnlich wie in Europa!).
Ein anderes Verfahren der Vereinfachung war das Weglassen von
Elementen in einem Zeichen, unter Beibehaltung eines
charakteristischen, nur in diesem Zeichen vorkommenden Elements.
Noch ein Verfahren orientiert sich wiederum am Wesen eben jener
Schriftzeichen, die aus einem sinngebenden und einem lautgebenden Teil
kombiniert sind. Man tauschte einfach den lautgebenden Teil entweder
mit einem ebenfalls ähnlichlautenden, aber einfacheren Element aus,
oder aber der lautgebende Teil wurde durch die extremen
Lautveränderungen im Chinesischen in seiner Geschichte heutzutage gar
nicht mehr soooo ähnlich ausgesprochen wie das kombinierte Zeichen,
dann ersetzte man es eben durch eins, das der heutigen Aussprache eher
entgegenkam.
Wie gesagt gab es schon immer Bestrebungen, die Schriftzeichen zu
vereinfachen. So haben sich auch schon während der Jahrhunderte viele
einfachere Nebenformen von Schriftzeichen entwickelt, die nun
übernommen wurden. Da Japan auch teilweise aus diesen alten
Nebenformen schöpfte, gibt es heute auch viele Übereinstimmungen in
den chinesischen und japanischen Vereinfachungen.
Schließlich gibt es noch die Variante, dass man Zeichen so
modifiziert, dass sie noch mehr ihrem Sinn nachkommen, indem man einen
"sinnvolleres" Radikal wählt oder gleich ein ganzes, ehemals weniger
"logisches" (und auch komplizierteres) Zeichen neu kombiniert.
Dies waren einige Beispiele für die Methodik des Vereinfachens.

Ein Problem der Vereinfachungen ist, dass man manchmal nicht
"konsequent" vorging, d. h. ein Element bei dem einen Zeichen (oft ein
häufig verwendetes) verändert hat, bei einem anderen jedoch nicht, was
aber jeweils auch Gründe, etwa ästhetische, haben könnte, oder dass
man partiell ein Element rein aus dem optischen Gesichtspunkt heraus
so vereinfachte, dass es mit einem völlig anderen Element
zusammenfällt, sodass etwas, was früher logisch erklärbar war,
plötzlich "unlogisch" erscheint, Zusammenhänge sozusagen "verwischt"
werden. Hierzu ist aber auch zu erwähnen, dass bei der Entstehung der
chinesischen Schrift schon immer Modifizierungen stattgefunden haben,
die Zusammenhänge "verwischt" haben. Wenn auch die Veränderungen recht
groß sind, die traditionellen chinesischen Zeichen als absolut
untereinander in schlüssigem Zusammenhang stehend zu betrachten ist
nicht richtig.

>Schneidet sich man so nicht von seiner Geschichte ab?
> Wer Taiwan-Chinesisch kann, könnte jahrtausendealte Texte lesen, der
> Rotchinese aber nicht?

Die traditionelle chinesische Schrift ist durch die Reform keinesfalls
verdrängt worden. Man benutzt in der Kunst und Kalligraphie immer noch
aus ästhetischen wie natürlich kulturellen Gründen die traditionelle
Schrift. Auch als Schmuckschrift auf Torbögen, Firmenlogos, etc. ist
sie immer noch überall präsent. Wenn man die vereinfachte Schrift als
Basis gelernt hat, merkt man sich im Laufe der Zeit jeweils auch die
traditionellen Formen dazu, die man überall mitkriegt und die auch in
jedem Wörterbuch mit angegeben sind. Kalligraphie wird von jedem
chinesischen Schüler geübt, und untrennbar mit der Kalligraphie
verbunden ist eben auch mindestens eine Grund-Kenntnis der
traditionellen Zeichen. Allgemein ist mindestens eine passive
Beherrschung der Langzeichen gegeben. Übrigens wird auch altes
Chinesisch in Form von (jahrtausende)alten Texten im Schulunterricht
gelehrt.

Welches Chinesisch wird sich nach der
> Wiedervereinigung durchsetzen? Tradition oder Vereinfachung
> (Verstümmelung?)?

Dass die Festlandchinesen dann die vereinfachte Schrift verbannen
wollen, ist eher unwahrscheinlich. Es gibt ja keine Belastung durch
sie im Alltagsleben, eher das Gegenteil. Nicht zuletzt ist sie auch
druck- und darstellungstechnisch (auf dem Computer) eine
Erleichterung. Singapur hat die vereinfachten Formen übrigens
inzwischen auch eingeführt.

Otto Grasent

unread,
Nov 27, 2003, 2:47:25 PM11/27/03
to
> Einige Zeichen wurden neu und z.T. recht hässlich vereinfacht (z.B. das
> guang von Guangdong).
>

Dieses Zeichen IST schon ein traditionelles Zeichen! Es heißt An und
wird (selten) in Personennamen benutzt.

> Warum hat man vereinfacht: Man wollte die Alphabetisierung fördern und
> es gab auch mal Pläne, die chinesischen Zeichen eventuell ganz durch
> eine Lautschrift zu ersetzen. Die Zahl der Analphabeten ist in der
> VR-China heute mit Sicherheit wesentlich höher als in Taiwan. Man hatte
> also mit der Vereinfachung der Schrift. aufs falsche Pferd gesetzt.
>

Die VR-China hat sicherlich auch eine andere Bevölkerungsstruktur als
das heutige Taiwan.

Heinz Lohmann

unread,
Nov 27, 2003, 7:10:23 PM11/27/03
to
Otto Grasent schrieb:

Und seine eigene, in der Vergangenheit stark ideologisch geprägte
Bildungspolitik.

Otto Grasent

unread,
Dec 1, 2003, 5:40:33 AM12/1/03
to
Heinz Lohmann <lese...@despammed.com> wrote


> Ich meine, auch die Taiwaner, die prinzipiell nicht gegen eine
> Wiedervereinigung sind, sind auf jeden Fall gegen eine Wiedervereinigung
> mit *diesem* China.
> Welche Vorteile sollte das einem bereits weitgehend demokratischem Land

> mit den ¨¹blichen b¨¹rgerlichen Freiheiten wie Taiwan bringen?
>

Viele Menschen, die die Wiedervereinigung ablehnen, st&ouml;ren sich,
so meine ich, sicherlich nicht ausschlie&szlig;lich am Unterschied der
Systeme, sondern w&auml;ren selbst unter ver&auml;nderten
Umst&auml;nden nicht automatisch f¨¹r die Wiedervereinigung. Es ist
wohl eine Art von separatistischer Selbstgen¨¹gsamkeit, wie sie auch
die S¨¹dtiroler, Korsen, Els&auml;sser etc. mit der Zeit ¨¹berfallen
hat. Man hat sich an ein anscheinend gut ertr&auml;gliches Leben in
einem ¨¹berschaubaren Gebiet gew&ouml;hnt und will sich nicht mehr
erneut als Teil eines gro&szlig;en Staates abh&auml;ngiger machen (und
daf¨¹r aber wiederum anderweitig profitieren). Es ist vergleichbar mit
der EU-Furcht in gewissen Beitrittsl&auml;ndern, obwohl die EU ja eine
demokratische Organisation sein sollte.

> Und seine eigene, in der Vergangenheit stark ideologisch geprägte
> Bildungspolitik.

Die Bildungspolitik der Republik China ist, besonders unter Chiang
Kai-Shek, sicherlich auch nicht ganz ideologiefrei gewesen.

Heinz Lohmann

unread,
Dec 1, 2003, 8:31:37 AM12/1/03
to

> Heinz Lohmann <lese...@despammed.com> wrote
>
>
>
>
>> Ich meine, auch die Taiwaner, die prinzipiell nicht gegen eine
>> Wiedervereinigung sind, sind auf jeden Fall gegen eine Wiedervereinigung
>> mit *diesem* China.
>> Welche Vorteile sollte das einem bereits weitgehend demokratischem Land
>> mit den ¨¹blichen b¨¹rgerlichen Freiheiten wie Taiwan bringen?
>>
>
> Viele Menschen, die die Wiedervereinigung ablehnen, st&ouml;ren sich,
> so meine ich, sicherlich nicht ausschlie&szlig;lich am Unterschied der
> Systeme, sondern w&auml;ren selbst unter ver&auml;nderten
> Umst&auml;nden nicht automatisch f¨¹r die Wiedervereinigung. Es ist
> wohl eine Art von separatistischer Selbstgen¨¹gsamkeit, wie sie auch
> die S¨¹dtiroler, Korsen, Els&auml;sser etc. mit der Zeit ¨¹berfallen
> hat. Man hat sich an ein anscheinend gut ertr&auml;gliches Leben in
> einem ¨¹berschaubaren Gebiet gew&ouml;hnt und will sich nicht mehr
> erneut als Teil eines gro&szlig;en Staates abh&auml;ngiger machen (und
> daf¨¹r aber wiederum anderweitig profitieren). Es ist vergleichbar mit
> der EU-Furcht in gewissen Beitrittsl&auml;ndern, obwohl die EU ja eine
> demokratische Organisation sein sollte.
>

Eigentlich ist Taiwan seit 1895 von China getrennt, bis auf die kurze Zeit
zwischen September 1945 und 1949, wo es zur damals noch auf dem Festland
befindlichen Republik China gehörte. Der Vergleich mit den separatistischen
Bewegungen in Europa hinkt insofern etwas, als Taiwan ja gar nicht mit dem
"Mutterland" vereinigt ist, sondern de facto ein unabhängiges Land ist. Die
Formulierung "abtrünnige Provinz" ist insofern verrückt, weil Taiwan nie
zur *Volksrepublik* China gehört hat. Die Furcht besteht hauptsächlich
darin, seine mühsam errungenen demokratischen Freiheiten zu verlieren.

Was China durchführen möchte, ist am ehesten mit dem *Anschluss*
Österreichs 1937 zu vergleichen.

Wo Taiwan durch eine Wiedervereinigung "profitieren" könnte, ist für mich
nicht ganz offensichtlich.

>> Und seine eigene, in der Vergangenheit stark ideologisch geprägte
>> Bildungspolitik.
>
> Die Bildungspolitik der Republik China ist, besonders unter Chiang
> Kai-Shek, sicherlich auch nicht ganz ideologiefrei gewesen.

Natürlich nicht, aber mit der Alphabetisierung und der Durchsetzung von
Mandarin als Amtssprache hat's zumindest geklappt. Die meisten Taiwaner
sind heute zumindest zweisprachig (Muttersprache Taiwanisch oder Hakka und
dann Mandarin ab der Grundschule).
(Damit es nicht ganz OT wird.)

Übrigens: Was ist los mit deiner Kodierung von Umlauten? Schreibst du mit
einem HTML-Editor?

--

Heinz Lohmann

unread,
Dec 1, 2003, 8:38:00 AM12/1/03
to

>> Einige Zeichen wurden neu und z.T. recht hässlich vereinfacht (z.B. das
>> guang von Guangdong).
>>
>
> Dieses Zeichen IST schon ein traditionelles Zeichen! Es heißt An und
> wird (selten) in Personennamen benutzt.

Das wusste ich noch nicht.
In meinem 漢語大字典 steht darunter:
1. yan3
2. an1 als Variante von 庵
3. guang3.

Interessant...

--

Matthias Opatz

unread,
Dec 1, 2003, 9:04:53 AM12/1/03
to
Heinz Lohmann schrieb:

> Wo Taiwan durch eine Wiedervereinigung "profitieren" könnte, ist für mich
> nicht ganz offensichtlich.

Hat denn Hongkong seine Freiheiten nach dem Muster westlicher Demokratien
behalten? Hat es auf andere Weise profitiert? Oder eingebüßt?

Matthias

--
Gustav Adolph, König von Schweden, lebte kurz vor seinem Tode
noch. Prof. Galletti
** Wer zum Kuckuck ist Galletti? => http://www.galletti.de/ **
## Bitte bei Mailantwort Großbuchstaben aus Adresse löschen ##

Otto Grasent

unread,
Dec 1, 2003, 6:44:27 PM12/1/03
to
Heinz Lohmann <lese...@despammed.com> wrote in message news:<bqffrp$22ecc7$1...@ID-24646.news.uni-berlin.de>...

>
> Eigentlich ist Taiwan seit 1895 von China getrennt, bis auf die kurze Zeit
> zwischen September 1945 und 1949, wo es zur damals noch auf dem Festland
> befindlichen Republik China gehörte. Der Vergleich mit den separatistischen
> Bewegungen in Europa hinkt insofern etwas, als Taiwan ja gar nicht mit dem
> "Mutterland" vereinigt ist, sondern de facto ein unabhängiges Land ist.

... eben genauso unabhängig wie Südtirol von Österreich, Korsika von
Italien oder das Elsass von Deutschland ist, sorum meinte ich das. Bei
einer Umfrage ergab sich, dass die meisten Südtiroler nach 80jähriger
Separation angeblich ein "freie Region in Europa" oder gar ein "freies
(Gesamt-)Tirol in Europa" einem wiedervereinigten österreichischen
Tirol vorziehen würden.

>Die
> Formulierung "abtrünnige Provinz" ist insofern verrückt, weil Taiwan nie
> zur *Volksrepublik* China gehört hat.

Dies sind natürlich letztendlich alles unterschiedliche
Auslegungsvarianten von bestimmten Ausdrücken. Man kann es auch so
sehen: Es mögen zwar zwei getrennte Regierungssystem sein, aber
andererseits haben weder die "VR China" noch die "Republik China"
jemals proklamiert, dass "der Staat China" staatsrechtlich in ein
Festland und ein Taiwan geteilt wurde. Nun war "der Staat China" das
"Kaiserreich China" bis zur Revolution, dann "die Republik China", und
seit den Siebzigern völkerrechtlich "die VR China". Da der Staat eben
nie offiziell geteilt wurde, kann er auch offiziell keine zwei
Regierungen gleichzeitig besitzen. Demnach ist die Bezeichung
"Provinz" korrekt, wenn es auch de facto nie von der Regierung der "VR
China" regiert wurde, so war es doch immer (wenn man will: seit dem
Ende der japanischen Besetzung) Teil des "Staates China", der eben
heute offiziell von der "VR China" vertreten wird. Und dieser "Staat
China" existiert offiziell mindestens seit einigen hundert Jahren, in
denen die Provinz Taiwan ab einem bestimmten Zeitpunkt bis zur
japanischen Besetzung zu ihm gehörte.



Die Furcht besteht hauptsächlich
> darin, seine mühsam errungenen demokratischen Freiheiten zu verlieren.
>

Wenn diese Freiheiten fundiert sein sollten, werden sie auch nicht so
leicht verlierbar sein, zumal die Tendenz auf dem Festland eher in
Richtung dieser Freiheiten als umgekehrt ist.



> Was China durchführen möchte, ist am ehesten mit dem *Anschluss*
> Österreichs 1937 zu vergleichen.
>

Nur ist Hu Jintao leider kein gebürtiger Taiwanese! ;-)
Übrigens: Wer ist nach dem Versailler Vertrag überhaupt auf die Idee
gekommen, den Anschluss "Deutsch-Österreichs" an die Weimarer Republik
zu verbieten? Und wozu?

> Wo Taiwan durch eine Wiedervereinigung "profitieren" könnte, ist für mich
> nicht ganz offensichtlich.
>

Gewisse Erleichterung im Reise-, Informations- und Handelsverkehr
wären da schon möglich. Muss ich zu den ideellen Vorteilen etwas
sagen? Es wird wohl auch eine Art "Versöhnung" bezüglich der
Geschichte geben.



> >> Und seine eigene, in der Vergangenheit stark ideologisch geprägte
> >> Bildungspolitik.
> >
> > Die Bildungspolitik der Republik China ist, besonders unter Chiang
> > Kai-Shek, sicherlich auch nicht ganz ideologiefrei gewesen.
>
> Natürlich nicht, aber mit der Alphabetisierung und der Durchsetzung von
> Mandarin als Amtssprache hat's zumindest geklappt. Die meisten Taiwaner
> sind heute zumindest zweisprachig (Muttersprache Taiwanisch oder Hakka und
> dann Mandarin ab der Grundschule).
> (Damit es nicht ganz OT wird.)
>

Auch alle Bewohner der VR China sprechen ja Mandarin neben ihrem
Dialekt (zumindest als Han-Chinese). Und es ist dort sogar gelungen,
eine einheitliche ;-) lateinische Umschrift für Mandarin
durchzusetzen.


> Übrigens: Was ist los mit deiner Kodierung von Umlauten? Schreibst du mit
> einem HTML-Editor?

Woran das liegt weiß ich auch nicht genau. Vielleicht klappts jetzt
besser!

Torbjörn Svensson Diaz

unread,
Dec 7, 2003, 2:53:46 PM12/7/03
to
On 1 Dec 2003 15:44:27 -0800, ogra...@yahoo.de (Otto Grasent) wrote
in <1b2241f0.03120...@posting.google.com>:

>Heinz Lohmann <lese...@despammed.com> wrote in message news:<bqffrp$22ecc7$1...@ID-24646.news.uni-berlin.de>...

>Und es ist dort sogar gelungen,


>eine einheitliche ;-) lateinische Umschrift für Mandarin
>durchzusetzen.

Wendet man diese Umschrift auch in China an? Also, gibt es noch heute
Pläne, Madarin mit einem "normalen" Alphabet zu schreiben?

Noch eine Frage: wie schwierig ist es eigentlich, sich Mandarin zu
lernen? Einerseits muß das Zeichensystem schwere Probleme verursachen
- oder sind diese Probleme stark übertrieben? - , anderseits habe ich
gehört, daß die Grammatik wirklich einfach sei.

>> Übrigens: Was ist los mit deiner Kodierung von Umlauten? Schreibst du mit
>> einem HTML-Editor?
>
>Woran das liegt weiß ich auch nicht genau. Vielleicht klappts jetzt
>besser!

Ja, jetzt ist es viel besser.


--
/Torbjörn Svensson Diaz

Please visist this site. http://www.againsttcpa.com/

Otto Grasent

unread,
Dec 8, 2003, 11:19:43 AM12/8/03
to
>
> >Und es ist dort sogar gelungen,
> >eine einheitliche ;-) lateinische Umschrift für Mandarin
> >durchzusetzen.
>
> Wendet man diese Umschrift auch in China an? Also, gibt es noch heute
> Pläne, Madarin mit einem "normalen" Alphabet zu schreiben?
>

Man wendet es an, um anzugeben, wie die Zeichen ausgesprochen werden,
und um chinesische Personen- und Ortsnamen mit lateinischen
Buchstaben zu schreiben. Die Schrift damit ersetzen möchte man nicht
(mehr).


> Noch eine Frage: wie schwierig ist es eigentlich, sich Mandarin zu
> lernen? Einerseits muß das Zeichensystem schwere Probleme verursachen
> - oder sind diese Probleme stark übertrieben? - , anderseits habe ich
> gehört, daß die Grammatik wirklich einfach sei.
>

Man muss sich eben für jede Vokabel einzeln merken, wie man sie
schreibt UND wie man sie liest, zuzüglich zu ihrer Bedeutung. Da nun
Chinesisch eine beschränkte Zahl von Lauten hat, und es viele ähnlich
aussehnde Zeichen gibt, die völlig verschieden ausgesprochen werden,
ist auch eine gewisse Verwechslungsgefahr gegeben.
Die Grammatik hat keine Flexionen, andererseits muss man bedenken,
dass es zum Beispiel keine Zwischenräume zwischen einzelnen Wörtern
gibt. Außerdem gibt es keine nachgestellten Relativsätze, alle
Attribute kommen vor das Substantiv. Da es keine Flexionen gibt und
die Anzahl der Laute begrenzt ist, sieht man einem Ausdruck manchmal
auf den ersten Blick nicht gleich an, ob es nun ein Substantiv oder
eher ein attributiver Ausdruck oder etwas anderes ist, erst wenn der
Satz zu Ende ist, erkennt man den Zusammenhang. Es heißt aber nicht,
dass dadurch die grammatische Struktur nicht ausreichend festgelegt
ist. Aber würde man einen chinesischen Satz in einzelne Wörter teilen
und jeweils die Wortart bestimmen wollen, würde sich oft zeigen, dass
da die Grenzen zwischen Wörtern wie Wortarten fließend sind.

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