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GLADIO 2: Der geheime Krieg der USA, die Demokratie ...

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GIV c/o Gerhard Lange

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Mar 29, 1996, 3:00:00 AM3/29/96
to

*GLADIO. Der geheime Krieg der USA,*
*die Demokratie in Italien zu untergraben*
von Arthur E. Rowse

Teil II


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Die Planung von Staatsstreichen
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In der Zwischenzeit planten mehrere Gruppen von Rechten mehrere
Versuche, die Regierung Italiens zu übernehmen; sie taten dies mit
aktiver Unterstützung von US-Stellen. Ein folgenreiches Dokument war
die 132 Seiten starke Anweisung über "Operationen zur Schaffung von
Stabilität" in "Gastländern", die als Anhang B des US. Army's Field
Manual 30-31 veröffentlicht wurde. Indem sie Anweisungen von
früheren NSC- und CIA-Papieren verarbeitete, erklärte das Handbuch,
daß, falls ein Land nicht genügend antikommunistisch sei, "besondere
Aufmersamkeit möglichen Veränderungen in seiner Struktur gegeben
werden müsse." Falls dieses Land nicht mit angemessenem "Nachdruck"
reagiere, so führt das Handbuch weiter aus, "sollten Organisationen,
die von dem Armeegeheimdienst der USA kontrolliert werden, benutzt
werden, um - je nach dem Charakter des Falls - gewaltsame oder fried-
liche Aktionen zu starten." (37)

Vor dem Hintergrund solcher aufstachelnder Vorschläge und tausender
von den USA ausgebildeter, vorbereiteter Guerillas versuchten die
Faschisten 1970 erneut, gewaltsam die Macht an sich zu reißen.
Dieses Mal war der Verantwortliche der "schwarze Prinz" Borghese. 50
Männer unter dem Kommando von Stefano Delle Chiaie besetzten das
Innenministerium in Rom, nachdem sie dorthin in der Nacht vom einem
Berater des Chefs der Politischen Polizei, Frederico D'Amato, geführt
worden waren. Diese Operation wurde jedoch abgebrochen, nachdem
Borghese einen mysteriösen Telefonanruf erhalten hatte, der später
General Vito Miceli, dem Chef des militärischen Geheimdienstes zu-
geschrieben wurde. (38) Die ganze Aktion blieb geheim, bis ein Infor-
mant etwa drei Monate später der Presse einen Tip gab. Da hatten
die Verantwortlichen jedoch schon das Land in Richtung Spanien ver-
lassen. Obwohl die Köpfe des Unternehmens 1975 verurteilt wurden,
wurde dieser Urteilsspruch später wieder aufgehoben. Alle bis auf eine
der Maschinenpistolen, die benutzt worden waren, waren bereits früher
wieder zurückgegeben worden. (39)

Genau in dieser Atmosphäre beschlossen die USA, einen weiteren
umfassenden Versuch zu organisieren, ein Anwachsen der Stärke der
Kommunisten bei den Wahlen 1972 zu verhindern. Der Pike Report
berichtet in diesem Zusammenhang, daß die CIA 10 Millionen US-Dollars
an 21 Wahlkandidaten verteilte, die meisten von ihnen Christdemokraten.
(40) Diese Summe enthält jedoch nicht jene 800.000 US-Dollar, die der
US-Botschafter Graham Martin, am CIA vorbei, über Henry Kissinger vom
Weißen Haus für General Miceli erhielt.(41) Gegen Miceli sollte später
im Zusammenhang mit dem von Borghese organisierten Putschversuch er-
mittelt werden, doch, wie konnte es auch anders sein, er wurde freige-
sprochen . . .

Die Polzei verhinderte noch einen weiteren Putschversuch im gleichen
Jahr. Sie fand eine Liquidierungs-Liste und Dokumente, die 20 subversive
Strukturen enthüllten, die zum Parallelen SID gehörten. Darin verwickelt
waren Roberto Cavallaro, ein faschistischer Gewerkschafter, sowie 20
Generale, die auf wichtigen Posten saßen. Diese sagten aus, sie hätten
für ihre Aktionen die Zustimmung der NATO und offizieller Stellen der
USA gehabt. Cavallaro sagte später aus, daß the Organisation gegründet
worden sei, um die Ordnung wiederherzustellen, falls Unruhen existierten.
"Falls diese Unruhen jedoch nicht von sich aus entstünden, so sollten
diese von der extremen Rechten herbeigeführt werden", führte er weiter
aus. General Miceli wurde verhaftet, die Gerichte ließen ihn jedoch wie-
der frei, da es ja zu keinerlei Aufständen gekommen sei. (42)

Ein weiterer rechter Putschversuch war für 1974 geplant, Berichten zu-
folge ebenfalls von der NATO und dem CIA gelenkt. Sein Führer war ein
gewisser Edgardo Sogno, einer der am höchstdekoriertesten italienischen
Widerstandkämpfer, der nach dem Krieg eine Gruppe nach GLADIO-Muster
aufgebaut hatte. Sogno, der viele einflußreiche Freunde in den USA
gewonnen hatte, als er in den 60er Jahren an der italienischen Botschaft
in Washington gearbeitet hatte, wurde jedoch ebenfalls am Ende freige-
sprochen. (43)

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Die Enträtselung von GLADIO
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Ein dreifacher Mord bei Peteano in der Nähe von Venedig im Mai 1972
sollte eine zentrale Rolle bei der Enthüllung von GLADIO spielen. Das
Verbrechen passierte, als drei Polizisten nach einem anonymen Telefonan-
ruf ein abgestelltes Auto untersuchen wollten. Als sie die Motorhaube
öffnen wollten, expoldierte eine Autobombe, die die Beamten in Stücke
riß. (44) Ein anonymer Anruf nur wenige Tage später machte die ROTEN
BRIGADEN, die aktivste Organisation der revolutionären Linken, für den
Anschlag verantwortlich. Sofort verhaftete die Polizei mehr als 200
angebliche Kommunisten, Diebe und Stadtstreicher, um diese zu verhören.
Es wurde jedoch niemand angeklagt.

Zehn Jahre später eröffnete der mutige Richter Felice Casson aus Venedig
erneut den lange brachliegenden Fall. Er mußte jedoch erfahren, daß es
niemals eine polizeiliche Untersuchung gegeben hatte. Obwohl er eine
gefälschte Analyse über die benutzte Bombe von einem Experten des Ge-
heimdienstes erhielt und man ihn ständig behinderte und hinhielt, gelang
es ihm dennoch, das verwandte Explosivmaterial einer paramilitärischen
Organisation namens 'Neue Ordnung' und einem ihrer aktiven Mitglieder,
Vincenzo Vinciguerra, zuzuordnen. Diese gestand sofort und wurde zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; er war damit der einzige rechte
Bombenleger, den man jemals eingesperrt hatte. (45)

Vinciguerra weigerte sich, andere Beteiligte zu nennen, beschrieb jedoch
die Vertuschung seiner Aktion: "Die Polizei, das Innenministerium, die
Zollpolizei, der zivile und militärische Geheimdienst - alle wußten von
den tatsächlichen Hintergründen des Angriffs und daß ich für ihn ver-
antwortlich war, innerhalb von nur 20 Tagen. So beschlossen sie aus rein
politischen Gründen, das Ganze zu vertuschen." (46)

Zu seinem Motiv für das Verbrechen befragt, sagte der überzeugte
Faschist Vinciguerra aus, daß er in einem "Akt der Revolte gegen die
Manipulation" gehandelt habe, die der Neofaschismus in Italien seit 1945
durch die auf GLADIO basierenden parallelen Strukturen erfahren habe.
(47)

Richter Casson fand genügend überführende Beweise für die Mittäterschaft
höchster Kreise in Italien. Casson verlangte eine Erklärung von Staats-
präsident Francesco Cossiga; so etwas hatte es bisher noch nicht gegeben.
Aber Casson ließ es nicht dabei bewenden. Unter dem Druck von Casson
beendete Premierminister Giulio Andreotti 30 Jahre des Abstreitens und
beschrieb GLADIO in allen Einzelheiten. Er fügte hinzu, daß alle
Premierminister vor ihm Kenntnis von GLADIO hatten, obwohl dies später
einige abstritten. (48)

Plötzlich erkannten die Italiener Hinweise auf so viele mysteriöse Er-
eignisse der Vergangenheit, einschließlich des bisher unerklärten Todes
von Papst John Paul I. 1978. Der Buchautor David A. Yallop führt in die-
sem Zusammenhang Gelli als Verdächtigen an, da dieser "aus allen prak-
tischen Gründen heraus Italien in dieser Zeit regierte." (49)

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Aldo Moro
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Das vielleicht in den 70er Jahren am schockierendste Verbrechen war die
Entführung und Ermordung von Premierminister Aldo Moro und fünf seiner
Berater 1978. Moro wurde gekidnappt, als dieser einen Plan vorbereitete,
das politische System Italiens durch eine Regierungsbeteiligung der
Kommunisten zu stabilisieren.

Bereits frühere Versionen dieses Plans hatten höchste US-Stellen in
Alarmbereitschaft versetzt. Als Moro vier Jahre vor seinem Tod die
Vereinigten Staaten besuchte, wurde diesem das Gesetz zur Bekämfung von
Unruhen zunächst von damaligen Außenminister Henry Kissinger und dann
von einem namentlich nicht bekannten amerikanischen Geheimdienstoffizier
vorgelesen. In ihrer Aussage während der Untersuchung der Ermordung Aldo
Moro's faßte dessen Witwe die verhängnisvollen Worte der amerikanischen
Gastgeber ihres Mannes wie folgt zusammen: "Sie müssen Ihre Politik
aufgeben, alle politischen Kräfte Ihres Landes in eine direkte Zusam-
menarbeit zu bringen (. . .) oder Sie werden teuer dafür bezahlen müs-
sen. . ." (50)

Aldo Moro war durch diese politischen Bedrohungen dermaßen geschockt,
daß er - so berichten es seine Berater - krank wurde und seine USA-Reise
mit der Begründung abbrach, er hätte das politische Programm ja bereits
abgeschlossen. (51) Doch der Druck der USA ließ nicht nach; so warnte
Senator Henry Jackson (Demokrat aus Washington) in ähnlichen Worten in
einem Interview etwa zwei Jahre später in Italien. (52) Kurz bevor er
entführt wurde, schrieb Moro einen Artikel, in dem er seinen Kritikern
aus den USA antwortete, entschloß sich jedoch, diesen Artikel nicht zu
veröffentlichen. (53)

Während er 55 Tage gefangengehalten wurde, bat er seine Parteigenossen
von der Christdemokratie inständig darum, die Forderung seiner Entführer
nach der Freilassung von verhafteten Mitgliedern der ROTEN BRIGADEN im
Gegenzug für seine Freiheit zu akzeptieren. Die jedoch lehnten ab, sehr
zur Freude von politischen Führern der Alliierten, die die Italiener ei-
ne harte Rolle spielen sehen wollten. In einem Brief, der später ge-
funden wurde, sah Moro daher voraus: "Mein Tod wird wie ein Fluch auf
alle Christdemokraten fallen und er wird einen riesigen und nicht zu
stoppenden Zerfall des gesamten Parteiapparats auslösen." (54)

Als Moro noch in Gefangenschaft saß, behauptete die Polizei bereits sehr
unglaubwürdig, Millionen Personen befragt und Tausende von möglichen
Verstecken durchsucht zu haben. Aber der Richter, der zunächst die Er-
mittlungen leitete, Luciano Infelisi, gibt an, daß er keinerlei Polizei
zu seiner Unterstützung zur Verfügung hatte. "Ich leitete die Unter-
suchung mit einer einzigen Schreibhilfe, selbst ohne Telefon in meinem
Zimmer." Er fügte hinzu, daß er in dieser Phase keinerlei nützliche
Informationen von den Geheimdiensten erhielt. (55) Andere Untersuchungs-
richter, die mit dem Fall betraut waren, führten 1985 als einen Grund
für die Inaktivität an, daß alle Schlüsseloffiziere, die damals in die
Untersuchungen involviert waren, Mitglieder der P-2-Loge waren und daher
im Auftrag von Gelli und der CIA handelten. (56)

Obwohl die Regierung schließlich doch noch einige Mitglieder der ROTEN
BRIGADEN verhaftete und aburteilte, fragen sich nach wie vor viele
Journalisten und Parlamentarier, ob nicht der SID die Entführung auf
Befehl von weiter oben arrangiert habe. Ein Verdacht fiel in diesem
Zusammenhang natürlich auf die USA, besonders Henry Kissinger, der je-
doch jegliche Rolle in diesem Verbrechen abstritt. Mit GLADIO und der
Mafia hatte Washington der perfekten Apparat an der Hand, um solche
Sachen zu organisieren, ohne jegliche Spuren zu hinterlassen.

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Unterwanderung der ROTEN BRIGADEN
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Inzwischen streitet niemand mehr ab, daß die ROTEN BRIGADEN bereits
seit Jahren von der CIA und den italienischen Geheimdiensten unter-
wandert worden waren. Das Ziel dieser Operation war es, Gewalt von
einem extremistischen Teil der Linken zu provozieren, um die Linke
insgesamt zu diskreditieren. Hierfür boten sich die ROTEN BRIGADEN
nahzu perfekt an. In kaum zu überbietendem Radikalismus kritisierten
sie die Italienischen Kommunistische Partei als zu moderat und Moro's
Öffnungspolitik als zu kompromißlerisch. Die ROTEN BRIGADEN arbeiteten
sehr eng mit der Hyperion Sprachschule zusammen, ohne daß einige ihrer
Mitglieder deren enge Kontakte zur CIA mitbekamen. Diese Schule war von
drei pseudorevolutionären Italienern gegründet worden, von denen einer,
Corrado Simioni, für die CIA bei Radio Free Europe gearbeitet hatte.
(57) Ein anderer der Gründer, Duccio Berio, gab später zu, Informationen
über italienische linke Gruppen an den Geheimdienst SID weitergeleitet
zu haben.(58) Die Hyperion Sprachschule eröffnete ein Zweigbüro in
Italien nur kurz vor der Entführung und schloß er nur wenige Monate
nach den Verbrechen wieder. Ein italienischer Polizeibericht beschrieb
Hyperion als "wichtigstes CIA-Büro in Europa." (59) Mario Moretti,
einer derjenigen, die die Waffen besorgten und die Pariser Verbindung
der ROTEN BRIGADEN organisierte, konnte sich drei Jahre seiner Ver-
haftung entziehen, obwohl er persönlich die Entführung Moro's orga-
nisierte. (60)

Der venezianische Richter Carlo Mastelloni hielt 1984 fest, daß die
ROTEN BRIGADEN über Jahre hinweg Waffen von der PLO erhalten hatten.
(61) Mastelloni schrieb weiter, daß es "de facto einen Vertrag auf
Geheimdienstebene zwischen den USA und der PLO gab, der im Zuge der
damaligen Untersuchungen wichtig war ( . . . ) für die Betrachtung der
Beziehungen zwischen den ROTEN BRIGADEN und der PLO." (62) Ein Kenner
von GLADIO, Philip Willan, schlußfolgerte, daß der "Waffendeal zwischen
der PLO und den ROTEN BRIGADEN Teil eines Vertrages zwischen der PLO
und der CIA gewesen sei." (63) Seine Untersuchungen weisen daraufhin,
daß dieser angebliche Handel zwischen der PLO und der CIA 1976 zu-
stande kam, ein Jahr, nachdem die USA Israel versprochen hatten, kei-
nerlei politische Kontakte mit der PLO aufzunehmen. (64)

In der Zeit der Entführung Moro's saßen bereits verschiedene Führer der
ROTEN BRIGADEN im Gefängnis und waren von einem Doppelagenten verraten
worden, nachdem sie einen Richter entführt hatten. Ein Journalist,
Gianni Cipriani, berichtete, daß einer der Verhafteten Telefonnummern
und persönliche Notizen bei sich trug, die auf einen hohen Beamten des
SID hinwiesen, der bereits in der Vergangenheit öffentlich damit ge-
prahlt hatte, einen Doppelagenten in den Leitungsgremien der ROTEN
BRIGADEN sitzen zu haben. Andere aufschlußreiche Indizien fanden sich
in einem Büro der ROTEN BRIGADEN, wo eine Druckmaschine gefunden wurde,
die vorher dem SID gehört hatte oder in der Tatsache, daß von den 92
Kugeln, die während der Entführung Moro's abgeschossen wurden, die
Hälfte ähnlich zu denen sind, die sich in GLADIO-Waffenverstecken
fanden. (65)

Anderen Beobachtern ist aufgefallen, daß die ROTEN BRIGADEN selbst
kaum fähig gewesen wären, so eine professionelle, im militärischen
Stil durchgeführte Operation im Zentrum von Rom zu organisieren.
Alberto Franceschini, ein im Gefängnis sitzendes Mitglied der ROTEN
BRIGADEN, sagte dazu: "Ich habe niemals gedacht, daß meine Genossen
draußen in der Lage wären, solch eine komplexe militärische Operation
durchzuführen ( . . . ) Wir haben uns jedenfalls immer als eine Or-
ganisation gefühlt, die aus unerfahrenen jungen Typen bestand." (66)
Zwei Tage nach dem Verbrechen informierte ein hoher Geheimdienstoffizier
die Presse darüber, daß diejenigen, die das Verbrechen organisiert und
durchgeführt haben, über die spezielle Ausbildung von Kommandos ver-
fügen müssen. (67)

Als von Moro geschriebene Briefe in einem Haus der ROTEN BRIGADEN in
Mailand gefunden wurden, hofften die Untersuchungbeamten endlich,
wichtige Informationen zu erhalten. Francesco Biscioni, der Moro's
Antworten auf die Fragen seiner Geiselnehmer analysierte, kam zu dem
Schluß, daß wichtige Passagen der Aussagen Moro's bei deren Abschrift
ausgelassen worden waren. Trotzdem wunderte sich Moro in einer der
unzensierten Stellen, wie Andreotti's "hervorragende Beziehungen zu
seinen Kollegen von der CIA" sein Schicksal beeinflussen würden. (68)

Zwei jener Leute, die am meisten über die Briefe Aldo Moro's wußten,
wurden umgebracht. Der Polizeigeneral Carlo Alberto Della Chiesa, der
verantwortlich für die Anti-Terror-Abteilung gewesen und dann nach
Sizilien versetzt worden war, wurde dort 1982 nach Mafia-Stil ermordet,
nur wenige Monate, nachdem erneut Fragen bezüglich der verschwundenen
Briefe aufgetaucht waren.(69) Der journalistische Haudegen Mino
Pecorelli wurde ermordet nur einen Monat, nachdem er berichtet hatte,
daß er eine Liste von 56 Faschisten, die von Gelli bei der Polizei
verraten worden waren, erhalten hatte. Thomas Buscetta, ein Informant
in der Mafia und Zeuge in den USA, beschuldigte Andreotti, beide Morde
angeordnet zu haben, da er fürchtete, belastet zu werden. (70) Aber eine
Untersuchung, die von seinen politischen Kumpanen geleitet wurde, fand
natürlich keinen Grund, den Premierminister strafrechtlich zu verfolgen.

Della Chiesa und Pecorelli waren nur zwei von zahllosen Zeugen und
potentiellen Zeugen, die von Richtern befragt werden sollten, die
"GLADIO-unbelastet" waren. (71) Präsident Cossiga, der Innenminister
war, als Aldo Moro starb, sagte der BBC: "Der Tod von Aldo Moro wiegt
bis heute schwer auf den Christdemokraten, genauso wie die Entscheidung,
die ich traf und die mein Haar weiß werden ließ, Moro zu opfern, um die
Republik zu retten." (72)

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Der Bombenanschlag im Bahnhof von Bologna
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Eine mächtige Bombenexplosion im Bahnhof von Bologne zwei Jahre nach
dem Tod von Moro ließ das Haar von vielen Italienern weiß werden, nicht
nur wegen der fürchterlichen Opferzahl - 85 Tote und mehr als 200
Verwundete -, sondern vor allem auch wegen der offiziellen Inaktivität,
die dem Anschlag folgte. Obwohl die Untersuchungsrichter die Neo-
faschisten mit dem Anschlag in Verbindung brachten, waren sie unfähig,
zwei Jahre lang einen Haftbefehl auszustellen und dies, weil ihnen der
Geheimdienst falsche Angaben lieferte. In der Zwischenzeit waren alle bis
auf einen der fünf Hauptverdächtigen, von denen zwei Verbindungen zum SID
hatten, geflohen. (73) Das Explosivmaterial T4, das am Ort des Geschehens
gefunden worden war, paßte zu jenem GLADIO-Material, das in Brescia,
Peteano und bei anderen Bombenanschlägen benutzt worden war. Dies jeden-
falls sagte ein Experte vor dem Untersuchungsrichter Mastelloni aus.
(74)

In dem nachfolgenden Gerichtsverfahren zitierten die Richter die
"Strategie der Spannung" und ihre Verbindung zu "ausländischen Mächten".
Sie fanden ebenfalls die geheime militärische und zivile Struktur heraus,
die enge Verbindungen zu den Neofaschisten, P-2 und den Geheimdiensten
hatten.(75) Kurz gesagt, sie fanden die Verbidnungen zu GLADlO und der
CIA . . .

Aber ihr Versuch, für den Anschlag in Bologna Gerechtigkeit walten zu
lassen, verwandelte sich in Nichts, als das Gericht alle Hintermänner
freisprach. Der Chef von P-2 Gelli kam wieder frei, so wie zwei Geheim-
dienstchefs, deren vorgerichtliche Schuldsprüche wieder aufgehoben
wurden. Vier "Gladiatoren", die ebenfalls wegen ihrer Mitgliedschaft
in einer bewaffneten Organisation schuldig befunden worden waren, ge-
wannen ihr Berufungsverfahren. Das ließ den Anschlag von Peteano als
einziges Attentat zurück, bei dem es jemals eine Verurteilung gab und
dies nur dank des eindeutigen Geständnisses von Vinciguerra.

Diese unglückliche "juristische Geschichte" dieser monströsen Verbrechen
belegt eindeutig, wie umfassend das GLADIO-Netzwerk in der Armee, Poli-
zei, den Geheimdiensten und der Justiz funkionierte. Dank der P-2-Loge,
die ihre 963 Brüder an alle Schaltstellen der Macht placiert hatte (76),
hatte es ebenfalls Einfluß auf die Medien und die Wirtschaft.

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Die Früchte von GLADIO
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In den früheren 80er Jahre hatten die verschiedenen Gerichtsverfahren
jedoch so viele Hinweise auf die Verwicklung der CIA ans Tageslicht
gefördert, daß eine starke anti-amerikanische Atmosphäre entstand. 1981
wurden gegen drei US-Firmen Bombenanschläge organisiert, 1982 entführten
die ROTEN BRIGADEN James L. Dozier, einen US-General bei der NATO und
nannten ihn einen "Yankee-Henker".(77) Er wurde nach fünf Wochen Ge-
fangenschaft von einem Spezialkommando der Polizei befreit, Berichten
zufolge dank der Mafia-Beziehungen der CIA.(78) Aber der Schaden, der
den USA enstanden ist, ist vor allem durch die 50jährige Involvierung
der USA in die inneren Angelegenheiten Italiens im Namen des Antikom-
munismus zu verdanken.

Moro sollte schlieBlich recht behalten. Statt die Parteien der Mitte
zu stärken, zerstörte GLADIO diese, unterstützt und beschleunigt durch
die vielen Korruptionsskandale. Es gelang ihnen nicht, die Linke zu
zerstören, doch sie kontrollierten die wichtigsten Städte und ein Drit-
tel der Sitze im Parlament. In den frühen 80er Jahren waren die ROTEN
BRIGADEN ausradiert, aber die Hauptkräfte des rechten Terrorismus,
die Neofaschisten und die Mafia, blieben aktiv. (79)

Am Ende bleiben Fragen nach dem gesamten Hintergrund der Rolle der
US-Einmischung in Italien, besonders hinsichtlich der "kommunistischen
Gefahr". Für Philip Willan, der das bedeutendste Buch über den Ter-
rorismus in Italien geschrieben hat, steht fest:

"Die USA haben niemals aufgehört, die aus tiefstem Herzen ausge-
sprochene Verpflichtung der Italienischen Kommunistischen Partei
auf die Prinzipien der westlichen Demokratie, anzuzweifeln und haben
sich immer geweigert, ihren Wert als Alternative zu den im allgemeinen
korrupten und inkompetenten anderen politischen Parteien Italiens, die
das Land seit dem Krieg regiert hatten, anzuerkennen. Hätte sie anders
gehandelt, hätte viel von dem Blutvergießen, das aus der ,Strategie
der Spannung' herrührt, vermieden werden können."(80)

Willan geht in seiner Analyse noch weiter und fragt, ob "die Verant-
wortlichen in den Geheimdiensten der USA und Italiens die kommu-
nistische Gefahr nicht auch übertrieben haben, um sich selbst größere
Macht und Freiheiten für ihre Manöver zu verschaffen." (81)

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Die Lektionen von GLADIO
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Solange, wie sich die Öffentlichkeit in den USA über diese dunklen
Kapital in der US-Außenpolitik ignorant verhält, werden die Struk-
turen, die hierfür verantwortlich sind, nur wenig Druck verspüren,
ihre Politik zu ändern. Das Ende des Kalten Krieges brachte zwar
viele Veränderung in vielen Nationen mit sich, jedoch kaum Ver-
änderungen in Washington. In einen eisernen Käfig gesperrt, hat
der geständige CIA-Doppelagent (siehe hierzu GEHEIM, Nr. 2/1994,
Der Spion, der in die Kälte ging) Aldrich Ames die Schlüssel-Frage
gestellt, für was die USA "tausende von Agenten (benötigen), die
überall in der Welt stationiert sind und hauptsächlich gegen be-
freundete Länder spionieren." In den USA, so fügte er hinzu, "sei
immer noch eine nationale Debatte über die Mittel und Ziele und
Kosten unserer Politik der Nationalen Sicherheit überfällig" (82)

Die neue Regierung in Italien porträtiert sich selbst als eine
Revolution derjenigen, denen die Bürgerrechte entzogen worden waren
und als Saubermänner hinsichtlich der Vergangenheit. Doch die
Faschisten sind zurück und gewinnen an Kraft. Die Anti-Mafia Partei
wurde abgelehnt und die großen Familien-Kartelle haben ihren Griff
auf die Wirtschaft des Landes verschärft. Mit P-2-Bruder Berlusconi
an der Macht, der nicht aufhört, die Ängste des Kalten Krieges gegen
die Kommunisten zu schüren, mit Verantwortlichen für GLADIO, die nach
wie vor ungestraft sind, und "Experten" in Washington, die die Furcht
vor dem Terrorismus anheizen, sieht in Italien alles nach business as
usual aus . . .


1 aus: Covert Action Information Bulletin, Nr. 49, 1994.
Nur in einigen Fußnoten gekürzt.

2 Die wichtigsten politischen Kräfte des Parteiensystems in
Italien waren seit den zweiten Weltkrieg die Christdemokraten
und Sozialisten in der Mitte, die Kommunistische Partei Italiens
auf der Linken und ein paar kleinere Gruppierungen auf der Rechten.

3 siehe z. B.: Alan Cowell, Italian Neofascists Get 5 Cabinet
Seats in New Government, New York Times, May 11, 1994, Seite
A1, A5

4 Peter Tomkins, Mondo's Men, bisher unveröffentlichtes Manuskript

5 Jan Willems, GLADIO (Brüssel: EPO Dossier, 1991, Seite 148-52;
Interview mit Lord Carrington, NewsWeek, 21. April 1986

6 National Security Council Directive 67/2, 29. Dezember 1950

7 R. Faneza und M. Fini, GLI Amcricani in Italia, Mailand 1976,
Seite 320

8 ebenda

9 Willems, Seite 78

10 Roberto Giammanco, Brief an Edward Herman, 24. Juni 1991

11 U.S. Joint Cbief of Staff Memorandum, 14 März 1952, zitiert nach:
Willems ( . . . ), Seite 80, Fußnote 21

12 James Edward Miller, The United States and Italy, 1940-1950:
The Politics and Diplomacy of Stabilization, University of
North Carolina Press, 1986

13 Marco Scalia, Operazione Gladio, Avvenimenti, 7.November 1990,
Seite 11

14 Willems ( . . . ), Seite 82

15 ebenda, Seite 84

16 Roberto Faenza, II Malaffare, Mailand, 1978, Seite 70,
zitiert nach: Willems ( . . . )

17 Scalia, (. . .), Seite 11

18 M. Sassao, SID e Partito Americano, 1975

19 Stuart Christie, Stefano Chiaie: Portrait of a "Black" Terrorist,
London, 1984, Seite 24

20 Willems, ( . . . ), Seite 85

21 Mario Scialoja, Un Convegno Explosivo, L'Expresso, 25. November
1990, Seite 127

22 Christie, ( . . . ), Seite 26, 33

23 ebenda, Seite 35-36

24 Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Gelli, der P-2 und der
argentinischen Rechten siehe: Martin Andersen, Dossier Secreto:
Argentina's Desaparecidos and the Myth of the "Dirty War", USA,
1993, Kapitel 10 und 20

25 SISMI Memo 446/R; zitiert nach: Roberto Chiodi, Gelli and
Kissinger, L'Espresso, Rom, 25. November 1990, Seite 133

26 Willems, ( . . . ), Seite 83

27 De Lorenzo, before Commission of Inquiry, 1964, Seite 69,
zitiert nach Willems, ( . . . ), Seite 83

28 Faneza, ( . . . ), Seite 316

29 Willems, ( . . . ), Seite 90 und Scalia, ( . . . ), Seite 12

30 Scalia, ( . . . ), Seite 10

31 U.S. Senate, Terrorism and Security: The Italian Experience,
Report of the Subcommittee on Security and Terrorism, November
1984, Seite 62

32 Frederic Laurent, L'Orchestre Noir, Paris, 1978, Seite 212;
zitiert nach: Froncoise Hervet, ( . . . ), Seite 30-31 und
Willems, ( . . . ), Seite 102-104

33 Wlllems, ( . . . ), Seite 90

34 Franco Giustolizi, Retrovie Parallele, L'Expresso, 18. November
1990, Seite 15

35 Scalia ( . . . ), Seite 12

36 Christie, ( . . . ), Seite 77

37 Als die US-Botschaft davon erfuhr, daß dieses Dokument
veröffentlicht werden sollte, meinte sie, dies sei
"inopportun". Nach der Veröffentlichung behauptete sie,
das Dokument sei eine Fälschung. Der volle Text erschien
im Januar 1979 (Nr.3) im Covert-Action Information Bulletin,
Seiten 11, 14-18: The Mysterious Supplement B: Sticking it
to the "Host Country". Licio Gelli bestätigte, daß der CIA
ihm eine Kopie gegeben hätte. BBC Special, Gladio, Part III,
The Foot Soldiers, 10. Juni 1992

38 John Dinges und Saul Landau, Assassination on Embassy Row,
London, 1980, Seiten 163 und 177

39 Interview mit dem Doktoraspiranten der University of California
Jeff Bale

40 Aaron Latham, The CIA Report the President Doesn't Want You to
Read: The Select Committee's Record, Village Voice, 20. Februar
1976, Seite 23. Die zweiteilige Serie, die in der Voice erschien,
ist ein Abdruck des gesamten Berichts, der besser als Pike Report
bekannt ist.

41 ebenda

42 Willems, ( . . . ), Seite 107

43 Philip Willan, Puppetmaster, London, 1991, Seiten 197-210

44 Scalia, ( . . . ), Seite 12

45 Marcella Andreoli, Che Bomba die Esperto!, Panorama, Mailand,
18. November 1990, Seite 44

46 BBC Special, Gladio, Part ll: The Puppeteers, 10.Juni 1992

47 ebenda

48 Francois Vitrani, Gladio Revelations Put Sword at Heart of
Italian Politics, Guardian Weekly, England, 12. Dezember
1990, Seite 14

49 David A. Yallop, In God's Name, New York, 1984, Seite 314

50 Guiseppe Zupo und Vinzenzo Marini, Operazione Moro, Italien,
1984, Seite 280, zitiert nach: Willan, ( . . . ), Seite 220

51 Willan, (. . .), Seite 220

52 ebenda

53 ebenda. Moro's Artikel wurde am 29. Mai 1978 nach dessen
Tod in der Zeitung L'Unita veröffentlicht

54 Dario Fo und Franca Rame; What Passion! What Generosity!
What Corruption!, New York Times, 5. Dezember 1993, Seite A4

55 Report of the Moro Commission, 1983, Seite 68/69, zitiert nach:
Willan, ( . . . ), Seite 231

56 Chiodi, ( . . . ), Seite 134. Wie tief die Polizei selbst in den
Terrorismus verstrickt war, wurde in einer Aussage deutlich, die
während einer Untersuchung 1983 gemacht wurde. Armeegeneral Amos
Spiazzi erinnerte sich darin, daß er 1970 zufällig zwei Polizisten
dabei ertappte, wie diese an einer Bombe in der Nähe der nord-
italienischen Stadt Bolzano bastelten. Er verhaftete beide und
informierte seine Polizeistation. Als er sie jedoch dort abliefern
wollte, wurde er von lokaler und nationaler Polizei gestoppt, die
seine Gefangenen übernahmen. Er wurde dann später an eine weit ent-
fernte Polizeistation versetzt. Scalia, ( . . . ), Seite 12

57 Willan, ( . . .), Seiten 189 und 190. Die Rolle der Hyperion
Sprachschule wird in der Beschreibung des Untersuchungsrichters
Pietro Caloguero deutlich, die dieser der Schule als terroristischer
Kommandozentrale gab, die den Kurs der politischen Gewalt in Italien
bestimmte

58 ebenda, Seite 197

59 ebenda, Seite 190-198

60 ebenda, Seite 190-192

61 Carlo Mastelloni, Sentenza-Ordinanza, Italien, 1989, Seite 421,
zitiert nach: Willan, ( . . .), Seite 196

62 Mastelloni,(. . .), Seite 508, zitiert nach: Willan, (. . .),
Seite 196

63 Willan, ( . . . ), Seite 196-197

64 BBC Special, Gladio, Part III, siehe oben

65 ebenda

66 ebenda

67 Willan, ( . . . ), Seite 156

68 ebenda, Seite 130

69 ebenda, Seite 286

70 Alan Cowell, Italy Re-Examins 1978 Moro Slaying, New York Times
13. November 1993, Seite A13

71 Ein anderer war zum Beispiel ein Verdächtiger im Zusammenhang
mit dem Bombenanschlag in Brescia, der von Gefängnisinsassen
getötet wurde, ein anderer Verdächtiger, diesmal im Zusammenhang
mit dem Bombenanschlag in Bologna, wurde nur ein Jahr später von
den selben Gefängnisinsassen ermordet. Ein anderer Zeuge von
Bologna wurde 1982 mit Unterstützung der CIA in Bolivien tödlich
verwundet. Willan, ( . . . ), Seite 136

72 BBC Special, Gladio, Part III, siehe oben

73 Interview mit Jeff Bale, 21. März 1994

74 Giustolizi, ( . . . ), Seite 14

75 Willems, (. . .), Seite 116

76 ebenda, Seite 119. Als die Polizei im März 1981 eine Liste von
P-2-Mitgliedern fand, floh Gelli in die Schweiz, von der er
jedoch ausgeliefert wurde, um wegen des Bombenanschlages in
Bologna vor Gericht gestellt zu werden . Willan, ( . . . ),
Seite 209

77 U.S. Außenministerium, Telegramm vom 28. Januar 1982

78 Fat Man, Tailor, Soldier, Spy, Time, 28. Februar 1983, Seite 32/ 33

79 In diesem Zusammenhang sind ein Bombenanschlag auf einen Zug
im gleichen Tunnel wie zehn Jahre zuvor in Bologna 1984 zu
nennen, bei dem 15 Menschen getötet und 267 verletzt wurden, oder
die Bombenanschläge auf Kultureinrichtungen in Rom und Florenz
1993, bei denen 11 Menschen getötet und 98 verletzt wurden

80 Willan, ( . . . ), Seite 28

81 ebenda, Seite 352

82 Aldrich H. Ames, Spy Expresses Regret, Anger, Washington Post,
29. April 1994, Seite A7


aus: GEHEIM, Nr. 3, 1994
v. 12.10.1994

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