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Endlich frei! - Neues vom Klub der Toten Dichter

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Matthias Kranz

ungelesen,
23.12.1998, 03:00:0023.12.98
an
Was haben die Autoren Karl Bleibtreu, Thomas
Hardy, Klabund, Hermann Sudermann und Italo
Svevo gemeinsam? Nun, sie sind alle im Jahre
1928 gestorben, und mit Ablauf des Jahres 1998
endet die siebzigjährige Schutzfrist auf ihre Werke;
im Prinzip sind diese ab 1999 urheberrechtlich
frei. Ach ja, das Urheberrecht!
<http://www.heim2.tu-clausthal.de/PROJEKT/GESETZ/urhg/index.html>
Jeder Handwerker würde sich natürlich auch
wünschen, für seine Produkte noch
jahrzehntelang und gar über seinen Tod hinaus
kassieren zu können. Aber die Herstellung
eines Bücherregals oder das Verlegen einer
Wasserleitung sind halt keine "persönliche
geistige Schöpfung", von der die Erben noch
bis in die 3. Generation profitieren können.
Wie nobel ist es da doch vom Gesetzgeber,
dass er durch diese Schutzfrist sicherstellt,
dass z.B. die 20-jährige Witwe eines
Bestsellerautors sich ihr Leben lang an den
Tantiemen des Verflossenen laben darf - das
geistige Schöpfertum machts möglich! Und,
mal ehrlich, wer wollte den Erben Heinz G.
Konsaliks, Hera Linds und Heinrich
Bölls dieses Trostpflästerchen nicht gönnen?

Die 70-Jahres-Frist ist insofern interessant,
als bei den meisten Autoren nach ihrem Ablauf
die Scheidemarke überschritten ist, an der sich
entscheidet, ob sie über ihr Jahrhundert hinaus
weiterwirken, sprich gelesen oder aufgeführt
werden, oder in die große graue Schar der
Vergessenen eingegangen sind. Wir können
ja mal die Probe aufs Exempel machen. Es
werden frei im Jahre
2000 Hugo von Hofmannsthal, Arno Holz,
Hermann Ungar, Friedrich Lienhard,
Karl Friedrich Henckell
2001 Julius Hart, Arthur Conan Doyle, D. H.
Lawrence
2002 Arthur Schnitzler, Felix Hollaender,
Frank Harris, Erik Axel Karlfeldt
2003 Gustav Meyrink, Anton Wildgans, Edgar
Wallace, Lytton Strachey
2004 Stefan George, Paul Ernst, Manfred
Kyber, John Galsworthy,
Konstantinos P. Kavafis
2005 Joachim Ringelnatz, Jakob Wassermann,
Theodor Däubler, Hermann Bahr, Erich
Mühsam, Ernst Ludwig von Wolzogen,
Arthur Wing Pinero
2006 Kurt Tucholsky, T. E. Lawrence, Henri
Barbusse, Paul Bourget, Fernando
Pessoa
2007 Karl Kraus, Heinrich Lersch, Reinhard
Goering, Rudyard Kipling, Gilbert Keith
Chesterton, A. E. Housman, Henri de
Régnier, Eugène Dabit, Grazia Deledda,
Luigi Pirandello, Federico García Lorca,
Miguel de Unamuno, Ramon María
del Valle-Inclán
2008 Lou Andreas-Salomé, James M. Barrie
2009 Ödön von Horvath, Ernst Barlach,
Egon Friedell, Rudolf G. Binding,
Friedrich Glauser, Francis Jammes,
Gabriele d'Annunzio
2010 Joseph Roth, Ernst Toller, Ernst Blaß,
Jura Soyfer, W. B. Yeats, Ford Maddox
Ford, Antonio Machado y Ruiz

Weiter gehts dann mit
2012 James Joyce
2026 Thomas Mann
2027 Bertolt Brecht
2031 Albert Camus
2033 Hermann Hesse
2045 Erich Kästner
2050 Arno Schmidt
2051 Jean-Paul Sartre
2056 Heinrich Böll
2062 Max Frisch
2066 Michael Ende
2069 Ernst Jünger

Bis hierher stehen die Termine fest. Aber
wir können ja ruhig mal ein bisschen spekulieren.
Wenn wir großzügig davon ausgehen, dass die
heute lebenden (deutschsprachigen) Autoren ein
Durchschnittsalter von 75 Jahren erreichen, werden
voraussichtlich urheberrechtlich frei:

2070 Johannes Mario Simmel
2073 Günter Grass, Martin Walser
2075 Hans Magnus Enzensberger, Walter
Kempowski, Christa Wolf
2078 Gabriele Wohmann
2080 Herbert Rosendorfer
2081 Sarah Kirsch
2082 Wolf Biermann
2083 Robert Gernhardt
2086 Brigitte Kronauer
2087 Eckhard Henscheid
2088 Peter Handke
2090 Botho Strauß
2097 Klaus Modick, Hanns-Joseph Ortheil
2102 Rainald Goetz
2103 Hera Lind
2104 Burkhard Spinnen
2108 Durs Grünbein
2110 Helmut Krausser, Raoul Schrott
2120 Zoe Jenny

Und schließlich, so um das Jahr 2145, das Werk
einer namenlosen Autorin. Vorerst namenlos,
weil sie erst im kommenden Frühjahr geboren
wird. Ich kann aber schon soviel verraten, dass
sie beim schwindenden Häuflein der im 22.
Jahrhundert noch praktizierenden Germanisten
als die letzte Lyrikerin der deutschsprachigen
Literatur gelten wird, die mit dem Tod jener
noch Namenlosen im Jahr 2074 endgültig ihren
Betrieb eingestellt haben wird.

M. Kranz

Peter Brülls

ungelesen,
23.12.1998, 03:00:0023.12.98
an
Matthias Kranz <kr...@bib.uni-wuppertal.de>:

[...]

> Ach ja, das Urheberrecht!
> <http://www.heim2.tu-clausthal.de/PROJEKT/GESETZ/urhg/index.html>
> Jeder Handwerker würde sich natürlich auch wünschen, für seine
> Produkte noch jahrzehntelang und gar über seinen Tod hinaus
> kassieren zu können.

Das kann er, sofern er etwas erfindet und zum Patent anmeldet.


> Aber die Herstellung eines Bücherregals oder das Verlegen einer
> Wasserleitung sind halt keine "persönliche geistige Schöpfung", von
> der die Erben noch bis in die 3. Generation profitieren können.

Das hänt nicht zufällig damit zusammen, daß jede Wasserleitung
mindestens einmal gebaut werden muß, um genutzt werden zu können,
jedes Buch aber nur einmal geschrieben werden muß, um zehntausendfach
kopiert werden zu können?


> Wie nobel ist es da doch vom Gesetzgeber, dass er durch diese
> Schutzfrist sicherstellt, dass z.B. die 20-jährige Witwe eines
> Bestsellerautors sich ihr Leben lang an den Tantiemen des
> Verflossenen laben darf - das geistige Schöpfertum machts möglich!
> Und, mal ehrlich, wer wollte den Erben Heinz G. Konsaliks, Hera
> Linds und Heinrich Bölls dieses Trostpflästerchen nicht gönnen?

Ich vermute, daß Du das Erbe Deiner Eltern verfallen läßt?

> Die 70-Jahres-Frist ist insofern interessant,
> als bei den meisten Autoren nach ihrem Ablauf
> die Scheidemarke überschritten ist, an der sich
> entscheidet, ob sie über ihr Jahrhundert hinaus
> weiterwirken, sprich gelesen oder aufgeführt
> werden, oder in die große graue Schar der
> Vergessenen eingegangen sind. Wir können
> ja mal die Probe aufs Exempel machen.


[biblische Liste]

> Und schließlich, so um das Jahr 2145, das Werk einer namenlosen
> Autorin. Vorerst namenlos, weil sie erst im kommenden Frühjahr
> geboren wird. Ich kann aber schon soviel verraten, dass sie beim
> schwindenden Häuflein der im 22. Jahrhundert noch praktizierenden
> Germanisten als die letzte Lyrikerin der deutschsprachigen Literatur
> gelten wird, die mit dem Tod jener noch Namenlosen im Jahr 2074
> endgültig ihren Betrieb eingestellt haben wird.

Und wo war da nun das Exempel?


Arnd-Matthias Langner

ungelesen,
23.12.1998, 03:00:0023.12.98
an

Peter Brülls <p...@ecce-terram.de> schrieb im Beitrag
<75qu17$7...@news.Informatik.Uni-Oldenburg.DE>...


> Matthias Kranz <kr...@bib.uni-wuppertal.de>:
>
> [...]
>
> > Ach ja, das Urheberrecht!
> > <http://www.heim2.tu-clausthal.de/PROJEKT/GESETZ/urhg/index.html>
> > Jeder Handwerker würde sich natürlich auch wünschen, für seine
> > Produkte noch jahrzehntelang und gar über seinen Tod hinaus
> > kassieren zu können.
>
> Das kann er, sofern er etwas erfindet und zum Patent anmeldet.

Das in der Regel eine Laufzeit von 20 Jahren ab Erteilung (!) hat
und daher im Normalfall meist schon zu Lebzeiten des Erfinders
ausläuft.

SCNR

Arnd-Matthias


Peter Brülls

ungelesen,
24.12.1998, 03:00:0024.12.98
an
"Arnd-Matthias Langner" <Arnd-Matth...@pcm.bosch.de>:

>> [...]

> SCNR

Nein, der Einwand ist berechtigt. Ich finde ja auch, daß 70 Jahre nach
Ableben auch zu lang sind.

Allerdings gibt es zwischen Patenten und Urheberrecht einen
Unterschied: Patente wurden eingeführt, damit Neuerungen der
Allgemeintheit zugänglich gemacht werden, anstatt als
Betriebsgeheimnisse ewig in Firmenhand zu bleiben.

Mit einem tollen neuen Medikament kann man Geld verdienen, auch wenn
man es nicht zum Patent anmeldet. Zumindest so lange, wie es niemand
nachbauen kann.

Mit Literatur und anderer Kunst kann man aber nur dann Geld verdienen,
wenn sie veröffentlicht werden.


Marius Fraenzel

ungelesen,
24.12.1998, 03:00:0024.12.98
an
Peter Brülls schrob am 24 Dec 1998 00:00:00 +0000 in de.rec.buecher:

>Nein, der Einwand ist berechtigt. Ich finde ja auch, daß 70 Jahre nach
>Ableben auch zu lang sind.

Die Idee ist, daß Künstler oft im materiellen Sinne proletarisiert
sind und also nur über die Rechte an und die Einkünfte aus ihren
Werken eventuelle Nachkommen versorgen können; es ist das einzige, was
sie zu vererben haben. Hinc illae lacrimae!

Gruß, Marius

Oliver Gassner

ungelesen,
24.12.1998, 03:00:0024.12.98
an
MFra...@mail.cmo.de (Marius Fraenzel) wrote/schrieb:

>Peter Brülls schrob am 24 Dec 1998 00:00:00 +0000 in de.rec.buecher:
>
>>Nein, der Einwand ist berechtigt. Ich finde ja auch, daß 70 Jahre nach
>>Ableben auch zu lang sind.

Weswegen eigentlich? Was willst Ddu mit den Sachen machen? (Aergerlich
ist das ggf. bei 1% des Geschreibenen, der Rest...)

>Die Idee ist, daß Künstler oft im materiellen Sinne proletarisiert
>sind und also nur über die Rechte an und die Einkünfte aus ihren
>Werken eventuelle Nachkommen versorgen können; es ist das einzige, was
>sie zu vererben haben. Hinc illae lacrimae!

Ggf. wuerde eine schnellere Verfalls-Zeit auch bedeuten, dass lebende
Autoren kaum was verdienen wuerden weil genug 'Altes' frei ist.

OG
--
"it's times like this i wished i had listened to what my mother used to
tell me." "why? what did she say?" "i don't know. i didn't listen!"
[douglas adams, the hithch-hiker's guide to the galaxy]
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/ Link me, I'm a Klick!

Peter Brülls

ungelesen,
26.12.1998, 03:00:0026.12.98
an
oliver-...@bigfoot.de (Oliver Gassner):

> MFra...@mail.cmo.de (Marius Fraenzel) wrote/schrieb:

>> Peter Brülls schrob am 24 Dec 1998 00:00:00 +0000 in de.rec.buecher:

>>> Nein, der Einwand ist berechtigt. Ich finde ja auch, daß 70 Jahre nach
>>> Ableben auch zu lang sind.

> Weswegen eigentlich? Was willst Ddu mit den Sachen machen? (Aergerlich
> ist das ggf. bei 1% des Geschreibenen, der Rest...)

Weil niemand sonst -- nicht einmal Patentinhaber -- ein derart langes
und umfassendes »Monopol« gewährt bekommen, insbesondere wenn man
bedenkt, daß bearbeitete Nachdrucke -- wie etwa die neue
Laßwitzausgabe von Heyne -- wieder länger als ein Menschenleben
geschützt werden. Bei Malerei und Bildhauerei sieht es noch schlimmer
aus, da die Originale kaum reproduzierbar sind.


>> Die Idee ist, daß Künstler oft im materiellen Sinne proletarisiert
>> sind und also nur über die Rechte an und die Einkünfte aus ihren
>> Werken eventuelle Nachkommen versorgen können; es ist das einzige, was
>> sie zu vererben haben. Hinc illae lacrimae!

Und diese Idee enthält einen herben logischen Fehler, denn alle
anderen bekommen auch nur Geld für ihre Pordukte und müssen dieses
dann weise investieren.

> Ggf. wuerde eine schnellere Verfalls-Zeit auch bedeuten, dass
> lebende Autoren kaum was verdienen wuerden weil genug 'Altes' frei
> ist.

Ja, wir sehen ja jeden Tag, wie vezweifelte Verkäufer jeden Tag bei
der Verteilung der Verkaufsplätze zwischen Schiller und Goethe auf
der einen und Crichton und George auf der anderen Seite ins Grübeln
kommen.


Marius Fraenzel

ungelesen,
26.12.1998, 03:00:0026.12.98
an
Peter Brülls schrob am 26 Dec 1998 00:00:00 +0000:

>> MFra...@mail.cmo.de (Marius Fraenzel) wrote/schrieb:


>
>> Die Idee ist, daß Künstler oft im materiellen Sinne proletarisiert
>> sind und also nur über die Rechte an und die Einkünfte aus ihren
>> Werken eventuelle Nachkommen versorgen können; es ist das einzige, was
>> sie zu vererben haben. Hinc illae lacrimae!
>
>Und diese Idee enthält einen herben logischen Fehler, denn alle
>anderen bekommen auch nur Geld für ihre Pordukte und müssen dieses
>dann weise investieren.

Nun weiß ich nicht, was daran ein 'logischer' Fehler ist, aber mag
sein, Du meinst 'sachlogisch'; lassen wir es also dabei.

Es könnte sein, daß der Gesetzgeber bei der Festlegung der Spanne sich
von der Einsicht hat leiten lassen, daß oft nur ein toter Dichter ein
guter Dichter ist, und es zu Zeiten ein Weile braucht, bis sich die
Veröffentlichung eines Werks auch auszahlt. Da dies nicht jedesmal im
Einzelfall geprüft werden kann, wurde wohl die Spanne von 70 Jahren --
btw: weiß jemand, *wann* die Verlängerung von 50 auf 70 Jahre erfolgt
ist? -- gewählt. Ich finde das ganz angemessen. Ich mag Bücher
nämlich.

Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Einführung des Urheberrechts,
soweit es Bücher betrifft, in Deutschland im 19. Jh. dazu diente,
höhere Honorarforderungen der Schriftsteller überhaupt erfüllen zu
können. Der Verleger war nämlich vor Raubkopieen geschütz und konnte
für das Werk mit dem gesamten oder wenigstens eine Großteil des
deutschsprachigen Werks kalkulieren. Treibend für diese Entwicklung
dürften die horrenden Honorarforderungen Goethes zu Anfang des 19. Jh.
gewesen sein, die die Verleger zwangen, sich eine über das
territoriale Druckprivileg hinausgehende Rechtssicherung zu überlegen,
um solche Honorare überhaupt kalkulieren zu können. Das Urheberrecht
war also in seiner Grundidee ein Versuch, die Interessen der Verleger
und erst indirekt die der Autoren und ihrer Nachkommen zu sichern.

Gruß, Marius

Michael Pronay

ungelesen,
26.12.1998, 03:00:0026.12.98
an
Marius Fraenzel schrieb in Nachricht
<3684fec3...@news.cmo.de>...

>Da dies nicht jedesmal im Einzelfall geprüft werden
>kann, wurde wohl die Spanne von 70 Jahren -- btw: weiß
>jemand, *wann* die Verlängerung von 50 auf 70 Jahre
>erfolgt ist? -- gewählt.

Also, ziemlich weit in meinem Hinterkopf findet sich eine
Diskussion in der Nachkriegs-Fackel zu diesem Thema: Anlaß
war, iirc, der 50. Todestag des Walzerkönigs Johann Strauß
und die mit einem Schlage drohende Verarmung seiner immer
noch lebenden Witwe (oder war's die Tochter? Ich werde alt
und blöd ...). Das wurde durch die Erhöhung der Frist von
50 auf 70 Jahre verhindert.

Aber ob das auch stimmt -- ich vermag es nicht zu sagen.

Michael


Peter Brülls

ungelesen,
26.12.1998, 03:00:0026.12.98
an
MFra...@mail.cmo.de (Marius Fraenzel):

> Peter Brülls schrob am 26 Dec 1998 00:00:00 +0000:

>>> MFra...@mail.cmo.de (Marius Fraenzel) wrote/schrieb:

>>> Die Idee ist, daß Künstler oft im materiellen Sinne proletarisiert
>>> sind und also nur über die Rechte an und die Einkünfte aus ihren
>>> Werken eventuelle Nachkommen versorgen können; es ist das einzige, was
>>> sie zu vererben haben. Hinc illae lacrimae!

>> Und diese Idee enthält einen herben logischen Fehler, denn alle
>> anderen bekommen auch nur Geld für ihre Pordukte und müssen dieses
>> dann weise investieren.

> Nun weiß ich nicht, was daran ein 'logischer' Fehler ist, aber mag
> sein, Du meinst 'sachlogisch'; lassen wir es also dabei.

Der logische Fehler ergibt sich aus der impliziten Annahme, daß
Literaturschaffende schlechtergestellt seinen als die Produzenten
materieller Güter und daher einen derart massiven Schutz bedürfen.

> Es könnte sein, daß der Gesetzgeber bei der Festlegung der Spanne
> sich von der Einsicht hat leiten lassen, daß oft nur ein toter
> Dichter ein guter Dichter ist, und es zu Zeiten ein Weile braucht,
> bis sich die Veröffentlichung eines Werks auch auszahlt.

Interessanterweise wird aber nicht der Tischler. bzw. dessen Erben
entsprechend bezahlt, wenn sich eines seiner Produkte als besonders
haltbar erweist. Auch nicht der Maurer.

> Da dies nicht jedesmal im Einzelfall geprüft werden kann, wurde wohl
> die Spanne von 70 Jahren -- btw: weiß jemand, *wann* die

> Verlängerung von 50 auf 70 Jahre erfolgt ist? -- gewählt. Ich finde


> das ganz angemessen. Ich mag Bücher nämlich.

Warum 70 Jahre und nicht gleich 700?


Oliver Gassner

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
Peter Brülls <p...@ecce-terram.de> wrote/schrieb:

>Der logische Fehler ergibt sich aus der impliziten Annahme, daß
>Literaturschaffende schlechtergestellt seinen als die Produzenten
>materieller Güter und daher einen derart massiven Schutz bedürfen.

Literatur ist seit ihrem Bestehen subventioniert.
Blanke "Ware" war sie fast nie. (Romana (sic) ausgenommen.)

OG
--
"Geschriebene Bitten sind leichter abgeschlagen, und geschriebene
Befehle leichter gegeben, als mündliche." --Lichtenberg
Link me, Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/
I'm a Klick! Homepage --> http://www.carpe.com/

Peter Brülls

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
oliver-...@bigfoot.de (Oliver Gassner):

> Peter Brülls <p...@ecce-terram.de> wrote/schrieb:

>> Der logische Fehler ergibt sich aus der impliziten Annahme, daß
>> Literaturschaffende schlechtergestellt seinen als die Produzenten
>> materieller Güter und daher einen derart massiven Schutz bedürfen.

> Literatur ist seit ihrem Bestehen subventioniert.
> Blanke "Ware" war sie fast nie. (Romana (sic) ausgenommen.)

Und?

Der springendende Punkt ist, daß heute eine Massenindustrie durch
äußerst freizügige Quasi-Monopole geschützt wird, wie es nicht einmal
mit Milliardenaufwand entwickelte Medikamente werden.

Ein heute geschriebenes Buch geht vielleicht erst in 140, demnächst
sogar 200 Jahren in den frei verfügbaren Fundus menschlicher Kultur
über -- bis dahin wird es im wesentlichen von Gesellschaften, die sich
festangestellte Anwälte leisten können, kontrolliert.

Ich glaube nicht, daß dies für die Weiterentwicklung der Kultur
hilfreich ist.


Marius Fraenzel

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
Peter Brülls schrob am 26 Dec 1998 00:00:00 +0000:

>Der logische Fehler ergibt sich aus der impliziten Annahme, daß


>Literaturschaffende schlechtergestellt seinen als die Produzenten
>materieller Güter und daher einen derart massiven Schutz bedürfen.

Nun, das scheint mir einer Verwendung des Wortes "Logik" zu
entsprechen, die Mr. Spock für gewöhnlich pflegt, bei dem ooch alles
"unlogisch" ist, was nicht seiner Vernunft entspricht. ;-)

>> Es könnte sein, daß der Gesetzgeber bei der Festlegung der Spanne
>> sich von der Einsicht hat leiten lassen, daß oft nur ein toter
>> Dichter ein guter Dichter ist, und es zu Zeiten ein Weile braucht,
>> bis sich die Veröffentlichung eines Werks auch auszahlt.
>
>Interessanterweise wird aber nicht der Tischler. bzw. dessen Erben
>entsprechend bezahlt, wenn sich eines seiner Produkte als besonders
>haltbar erweist. Auch nicht der Maurer.

Das trifft nicht den Kern meines Arguments: Die Produkte des Tischlers
oder Mauerers tretten sofort nach der Veräußerung in ihren
vollständigen Gebrauchwert ein, so der Käufer das will. Deshalb erhält
der Handwerker auch den Lohn vollständig zu dem Zeitpunkt der Übergabe
(abgesehen von eventuellen Valuta-Fristen etc.). Beim Buch kann aber
der Fall eintreten, daß die angemessene Bezahlung erst viele Jahre
später einsetzt, wenn sich das entsprechende Werk durchgesetzt hat.
Das Copyright schütz nicht Grisham, Follett & Co., sondern
Schopenhauer, Niebelschütz & Otto Mainzer bzw. die Ansprüche ihrer
Erben.

>> Da dies nicht jedesmal im Einzelfall geprüft werden kann, wurde wohl
>> die Spanne von 70 Jahren -- btw: weiß jemand, *wann* die
>> Verlängerung von 50 auf 70 Jahre erfolgt ist? -- gewählt. Ich finde
>> das ganz angemessen. Ich mag Bücher nämlich.
>
>Warum 70 Jahre und nicht gleich 700?

Och, bleiben wir ernsthaft, oder? 50 Jahre sind in etwa zwei
Generationen, 70 Jahre zwei bis drei -- das sind Lebenszeiträume für
die Menschen planen und die sie zu überschauen versuchen. 700 Jahre
sind kein solcher Zeitraum. Was soll so eine Frage? Sie nimmt entweder
mich oder Dich nicht ernst. -- Ende des Threads für mich.

Gruß, Marius

Peter Brülls

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
MFra...@mail.cmo.de (Marius Fraenzel):

> Peter Brülls schrob am 26 Dec 1998 00:00:00 +0000:

>> Der logische Fehler ergibt sich aus der impliziten Annahme, daß
>> Literaturschaffende schlechtergestellt seinen als die Produzenten
>> materieller Güter und daher einen derart massiven Schutz bedürfen.

> Nun, das scheint mir einer Verwendung des Wortes "Logik" zu
> entsprechen, die Mr. Spock für gewöhnlich pflegt, bei dem ooch alles
> "unlogisch" ist, was nicht seiner Vernunft entspricht. ;-)

Damit hast Du zwar durchaus nicht unrecht, aber das beantwortet die
Frage dennoch nicht.

>>> Es könnte sein, daß der Gesetzgeber bei der Festlegung der Spanne
>>> sich von der Einsicht hat leiten lassen, daß oft nur ein toter
>>> Dichter ein guter Dichter ist, und es zu Zeiten ein Weile braucht,
>>> bis sich die Veröffentlichung eines Werks auch auszahlt.

>> Interessanterweise wird aber nicht der Tischler. bzw. dessen Erben
>> entsprechend bezahlt, wenn sich eines seiner Produkte als besonders
>> haltbar erweist. Auch nicht der Maurer.

> Das trifft nicht den Kern meines Arguments: Die Produkte des Tischlers
> oder Mauerers tretten sofort nach der Veräußerung in ihren
> vollständigen Gebrauchwert ein, so der Käufer das will. Deshalb erhält
> der Handwerker auch den Lohn vollständig zu dem Zeitpunkt der Übergabe
> (abgesehen von eventuellen Valuta-Fristen etc.). Beim Buch kann aber
> der Fall eintreten, daß die angemessene Bezahlung erst viele Jahre
> später einsetzt, wenn sich das entsprechende Werk durchgesetzt hat.

Wieso ist ein wirtschaftlicher Erfolg, der sich erst nach jahrzehnten
durchsetzt, einer angemessenen Bezahlung gleichzusetzen? Müßten nicht
auch Landeigentümer, bzw. deren Erben, wenn sich der Wert erst in
späteren Jahren, nachdem der Besitz veräußert wurde, erweist,
entsprechend kompensiert werden?

> Das Copyright schütz nicht Grisham, Follett & Co.,

Doch, das tut es.

> sondern Schopenhauer, Niebelschütz & Otto Mainzer bzw. die Ansprüche
> ihrer Erben.

Und mir ist unklar, wieso Erben von Kunstschaffenden -- bei diesen 70
Jahren durchaus oft in dritter Genereation -- so viel besser gestellt
werden sollen als Erben anderer.

Kein Mathematiker, Chemiker, Züchter oder Physiker kriegt solch
umfassenden Schutz zugebiligt.

>>> Da dies nicht jedesmal im Einzelfall geprüft werden kann, wurde wohl
>>> die Spanne von 70 Jahren -- btw: weiß jemand, *wann* die
>>> Verlängerung von 50 auf 70 Jahre erfolgt ist? -- gewählt. Ich finde
>>> das ganz angemessen. Ich mag Bücher nämlich.

>> Warum 70 Jahre und nicht gleich 700?

> Och, bleiben wir ernsthaft, oder? 50 Jahre sind in etwa zwei
> Generationen, 70 Jahre zwei bis drei -- das sind Lebenszeiträume für
> die Menschen planen und die sie zu überschauen versuchen. 700 Jahre
> sind kein solcher Zeitraum. Was soll so eine Frage? Sie nimmt entweder
> mich oder Dich nicht ernst. -- Ende des Threads für mich.

Die Frage war enstgemeint.


Marius Fraenzel

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
>>> Warum 70 Jahre und nicht gleich 700?
>
>> Och, bleiben wir ernsthaft, oder? 50 Jahre sind in etwa zwei
>> Generationen, 70 Jahre zwei bis drei -- das sind Lebenszeiträume für
>> die Menschen planen und die sie zu überschauen versuchen. 700 Jahre
>> sind kein solcher Zeitraum. Was soll so eine Frage? Sie nimmt entweder
>> mich oder Dich nicht ernst. -- Ende des Threads für mich.
>
>Die Frage war enstgemeint.

Da die Frage ernstgemeint gewesen ist -- ich will das glauben, wenn
ich es mir auch nur schwer vorstellen kann; aber das liegt sicherlich
an meinem mangelnden Vorstellungsvermögen --, also doch nochmals eine
Antwort.


Peter Brülls schrob am 27 Dec 1998 00:00:00 +0000:

>Wieso ist ein wirtschaftlicher Erfolg, der sich erst nach jahrzehnten
>durchsetzt, einer angemessenen Bezahlung gleichzusetzen? Müßten nicht
>auch Landeigentümer, bzw. deren Erben, wenn sich der Wert erst in
>späteren Jahren, nachdem der Besitz veräußert wurde, erweist,
>entsprechend kompensiert werden?

Lieber Peter, es hat keinen Zweck in einer solchen Sache so zu
argumentieren: Es handelt sich hierbei um eine willkürlich
festgesetzte Rechtsnorm; ich kann und will Dich nicht dazu bringen,
sie gerecht zu finden; alles was ich zu tun versuchen kann, ist Dir
Gründe nahezu bringen, warum andere Menschen mit anderem
Erfahrungshintergrund zu dem Schluß gekommen sind, dies sei eine
gerechtere Lösung als kein oder ein kürzerer Schutz des Urheberrechts.
Wenn Du es partout ungerecht finden möchtest, mußt Du dabei bleiben.
Wende Dich an den Bundestagsabgeordneten Deines Vertrauens und
versuche eine Gesetzesinitiative anzuleiern. Ich möchte Dich bloß
dahingehend warnen, daß die allermeisten Deinen Einwand mit den
Landbesitzern nicht sehr überzeugend finden werden, da die meisten
Menschen einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Erwerb eines
Stücks Land und dem Schreiben eines Romans erkennen können. Wenn Du
diesen Unterschied nicht erkennen kannst oder ihn nicht für relevant
hälst, solltest Du versuchen, diese Auffassung in einem für solche
Fragen relevanten Forum vorzubringen -- dies scheint mit
de.rec.buecher nicht zu sein. Sorry, falls ich mich irre.

>> Das Copyright schütz nicht Grisham, Follett & Co.,
>
>Doch, das tut es.

Da hast Du natürlich recht; ich habe mich ungeschickt ausgedrückt.
Zweiter Versuch: Die Intention des Copyrights ist es nicht, in erster
Linien, Autoren wie Grisham, Follett & Co. zu schützen, sondern eher
Autoren wie Schopenhauer, Niebelschütz & Otto Mainzer, deren Werke
erst mit bedeutender Verzögerung Anerkennung finden. Das Urheberrecht
unterstützt seiner Intention nach Autoren und Verleger, die das Risiko
solcher Publikationen eingehen.

>Und mir ist unklar, wieso Erben von Kunstschaffenden -- bei diesen 70
>Jahren durchaus oft in dritter Genereation -- so viel besser gestellt
>werden sollen als Erben anderer.

Wenn Dir dies auch weiterhin unklar ist, sehe ich mich nicht weiter in
der Lage, Dir den Sinn dieser Regelung nahezubringen, den durchaus
eine Reihe von Menschen einzusehen in der Lage sind. Ich überlasse es
Deinem Urteil, ob dies an mangelnder Überzeugungskraft oder an
schwachen Argumenten meinerseits oder an Uneinsichtigkeit Deinerseits
liegt. Für mich macht das keinen Unterschied.

Nochmals: End of thread as far as I'm involved.

Gruß, Marius

Giesbert Damaschke

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
On 27 Dec 1998 00:00:00 +0000, Peter =?ISO-8859-1?Q?Br=FClls?=
<p...@ecce-terram.de> wrote:

>
>Die Frage war enstgemeint.
>

eine moegliche (und durchaus plausible) Antwort findest Du zB in Hans
Wollschlaegers "In diesen geistfernen Zeiten".

Was dein warenbasiertes Bewusstsein ein wenig nachdenklich stimmen
sollte: Die 70 Jahre gelten auch fuer unveroeffentlichte und ergo auch
nie verkaufte bzw. "bezahlte" Texte. Die reisst sich "die
Gesellschaft", der das Privateigentum doch sonst das hoechste Gut ist
(wenn mich nicht alles taeuchst, werden Eigentumsdelikte hierzulande
haerter bestraft als Angriffe auf Leib und Leben), einfach so unter
den Nagel.

Deine ganze Argumentation wuerde, wenn ueberhaupt, nur dann
funktionieren, wenn -- reduziert man eine schoepferische Leistung
schon auf den reinen Produkt- und Warencharakter eines Wasserrohrs --
ein Autor auch mindestens so bezahlt wuerde wie ein Installateur. Was
nicht der Fall ist. Der Autor, der auf die Idee kaeme, seine
Arbeitsleitung nach den Stundensaetzen eines Handwerkermeisters
abzurechnen, waere sofort pleite.

Ein Roman, in den sein Autor ein Jahr Lebenszeit investiert hat,
muesste dann so grob geschaetzt, seinem Autor etwa 150.000 bis 300.000
Mark bringen -- und dabei ist die beliebige Reproduzierbarkeit eines
Textes oder Musikstueckes noch gar nicht einkalkuliert. Und jetzt
kannst Du ja mal selber nachrechnen: Die Autorenhonorare liegen
irgendwo so um die 10 bis 15 % vom Ladenpreis jedes verkauften
Exemplars. Und vergiss bei Deiner Rechnung nicht, dass das der Brutto-
Ertrag ist, von dem saemtliche Sozialabgaben und natuerlich auch
Steuern gezahlt werden muessen.

Ach ja, die Wasserleitung, die da verkauft wurde, wird ja auch nicht
urploetzlich "frei", sondern ist weiteherin durch Generationen hin
vererbbares Privateigentum. Das kann ein Text nie sein. Leider.


cu
gd 8-)
--
Giesbert Damaschke, Muenchen
[GD811-RIPE]

Roger

ungelesen,
27.12.1998, 03:00:0027.12.98
an
Am 26.12.98 schrieb MFra...@mail.cmo.de (3684fec3...@news.cmo.de)

Hallo Marius,

> Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Einführung des Urheberrechts,
> soweit es Bücher betrifft, in Deutschland im 19. Jh. dazu diente,
> höhere Honorarforderungen der Schriftsteller überhaupt erfüllen zu
> können. Der Verleger war nämlich vor Raubkopieen geschütz und konnte
> für das Werk mit dem gesamten oder wenigstens eine Großteil des
> deutschsprachigen Werks kalkulieren.

Ähnliches gilt auch für internationale Märkte. Für die Entwicklung der
amerikanischen Literatur war das Fehlen eines internationalen Copyrights
(also immerhin bis 1891) eine enorme Behinderung. Bis dahin war es für
amerikanische Autoren lebenswichtig, einen Brotjob wie Lehrer, Zollbeamter,
diplomatischer Dienst etc.) auszuüben, denn zu groß war die Verlockung für
amerikanische Verleger, einfach bewährte(sprich am Markt erprobte),
populäre Werke aus England (von Autoren, die vielfach bekannter waren)
nachzudrucken.
Vielfach boten einzig Zeitschriften und Magazine für heimische Autoren
Publikations- und Überlebensmöglichkeiten.
Dies betraf Autoren wie Irving, Hawthorne, Melville oder E.A. Poe.

Insofern sollte man sich keine allzu großen Hoffnungen machen, daß der
Markt alles regelt. Zur Förderung von Kultur scheint ein gewisses Maß an
Protektion nützlich zu sein.

> Das Urheberrecht
> war also in seiner Grundidee ein Versuch, die Interessen der Verleger
> und erst indirekt die der Autoren und ihrer Nachkommen zu sichern.

Die englischen Verlage drängten natürlich auf ein gegenseitiges Abkommen
(sie hatten weniger zu verlieren als zu gewinnen, denn amerikanische
Autoren wurden kaum gelesen), aber erst mit dem Erfolg amerikanischer
(einheimischer) Autoren, konnten amerikanische Verlage ebenfalls ein
Interesse an solchen gegenseitigen Abkommen entwickeln.


Gruss
Roger

--

"'John Rock oder der Teufel' ist auf jeden Fall schon mal ein besserer
Anfang als 'Jemand mußte Josef. K. verläumdet haben' mit Ä, aber
vielleicht bin ich zu kritisch." (Harry Rowohlt in der Zeit)
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