es gibt mal wieder ein Gerichtsurteil, das für Unsicherheit sorgen
dürfte:
* http://www.golem.de/0703/51408.html
* http://www.lawblog.de/index.php/archives/2007/03/29/haftung-fur-kommentare/
Egal ob Blog mit Kommentarfunktion oder Diskussionsforum so wie hier:
laut BGH haftet ein Forumsbetreiber für Beleidigungen, die durch "user
generated content" zustande kommen.
An sich ist ja gar nichts dagegen einzuwenden. Wer Fremdbeiträge
veröffentlicht, muss selbstverständlich darauf achten, dass andere
User keine Inhalte beisteuern, die eindeutig einen Straftatbestand
darstellen. Doch gerade Beleidigungen sind ein problematisches Feld,
wie ich finde. Denn die Grenze zwischen freier Meinung und Beleidigung
ist fließend und bürdet Richtern im Streitfall eine Entscheidung auf,
die sich häufig in einem sehr diffusen Spielraum zwischen erlaubt und
nicht erlaubt bewegt.
Ich könnte beispielsweise wie viele andere Leute Geschichten von
Telekommunikations- und Internetprovidern erzählen, bei denen aus dem
Kontext heraus absolut verständlich Ausdrücke wie "Hotline-Schnepfe"
oder "Mafia-Methoden" fallen. Das sind selbstverständlich stark
wertende (besser: abwertende) Ausdrücke. Andere Verbraucher werden sie
kaum als beleidigend empfinden, das beschuldigte Unternehmen dagegen
vielleicht schon. Doch wer hat in so einem Fall Recht? Ich möchte das
nicht entscheiden müssen.
Es gibt sicherlich Fälle, in denen jeder normal denkende Mensch sofort
auf den Löschknopf drückt. Doch die Rede ist hier nicht von den
wenigen wirklich eindeutigen Fällen. Die Rede ist vielmehr von den
Fällen, die scheinbar Beleidigte mit unausgefüllter Rechtsabteilung zu
neuen Massenabmahnungen veranlassen könnte, wobei dort dann auf dieses
BGH-Urteil Bezug genommen werden könnte.
Es wäre meiner Ansicht nach jedenfalls wesentlich besser gewesen, wenn
das Urteil die Haftungsfrage auf "absolute Beleidigungen" beschränkt
und "Formalbeleidigungen" davon ausgenommen hätte (zu den beiden
Begriffen vergleiche das Interview mit Udo Vetter in oben verlinktem
Golem-Beitrag). So aber werden Anbieter wieder nur unnötig
eingeschüchtert, und die Ängstlicheren unter ihnen ziehen gleich
wieder den Schwanz ein.
viele Grüße
Stefan Münz
Sonderlich fliessend sind die Grenzen nicht. Für den "Privatgebrauch"
zählt nur die klassische Beleidigung per Schimpfwort, Schmähkritik,
die dem Journalisten verwehrt ist, ist dem Privatier zugestanden.
Zudem ist die Rechtspflege ziemlich locker, was die Verfolgung und
Bemessung angeht.
> Sonderlich fliessend sind die Grenzen nicht. Für den "Privatgebrauch"
> zählt nur die klassische Beleidigung per Schimpfwort, Schmähkritik,
> die dem Journalisten verwehrt ist, ist dem Privatier zugestanden.
Da kommt dann aber wieder die Frage ins Spiel, ob ein Posting
innerhalb eines Webangebots mit journalistischem Gesamtcharakter nach
den Maßstäben der Publizistik bewertet werden muss oder nach den
Maßstäben der Privatangelegenheit. Derjenige, der eine Schmähkritik
formuliert hat, mag ein Privatmensch sein - doch die Plattform, auf
der er das tut?
> Zudem ist die Rechtspflege ziemlich locker, was die Verfolgung und
> Bemessung angeht.
Das ist zu hoffen - denn wenn jeder, der sich auf den Schlips getreten
fühlt, damit durchkäme, wären bald alle mundtot.
viele Grüße
Stefan Münz