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Wo enden Grundrechte?

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Martin Schneider

unread,
Jan 21, 2008, 1:39:49 AM1/21/08
to
Heise Newsticker von heute, Zitiert wird Innenminister Schäuble:

"Im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht befand der Innenminister,
ohne die Menschenwürde auszunehmen: "Alle grundrechtlich geschützten
Bereiche enden irgendwo". Wo diese Grenzen liegen, ist seiner Ansicht
nach "Sache des Gesetzgebers""

Gruß,
Martin

Natalia Sazepin

unread,
Jan 21, 2008, 5:45:52 AM1/21/08
to

Ein klarer Fall von "Beruf verfehlt". Wer hat nun einen neuen Job für ihn?

ns

Jonas Werres

unread,
Jan 21, 2008, 5:48:41 AM1/21/08
to
> Ein klarer Fall von "Beruf verfehlt". Wer hat nun einen neuen Job für ihn?

Naja, wäre doch nicht das erste Mal, dass ein deutscher Politiker hier
rausfliegt und dann zu den Russen geht.

Hauke Laging

unread,
Jan 21, 2008, 5:49:24 AM1/21/08
to
Natalia Sazepin schrieb am Montag 21 Januar 2008 11:45:

> Ein klarer Fall von "Beruf verfehlt". Wer hat nun einen neuen Job
> für ihn?

Der kann sich doch mal ehrenamtlich (überversorgt ist er ja) um die
Integration straffällig gewordener Jugendlicher mit
Migrationshintergrund kümmern. Vielleicht führt ihn und seine von
Geist und Moral abgewandte Partei das ja zu ganz neuen
(wahlkampfhinderlichen) Erkenntnissen.


CU

Hauke
--
http://www.hauke-laging.de/ideen/
http://www.hauke-laging.de/software/
http://zeitstempel-signatur.hauke-laging.de/
Wie können 59.054.087 Leute nur so dumm sein?

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 21, 2008, 8:13:18 AM1/21/08
to

Ich mag den Schäuble ja nicht so sehr, aber wo er recht hat, hat er recht.
Hinter allen Grundrechten steht die Einschränkung: Dieses Recht kann nur
aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her. Das steht zwar so nicht
im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.

Ciao
Wolfram
--
wenn ich sage mu / wenn ich sage blob / wenn ich sage dob / sag ich einfach
/ mublobdob
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Mark Obrembalski

unread,
Jan 21, 2008, 8:37:38 AM1/21/08
to
Wolfram Heinrich wrote:

> Ich mag den Schäuble ja nicht so sehr, aber wo er recht hat, hat er
> recht. Hinter allen Grundrechten steht die Einschränkung: Dieses Recht
> kann nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

Nein, nicht bei allen. Bei Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kunst- und
Wissenschaftsfreiheit oder Koalitionsfreiheit fehlen solche
Einschränkungen etwa.

> Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
> Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her. Das steht zwar so
> nicht im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.

"unantastbar" ist eine ziemlich klare Ansage.

Gruß,
Mark

--
Wolle man die vom Kläger für angemessen erachteten Sicherheits-
maßstäbe anlegen, könne der Reiseveranstalter seiner Verkehrs-
sicherungspflicht nur genügen, wenn er seine Gäste in Gummizellen
unterbrächte (...) (AG München, Pressemitteilung)

Lothar Frings

unread,
Jan 21, 2008, 8:50:52 AM1/21/08
to
Mark Obrembalski tat kund:

> Wolfram Heinrich wrote:
> > Ich mag den Schäuble ja nicht so sehr, aber wo er recht hat, hat er
> > recht. Hinter allen Grundrechten steht die Einschränkung: Dieses Recht
> > kann nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
>
> Nein, nicht bei allen. Bei Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kunst- und
> Wissenschaftsfreiheit oder Koalitionsfreiheit fehlen solche
> Einschränkungen etwa.

Glaubensfreiheit: Klar, jeder darf glauben, was er will.
Solange es keine praktischen Auswirkungen hat.

Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz
wird durch Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.

Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.

>
> > Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
> > Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her. Das steht zwar so
> > nicht im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.
>
> "unantastbar" ist eine ziemlich klare Ansage.

"Würde des Menschen" ist dagegen beliebig umdefinierbar.
Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
eingegriffen".

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 21, 2008, 9:41:18 AM1/21/08
to
Am Mon, 21 Jan 2008 14:37:38 +0100 schrieb Mark Obrembalski:

> Wolfram Heinrich wrote:
>
>> Ich mag den Schäuble ja nicht so sehr, aber wo er recht hat, hat er
>> recht. Hinter allen Grundrechten steht die Einschränkung: Dieses Recht
>> kann nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
>
> Nein, nicht bei allen. Bei Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kunst- und
> Wissenschaftsfreiheit oder Koalitionsfreiheit fehlen solche
> Einschränkungen etwa.
>

Bei der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit habe ich die Einschränkung auf
Anhieb gefunden:
"Artikel 5
[Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu
äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen
ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur
findet nicht statt.
(2) *Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem
Recht der persönlichen Ehre*.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. *Die Freiheit
der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung*.

Und dann das elementarste aller Menschenrechte, das Recht auf Leben:
Artikel 2
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die
Freiheit der Person ist unverletzlich. *In diese Rechte darf nur auf Grund
eines Gesetzes eingegriffen werden*.
Auch leben darfst du nur solange, als du Ansprüchen des Staates nicht im
Weg stehst.

>> Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
>> Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her. Das steht zwar so
>> nicht im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.
>
> "unantastbar" ist eine ziemlich klare Ansage.
>

Ohne Recht auf Leben, das antastbar ist, ist die Menschenwürde ebenfalls
doch sehr antastbar geworden.

Ciao
Wolfram
--
Seht: ein großer Mann - sagen die Knienden vor ihm.
PETER MAIWALD
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Mark Obrembalski

unread,
Jan 21, 2008, 10:23:17 AM1/21/08
to
Lothar Frings wrote:

> Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz
> wird durch Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.

Nein, warum? Der bezieht sich nur auf die Lehre, weder auf Kunst noch
auf Forschung.

> Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
> ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.

Koalitionsfreiheit ist aber Art. 9(3).

>> > Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
>> > Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her. Das steht zwar so
>> > nicht im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.
>>
>> "unantastbar" ist eine ziemlich klare Ansage.
>
> "Würde des Menschen" ist dagegen beliebig umdefinierbar.

Nein.

> Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
> eingegriffen".

Eingreifen ohne anzutasten?

Mark Obrembalski

unread,
Jan 21, 2008, 10:26:12 AM1/21/08
to
Wolfram Heinrich wrote:

> Bei der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit habe ich die Einschränkung
> auf Anhieb gefunden:

Nein, hast Du nicht.

> "Artikel 5
> [Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
> (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei
> zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
> Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die
> Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
> gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
> (2) *Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der
> allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der
> Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre*.

"Diese Rechte" bezieht sich, wie die Einordnung im Gesamttext ergibt,
auf die in Absatz 1 genannten Rechte. Kunst und Wissenschaftsfreiheit
stehen aber, wie Du ganz richtig zitiert hast...

> (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. *Die
> Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung*.

...in Absatz 3.

Ralf Bader

unread,
Jan 21, 2008, 10:40:39 AM1/21/08
to
Mark Obrembalski wrote:

> Wolfram Heinrich wrote:
>
>> Bei der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit habe ich die Einschränkung
>> auf Anhieb gefunden:
>
> Nein, hast Du nicht.
>
>> "Artikel 5
>> [Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
>> (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei
>> zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
>> Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die
>> Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
>> gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
>> (2) *Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der
>> allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der
>> Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre*.
>
> "Diese Rechte" bezieht sich, wie die Einordnung im Gesamttext ergibt,
> auf die in Absatz 1 genannten Rechte. Kunst und Wissenschaftsfreiheit
> stehen aber, wie Du ganz richtig zitiert hast...
>
>> (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. *Die
>> Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung*.
>
> ...in Absatz 3.

Trotzdem dürfte die Freiheit der Forschung nicht grenzenlos sein. Oder ist
etwa das Herbeiführen einer Kernexplosion zulässig, wenn es
Forschungszwecken dient?


Ralf

Lothar Frings

unread,
Jan 21, 2008, 10:46:51 AM1/21/08
to
Mark Obrembalski tat kund:

> Lothar Frings wrote:
> > Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz
> > wird durch Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.
>
> Nein, warum? Der bezieht sich nur auf die Lehre, weder auf Kunst noch
> auf Forschung.

Demnach sind Kunst und Forschung nicht ans GG gebunden
und dürfen also dagegen verstoßen? Wo hast du denn
das her?

>
> > Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
> > ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.
>
> Koalitionsfreiheit ist aber Art. 9(3).

Kein Problem. Gesetz machen, das derartige Koalitionen
unter Absatz 2 fallen läßt -> Feierabend.

>
> >> > Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
> >> > Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her. Das steht zwar so
> >> > nicht im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.
>
> >> "unantastbar" ist eine ziemlich klare Ansage.
>
> > "Würde des Menschen" ist dagegen beliebig umdefinierbar.
>
> Nein.

Bisßchen knappes Argument. Also - wo ist unabänderlich
und absolut nicht interpretierbar festgelegt, was der Staat
als "Würde" anerkennt?

>
> > Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
> > eingegriffen".
>
> Eingreifen ohne anzutasten?

Aber sicher. Reine Definitionssache.
Schon heute darf man dich einsperren, erschießen,
verprügeln, mit Tränengas traktieren, ohne Festnahme
wegschließen, wenn Bush kommt - alles kein Problem.

Lars Friedrich

unread,
Jan 21, 2008, 11:46:00 AM1/21/08
to
Ralf Bader schrieb:

> Trotzdem dürfte die Freiheit der Forschung nicht grenzenlos sein. Oder ist
> etwa das Herbeiführen einer Kernexplosion zulässig, wenn es
> Forschungszwecken dient?

Hättest ja wenigstens den Paragraphen selber lesen können.

"Wer es unternimmt, durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion
herbeizuführen und [sic] dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen
oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden [sic], wird mit
Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft."

"Wer durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeiführt und
dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von
bedeutendem Wert fahrlässig gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von
einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft."


Folglich ist das Herbeiführen von anderen Kernexplosionen nicht strafbar.

Grüße,
Lars Friedrich

Andreas Galinski

unread,
Jan 21, 2008, 11:54:27 AM1/21/08
to
On Mon, 21 Jan 2008 14:13:18 +0100, Wolfram Heinrich
<in...@theodor-rieh.de> wrote:

>> "Im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht befand der Innenminister,
>> ohne die Menschenwürde auszunehmen: "Alle grundrechtlich geschützten
>> Bereiche enden irgendwo". Wo diese Grenzen liegen, ist seiner Ansicht
>> nach "Sache des Gesetzgebers""
>Ich mag den Schäuble ja nicht so sehr, aber wo er recht hat, hat er recht.
>Hinter allen Grundrechten steht die Einschränkung: Dieses Recht kann nur
>aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

Nein, nicht hinter allen. Diejenigen ohne diesen Zusatz können aber
auch eingeschränkt werden, und zwar durch konkurrierendes
Verfassungsrecht (also eine andere Verfassungsnorm, die ein Grundrecht
explizit einschränkt - z.B. Art. 17a GG - oder ein anderes Grundrecht,
dem im konkreten Fall Vorrang eingeräumt wird). Kein Grundrecht gilt
absolut; es ist sogar theoretisch denkbar, fast alle[1] ersatzlos aus
dem Grundgesetz zu streichen.[2]

>Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
>Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her.

Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat. Die
Menschenwürde hingegen besagt die Achtung und den Schutz des
Individuums an sich, ist also quasi die Meta-Ebene.


[1] Aus Art. 1 III GG ergibt sich, daß es Grundrechte (Plural) geben
muß.
[2] In Art. 1 II GG ist das Bekenntnis zu Menschenrechten enthalten,
so daß auch ein Verzicht auf eine Aufzählung und Regelung einzelner
Grundrechte die Bürger (bzw. alle, die sich in Deutschland aufhalten)
nicht rechtlos machen könnte; hier würde z.B. die EMRK greifen.


Andreas

--
"The British parliament seems like the most fun you could have making
laws." (Jon Stewart)

Ralf Bader

unread,
Jan 21, 2008, 12:21:30 PM1/21/08
to
Lars Friedrich wrote:

> Ralf Bader schrieb:
>> Trotzdem dürfte die Freiheit der Forschung nicht grenzenlos sein. Oder
>> ist etwa das Herbeiführen einer Kernexplosion zulässig, wenn es
>> Forschungszwecken dient?
>
> Hättest ja wenigstens den Paragraphen selber lesen können.

Klar hätte ich das. War aber im vorliegenden Zusammenhang nicht nötig.

> "Wer es unternimmt, durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion
> herbeizuführen und [sic] dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen
> oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden [sic], wird mit
> Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft."
>
> "Wer durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeiführt und
> dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von
> bedeutendem Wert fahrlässig gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von
> einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft."
>
>
> Folglich ist das Herbeiführen von anderen Kernexplosionen nicht strafbar.

Es ging nicht darum, ob es irgendwelche Kernexplosionen geben könnte, die
straffrei herbeigeführt werden können, sondern darum, ob eine Kernexplosion
deshalb straffrei ist, weil sie der Forschung dient; und das ist nicht der
Fall, wie man aus den von Dir angeführten Paragraphen sehen kann.


Ralf

Ronald Becker

unread,
Jan 21, 2008, 12:40:00 PM1/21/08
to
"Andreas Galinski" <nutz...@andreas-galinski.de> schrieb

> Kein Grundrecht gilt
> absolut; es ist sogar theoretisch denkbar, fast alle[1] ersatzlos aus
> dem Grundgesetz zu streichen.[2]

...


> [1] Aus Art. 1 III GG ergibt sich, daß es Grundrechte (Plural) geben
> muß.
> [2] In Art. 1 II GG ist das Bekenntnis zu Menschenrechten enthalten,
> so daß auch ein Verzicht auf eine Aufzählung und Regelung einzelner
> Grundrechte die Bürger (bzw. alle, die sich in Deutschland aufhalten)
> nicht rechtlos machen könnte; hier würde z.B. die EMRK greifen.

Das ist ja hoch interessant. Und die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts geht mit Dir darin konform?

> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat.

Läßt sich die Funktion der Grundrechte tatsächlich darauf beschränken?

> Die
> Menschenwürde hingegen besagt die Achtung und den Schutz des
> Individuums an sich, ist also quasi die Meta-Ebene.

Und diese "Meta-Würde" ist dann also kein Grundrecht?

--
R.B.

Holger Pollmann

unread,
Jan 21, 2008, 12:53:39 PM1/21/08
to
Ralf Bader <ba...@nefkom.net> schrieb:

> Trotzdem dürfte die Freiheit der Forschung nicht grenzenlos sein.

Die Grundrechte begrenzen sich gegenseitig, auch ohne daß das irgendwo
ausdrücklich steht; so ist beispielsweise das Recht aus Art. 2 I GG,
Kernexplosionen herbeizuführen, prinzipiell durch das Recht der anderen
Bürger auf körperlicher Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG beschränkt. Man
nennt das "praktische Konkordanz" - die Grundrechte können jeweils nicht
absolut unbeschränkt sein, weil dadurch andere Grundrechte automatisch
beschränkt wären, die ja auch unbeschränkt sein müßten.

Weil das aber so ausdrücklich nicht im Grundgesetz steht, bedarf es dazu
eines Gesetzes, um das konkret festzulegen. Das ganze sind sozusagen
verfassungsimmanente Schranken, die der Gesetzgeber in Gesetze gießt.

Ohne ein Gesetz, daß das Herbeiführen der Kernexplosion verbietet, wäre
das aber in der Tat erlaubt.

--
( ROT-13 if you want to email me directly: uv...@ervzjrexre.qr )
"Das saarl. VwVfG läßt eine Interpretation deutscher Gesetze nur dann zu,
wenn sie nicht eindeutig sind." Manfred Saar, Präsident Apothekerkammer d.
Saarlandes. heute-journal v. 8. August 2006.

Lars Friedrich

unread,
Jan 21, 2008, 1:02:14 PM1/21/08
to
Ralf Bader schrieb:

>> Folglich ist das Herbeiführen von anderen Kernexplosionen nicht strafbar.
> Es ging nicht darum, ob es irgendwelche Kernexplosionen geben könnte, die
> straffrei herbeigeführt werden können, sondern darum, ob eine Kernexplosion
> deshalb straffrei ist, weil sie der Forschung dient; und das ist nicht der
> Fall, wie man aus den von Dir angeführten Paragraphen sehen kann.

Dann siehst du den Paragraphen falsch.

Da die Herbeiführung einer Kernexplosion gar nicht strafbar ist, braucht
es für die Forschung auch logischerweise keine Ausnahmeregelung. Die
Körperverletzung im Namen der Forschung ist nicht straffrei, denn ein
unversehrter Körper ist ebenfalls ein Grundrecht, so wie die Forschung.
Folglich findet die Herbeiführung einer Kernexplosion zum Zwecke der
Forschung dort ihre Grenze, wo sie mit einem anderen Grundrecht
kollidiert, hier dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Grüße,
Lars Friedrich

Jens Müller

unread,
Jan 21, 2008, 1:10:28 PM1/21/08
to
Mark Obrembalski schrieb:

>
>> Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
>> eingegriffen".
>
> Eingreifen ohne anzutasten?
>
Schwanger vom Nebeneinandersitzen ...

Holger Pollmann

unread,
Jan 21, 2008, 1:16:05 PM1/21/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

>> Kein Grundrecht gilt
>> absolut; es ist sogar theoretisch denkbar, fast alle[1] ersatzlos aus
>> dem Grundgesetz zu streichen.[2] ... [1] Aus Art. 1 III GG ergibt
>> sich, daß es Grundrechte (Plural) geben muß. [2] In Art. 1 II GG ist
>> das Bekenntnis zu Menschenrechten enthalten, so daß auch ein Verzicht
>> auf eine Aufzählung und Regelung einzelner Grundrechte die Bürger
>> (bzw. alle, die sich in Deutschland aufhalten) nicht rechtlos machen
>> könnte; hier würde z.B. die EMRK greifen.
>
> Das ist ja hoch interessant. Und die Rechtsprechung des
> Bundesverfassungsgerichts geht mit Dir darin konform?

Zumindest wird es so gelehrt.

>> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat.
>
> Läßt sich die Funktion der Grundrechte tatsächlich darauf beschränken?

Von Art. 9 III GG abgesehen: ja.

Ronald Becker

unread,
Jan 21, 2008, 1:37:10 PM1/21/08
to
"Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb

> Zumindest wird es so gelehrt.

Nicht 'mal in Gießen!

> >> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat.
> >
> > Läßt sich die Funktion der Grundrechte tatsächlich darauf beschränken?
>
> Von Art. 9 III GG abgesehen: ja.

Schlag' nach bei Jellinek.

--
R.B.

Holger Pollmann

unread,
Jan 21, 2008, 1:46:21 PM1/21/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

>> Zumindest wird es so gelehrt.
>
> Nicht 'mal in Gießen!

Ach? Da muß ich den Herrn Verfassungsrichter nochmal fragen, was er
damals in der kleinen Übung damit gemeint hat...

>>>> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem
>>>> Staat.
>>>
>>> Läßt sich die Funktion der Grundrechte tatsächlich darauf
>>> beschränken?
>>
>> Von Art. 9 III GG abgesehen: ja.
>
> Schlag' nach bei Jellinek.

Daß man aus diesen Ansprüchen gegen den Staat auch eine objektive
"Tendenz" herleitet, die man dann verallgemeinert und als
Relegungsprogramm zugrundelegt, ändert nichts daran, daß ihre Funktion
allein das Einräumen von Ansprüchen ist.

Andreas Galinski

unread,
Jan 21, 2008, 1:49:02 PM1/21/08
to
On Mon, 21 Jan 2008 18:40:00 +0100, "Ronald Becker"
<Ron.B...@freenet.de> wrote:

>> Kein Grundrecht gilt
>> absolut; es ist sogar theoretisch denkbar, fast alle[1] ersatzlos aus
>> dem Grundgesetz zu streichen.[2]
>...
>> [1] Aus Art. 1 III GG ergibt sich, daß es Grundrechte (Plural) geben
>> muß.
>> [2] In Art. 1 II GG ist das Bekenntnis zu Menschenrechten enthalten,
>> so daß auch ein Verzicht auf eine Aufzählung und Regelung einzelner
>> Grundrechte die Bürger (bzw. alle, die sich in Deutschland aufhalten)
>> nicht rechtlos machen könnte; hier würde z.B. die EMRK greifen.
>Das ist ja hoch interessant. Und die Rechtsprechung des
>Bundesverfassungsgerichts geht mit Dir darin konform?

Die Rechtsprechung des BVerfG ist mir in ihrer Gänze nicht unmittelbar
geläufig. Wenn es da also ein anderslautendes Urteil gibt, bin ich für
einen Hinweis dankbar. Allerdings geht der Wortlaut des Grundgesetzes
mit mir darin konform, da die von mir skizzierte GG-Änderung nicht
gegen Art. 79 III GG verstoßen würde: Die Grundrechte selbst
unterliegen nicht dem Änderungsverbot, solange sie nicht komplett
gestrichen werden (wodurch Art. 1 III GG ins Leere laufen würde, was
nicht sein kann).

>> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat.
>Läßt sich die Funktion der Grundrechte tatsächlich darauf beschränken?

Welche andere (juristische) Funktion siehst du noch?

>> Die
>> Menschenwürde hingegen besagt die Achtung und den Schutz des
>> Individuums an sich, ist also quasi die Meta-Ebene.
>Und diese "Meta-Würde" ist dann also kein Grundrecht?

Es gibt unterschiedliche Ansichten dazu, ob die MW ein GR ist oder
nicht. Ich persönlich folge der schon dargelegten Ansicht, daß die MW
ein übergeordnetes Prinzip ist, da sie zwar Ähnlichkeiten mit den GR
aufweist (z.B. die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde), es aber
so große qualitative Unterschiede gibt, daß ich beides nicht in einen
Topf schmeißen will.


Andreas

--
C.J.: "They sent me two turkeys. The most photo-friendly of the two
gets a Presidential pardon and a full life at a children's zoo. The
runner-up gets eaten."
Bartlet: "If the Oscars were like that, I'd watch." ("The West Wing")

Ronald Becker

unread,
Jan 21, 2008, 2:24:14 PM1/21/08
to
"Andreas Galinski" <nutz...@andreas-galinski.de> schrieb

> Allerdings geht der Wortlaut des Grundgesetzes
> mit mir darin konform, da die von mir skizzierte GG-Änderung nicht
> gegen Art. 79 III GG verstoßen würde: Die Grundrechte selbst
> unterliegen nicht dem Änderungsverbot, solange sie nicht komplett
> gestrichen werden (wodurch Art. 1 III GG ins Leere laufen würde, was
> nicht sein kann).

Eben, Art. 19 II GG. Damit ist die behauptete ersatzlose Streichung vom
Tisch.

> Es gibt unterschiedliche Ansichten dazu, ob die MW ein GR ist oder
> nicht.

Der Streit ist primär terminologischer Natur. Die vordringende ist die
Ansicht, die Würdegarantie als Grundrecht zu bezeichnen, da auch die
Einzelgrundrechte meist eine objektiv-rechtliche Dimension aufweisen bzw.
die Würdegarantie konkretisieren.

--
R.B.

Ronald Becker

unread,
Jan 21, 2008, 2:24:52 PM1/21/08
to
"Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb

> Ach? Da muß ich den Herrn Verfassungsrichter nochmal fragen, was er
> damals in der kleinen Übung damit gemeint hat...

Bryde wird es nicht versäumt haben, auf den uneinschränkbaren
Würdekern der Einzelgrundrechte hinzuweisen.

> Daß man aus diesen Ansprüchen gegen den Staat auch eine objektive
> "Tendenz" herleitet, die man dann verallgemeinert und als
> Relegungsprogramm zugrundelegt, ändert nichts daran, daß ihre Funktion
> allein das Einräumen von Ansprüchen ist.

Ihre *Funktion* ist die Gewährleistung von Freiheitsräumen,
Handlungsrichtlinien, Einrichtungsgarantien, Verfahrensgarantien. Ihre
*Durchsetzung* geschieht im Rahmen des Anspruchssystems im Wege eines
Anspruchs.

Dieser Unterscheidung sollte sitzen!

--
R.B.

Andreas Galinski

unread,
Jan 21, 2008, 3:06:44 PM1/21/08
to
On Mon, 21 Jan 2008 20:24:14 +0100, "Ronald Becker"
<Ron.B...@freenet.de> wrote:

>Eben, Art. 19 II GG. Damit ist die behauptete ersatzlose Streichung vom
>Tisch.

Art. 19 II GG fällt nicht unter die Ewigkeitsgarantie und stellt daher
kein Hindernis dar. Darüber hinaus ist 19 II im Zusammenhang mit 19 I
zu lesen, der sich mit Grundrechtseinschränkungen durch Gesetze
befaßt; eine ersatzlose Streichung ist allerdings keine Einschränkung
(denn bei einer Einschränkung bleibt etwas übrig).

>> Es gibt unterschiedliche Ansichten dazu, ob die MW ein GR ist oder
>> nicht.
>Der Streit ist primär terminologischer Natur. Die vordringende ist die
>Ansicht, die Würdegarantie als Grundrecht zu bezeichnen, da auch die
>Einzelgrundrechte meist eine objektiv-rechtliche Dimension aufweisen bzw.
>die Würdegarantie konkretisieren.

Und ich bin der Ansicht, daß das zwar richtig ist, aber zu kurz
greift. Eine eindeutige ja/nein-Antwort gibt es auf die Frage halt
nicht.


Andreas

--
"Der durchschnittliche Ballbesitz in der Liga liegt bei ziemlich
genau 50 Prozent." (bild.de vom 02.10.07)

Ronald Becker

unread,
Jan 21, 2008, 3:28:52 PM1/21/08
to
"Andreas Galinski" <nutz...@andreas-galinski.de> schrieb

> Art. 19 II GG fällt nicht unter die Ewigkeitsgarantie und stellt daher
> kein Hindernis dar.

Offenbar war der Hinweis auf Art. 19 II GG zu schwierig. Ist die
Menschenwürde nach § 79 III GG verfassungsfest und nimmt man einen Würdekern
der Einzelgrundrechte an, so lassen sich die Grundrechte nicht zwanglos
streichen.

> Darüber hinaus ist 19 II im Zusammenhang mit 19 I
> zu lesen, der sich mit Grundrechtseinschränkungen durch Gesetze
> befaßt; eine ersatzlose Streichung ist allerdings keine Einschränkung
> (denn bei einer Einschränkung bleibt etwas übrig).

Das ist falsch. Die schwerste aller Einschränkungen ist die Aufhebung.

> Und ich bin der Ansicht, daß das zwar richtig ist, aber zu kurz
> greift. Eine eindeutige ja/nein-Antwort gibt es auf die Frage halt
> nicht.

Und ich bin der Ansicht, daß so wolkige Umschreibungen wie "Meta-Ebene" die
rechtliche Bedeutung des Art. 1 I GG eher vernebeln.

--
R.B.

Holger Pollmann

unread,
Jan 21, 2008, 3:48:08 PM1/21/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

>> Ach? Da muß ich den Herrn Verfassungsrichter nochmal fragen, was
>> er damals in der kleinen Übung damit gemeint hat...
>
> Bryde wird es nicht versäumt haben, auf den uneinschränkbaren
> Würdekern der Einzelgrundrechte hinzuweisen.

Und Andreas hat das sehr schön erfaßt, als er richtig darauf hinweis,
daß wohl die Art. 2 bis 19 abgeschafft werden könnten, ohne jedoch
dadurch die einzelnen Grundrechte völlig abzuschaffen, weil sich deren
uneinschränkbarer Würdekern auch aus Art. 1 GG ergibt und damit auf
immer erhalten bleibt.

Drum sach ich ja, das sieht auch das BVerfG so.

>> Daß man aus diesen Ansprüchen gegen den Staat auch eine objektive
>> "Tendenz" herleitet, die man dann verallgemeinert und als
>> Relegungsprogramm zugrundelegt, ändert nichts daran, daß ihre
>> Funktion allein das Einräumen von Ansprüchen ist.
>
> Ihre *Funktion* ist die Gewährleistung von Freiheitsräumen,
> Handlungsrichtlinien, Einrichtungsgarantien, Verfahrensgarantien.
> Ihre *Durchsetzung* geschieht im Rahmen des Anspruchssystems im
> Wege eines Anspruchs.
>
> Dieser Unterscheidung sollte sitzen!

Ihre *Funktion* ist die Bereitstellung eines Anspruchs. Aus der
*Tatsache*, daß diese Ansprüche gegeben werden, ergibt sich, daß das
Grundgesetz ein Menschen- und Staatsbild repräsentiert, das die in den
gewährten Ansprüchen zum Ausdruck kommenden Ideen und Ideale schützt
und fordert, was sich dann auch insgesamt auf alles staatliche Handeln
auswirkt.

Ronald Becker

unread,
Jan 21, 2008, 4:30:16 PM1/21/08
to
"Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb

> Und Andreas hat das sehr schön erfaßt, als er richtig darauf hinweis,
> daß wohl die Art. 2 bis 19 abgeschafft werden könnten, ohne jedoch
> dadurch die einzelnen Grundrechte völlig abzuschaffen, weil sich deren
> uneinschränkbarer Würdekern auch aus Art. 1 GG ergibt und damit auf
> immer erhalten bleibt.

Du reimst Dir was zusammen. Lies nach, was Andreas tatsächlich geschrieben
hat: Nach seiner Ansicht ist die Würdegarantie kein bloßes Grundrecht. Da es
aber nach Art. 1 II GG Grundrechte geben müsse, sei die ersatzlose
Streichung der Einzelgarantien nur möglich, indem "z.B. die EMRK" an ihre
Stelle trete. Daß die EMRK gar keinen Verfassungsrang hat, ist ihm offenbar
nicht klar.

> Drum sach ich ja, das sieht auch das BVerfG so.

Das BVerfG hat nirgends behauptet, daß Art. 2 bis 19 GG auch in ihrem
Wesensgehalt abgeschafft werden könnten. Es hat stets das Gegenteil
vertreten.

Dein Argument, die Abschaffung würde sachlich keine Änderung bringen, weil
ja Art. 1 I 1 GG als Auffangtatbestand noch vorhanden sei, führt auch nicht
weiter. Art. 79 III GG verhindert eine Verfassungstextänderung, wenn dadurch
die Würdegarantie berührt werden würde. Die Aufhebung des Art. 4 GG etwa
würde den darin niedergelegten Würdekern tangieren. Daß sich sein Kern
daneben auch aus anderen Verfassungsnormen ergibt, ändert nichts daran. Die
Einzelgrundrechte würden m.E. in ihrem Wesensgehalt über Art. 1 I 1 GG auch
ohne positiv-rechtliche Normierung existieren. Daraus läßt sich aber nicht
rückschließen, daß sie wieder abgeschafft werden könnten, solange Art. 1 I 1
GG existiert.

> Ihre *Funktion* ist die Bereitstellung eines Anspruchs.

Nein. Die Wirkungsdimension der Grundrechte läßt sich nicht auf ein
subjektives Recht reduzieren. Jedes Lehrbuch kann Dich eines Besseren
belehren. Ich bin dazu offenbar nicht in der Lage.

--
R.B.

Gert Schneider

unread,
Jan 21, 2008, 4:37:45 PM1/21/08
to
Andreas Galinski schrieb:

> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat.

Sind Grundrechte nicht eher *Schutzrechte* als Ansprüche?
--
Grüße, Gert

Andreas Galinski

unread,
Jan 22, 2008, 8:53:48 AM1/22/08
to
On Mon, 21 Jan 2008 22:30:16 +0100, "Ronald Becker"
<Ron.B...@freenet.de> wrote:

>Du reimst Dir was zusammen. Lies nach, was Andreas tatsächlich geschrieben
>hat: Nach seiner Ansicht ist die Würdegarantie kein bloßes Grundrecht.

Richtig.

>Da es
>aber nach Art. 1 II GG Grundrechte geben müsse,

Nach Art. 1 III GG.

>sei die ersatzlose
>Streichung der Einzelgarantien nur möglich, indem "z.B. die EMRK" an ihre
>Stelle trete. Daß die EMRK gar keinen Verfassungsrang hat, ist ihm offenbar
>nicht klar.

Doch, ist es, deshalb habe ich ja auch nichts von einem
Verfassungsrang geschrieben.

Wenn auf Art. 1 GG keine Grundrechte folgen, läuft Art. 1 III "Die
nachfolgenden Grundrechte ..." ins Leere, was ich als durch Art. 79
III GG verbotene Berührung eines niedergelegten Grundsatzes betrachte.
Damit ist aber keine Aussage über die Anzahl getroffen; der verwendete
Plural deutet lediglich darauf hin, daß es mindestens zwei sein
sollten. Nehmen wir also mal an, das GG sei dahingehend geändert
worden, daß es nur noch die Grundrechte A und B explizit benennt.
Hieße das, daß es nur noch diese beiden Rechte gibt? Nein, denn Art. 1
II GG bekennt sich etwas vage zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten. Wenn wir uns auf die Suche nach solchen begeben,
stoßen wir rasch auf die EMRK, bei der Deutschland praktischerweise
Vertragspartei ist und die hier zwar formal den Rang eines einfachen
Gesetzes hat, zu der das BVerfG aber irgendwann entschieden hat, daß
deutsche Gesetze in ihrem Sinne auszulegen sind. Sie ist also Teil der
Rechtsordnung und im Prinzip eine Art Zwitterwesen zwischen der
Gesetzes- und der Verfassungsebene. Wenn wir es nun mit dem nicht mehr
im GG normierten Menschen-/Grundrecht C zu tun hätten, wäre dieses
nicht obsolet, sondern ließe sich über den "Umweg" EMRK heranziehen.
Das wäre nicht ganz so bequem wie einfach auf die Buchstaben der
Verfassung verweisen zu können, aber es wäre argumentativ möglich.
Statt der EMRK ließen sich über Art. 1 II GG auch andere
Menschenrechtsproklamationen heranziehen; die Klärung ihrer
Verbindlichkeit wäre allerdings etwas aufwändiger.

>> Drum sach ich ja, das sieht auch das BVerfG so.
>Das BVerfG hat nirgends behauptet, daß Art. 2 bis 19 GG auch in ihrem
>Wesensgehalt abgeschafft werden könnten. Es hat stets das Gegenteil
>vertreten.

Hast du dazu eine Entscheidung parat?

>Dein Argument, die Abschaffung würde sachlich keine Änderung bringen, weil
>ja Art. 1 I 1 GG als Auffangtatbestand noch vorhanden sei,

Ich habe auch nichts von der MW als "Auffangtatbestand" geschrieben.
Ich glaube beispielsweise nicht, daß es möglich wäre, etwa das
Postgeheimnis oder die Wissenschaftsfreiheit mal eben so aus der MW zu
extrapolieren.

>führt auch nicht
>weiter. Art. 79 III GG verhindert eine Verfassungstextänderung, wenn dadurch
>die Würdegarantie berührt werden würde. Die Aufhebung des Art. 4 GG etwa
>würde den darin niedergelegten Würdekern tangieren.

Art. 79 III GG sagt nichts von irgendeiner abstrakten "Würdegarantie",
sondern er schützt Art. 1 GG und damit u.a. ganz konkret die
Menschenwürde. Ich halte es für einen unzulässigen inflationären
Gebrauch der MW, aus den Grundrechten quasi Filialen der MW zu machen,
deren Schließung die MW automatisch beeinträchtigen würde. Man muß
z.B. auch beachten, daß der Grundgesetzgeber ausdrücklich nur zwei
Artikel geschützt hat. Hinterher zu argumentieren, daß er damit
eigentlich auch noch fast zwei Dutzend andere meinte, leuchtet mir
nicht ein.


Andreas

--
Lorelai: "I still can't get over that I'm related to God. It's gonna
make getting Madonna-tickets so much easier." ("Gilmore Girls")

Mark Obrembalski

unread,
Jan 22, 2008, 10:29:39 AM1/22/08
to
Lothar Frings wrote:

>> Lothar Frings wrote:
>> > Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz
>> > wird durch Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.
>>
>> Nein, warum? Der bezieht sich nur auf die Lehre, weder auf Kunst noch
>> auf Forschung.
>
> Demnach sind Kunst und Forschung nicht ans GG gebunden
> und dürfen also dagegen verstoßen?

Nein, das habe ich nicht behauptet.

>> > Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
>> > ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.
>>
>> Koalitionsfreiheit ist aber Art. 9(3).
>
> Kein Problem. Gesetz machen, das derartige Koalitionen
> unter Absatz 2 fallen läßt -> Feierabend.

Art. 9 III ist als Spezialnorm nicht von dieser Einschränkung der
allgemeinen Vereinigungsfreiheit betroffen.

>> > "Würde des Menschen" ist dagegen beliebig umdefinierbar.
>>
>> Nein.
>
> Bisßchen knappes Argument. Also - wo ist unabänderlich
> und absolut nicht interpretierbar festgelegt, was der Staat
> als "Würde" anerkennt?

Nirgends. Zwischen "absolut nicht interpretierbar" und "beliebig
umdefinierbar" liegen Welten. Mehr als genug Welten, um den Begriff der
Menschenwürde aufzunehmen.

>>
>> > Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
>> > eingegriffen".
>>
>> Eingreifen ohne anzutasten?
>
> Aber sicher. Reine Definitionssache.

Nein, so funktioniert Rechtsauslegung nicht.

Message has been deleted

Ronald Becker

unread,
Jan 22, 2008, 11:14:21 AM1/22/08
to
"Andreas Galinski" <nutz...@andreas-galinski.de> schrieb

> Wenn auf Art. 1 GG keine Grundrechte folgen, läuft Art. 1 III "Die
> nachfolgenden Grundrechte ..." ins Leere, was ich als durch Art. 79
> III GG verbotene Berührung eines niedergelegten Grundsatzes betrachte.

Verstehe. Allerdings spricht der Wortlaut des Art. 79 III GG von den
"niedergelegten Grundsätzen". Es kommt also weniger auf den Wortlaut des
Art. 1 III GG, als vielmehr auf das darin erwähnte Prinzip der
Grundrechtsbindung des Staates an. Dieses Prinzip wäre auch gewährleistet,
wenn die Verfassung auf positiv-rechtliche Einzelgewährleistungen
verzichtete und vielmehr wesentliche Grundrechtspositionen allein aus Art. 1
I 1 GG herausholen würde. Art. 79 III GG stellt also keineswegs einen
numerus clausus der Grundrechte sicher. Insoweit besteht auch gar kein
Dissens zwischen uns.

Uns unterscheidet die Antwort auf die Frage, ob eine bereits bestehende
Einzelgarantie unter den Voraussetzungen des Art. 79 GG abgeschafft werden
kann.

Das heißt beileibe nicht, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber an Art. 19
II GG gebunden wäre. Wenn auch der Wesensgehalt eines Grundrechts nicht mit
dem Würdegehalt eines Grundrechts identisch ist, so ist doch der Würdegehalt
in vielen Fällen mit dem relativen Wesensgehalt weitgehend kongruent. Das
BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des großen
Lauschangriffs nochmals betont, daß ein Eingriff des verfassungsändernden
Gesetzgebers dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn er den Wesensgehalt
eines Grundrechts antastet und dadurch zugleich seinen Würdekern berührt.

> >Das BVerfG hat nirgends behauptet, daß Art. 2 bis 19 GG auch in ihrem
> >Wesensgehalt abgeschafft werden könnten. Es hat stets das Gegenteil
> >vertreten.
>
> Hast du dazu eine Entscheidung parat?

Siehe oben. Nur dann, wenn ein Grundrecht im Einzelfall keinen Würdekern
enthält, ist der verfassungsändernde Gesetzgeber in seiner
Grundrechtsgestaltung frei, siehe etwa die Entscheidung zur
Verfassungsmäßigkeit des neuen Art. 16 a GG.

> Ich habe auch nichts von der MW als "Auffangtatbestand" geschrieben.
> Ich glaube beispielsweise nicht, daß es möglich wäre, etwa das
> Postgeheimnis oder die Wissenschaftsfreiheit mal eben so aus der MW zu
> extrapolieren.

Ich dagegen halte die Kommunikationsverfassung für hochgradig würdegetränkt!

--
R.B.

Lothar Frings

unread,
Jan 22, 2008, 11:26:54 AM1/22/08
to
Mark Obrembalski tat kund:

> Zwischen "absolut nicht interpretierbar" und "beliebig
> umdefinierbar" liegen Welten. Mehr als genug Welten, um den Begriff der
> Menschenwürde aufzunehmen.

Dazwischen liegt gar nichts. Irgendjemand hat die
Deutungshoheit und legt fest, was mit der
Menschenwürde vereinbar ist und was nicht.
Dieser Jemand hat keinerlei Grenzen - wer sollte
die ziehen? Folglich kann dieser Jemand heute
dies und morgen das für menschenwürdig
erklären, ganz nach Belieben. Wer will ihn daran hindern?

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 11:30:44 AM1/22/08
to

Martin Schneider schrieb:
> Heise Newsticker von heute, Zitiert wird Innenminister Schäuble:


>
> "Im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht befand der Innenminister,
> ohne die Menschenwürde auszunehmen: "Alle grundrechtlich geschützten
> Bereiche enden irgendwo". Wo diese Grenzen liegen, ist seiner Ansicht
> nach "Sache des Gesetzgebers""

Ein Skandal sondergleichen.
Ich war da bis jetzt immer noch verhalten, aber nun sage ich definitiv:
Schäuble ist gefährlich, dieser Mann gehört weg.
Wäre das die gesamte Haltung der CDU, wäre die Partei als
verfassungsfeindlich zu bezeichnen und zu verbieten.
Adenauer, der so stark auf die Menschenwürde gesetzt hatte und schon
frühzeitig, lange vor Einführung des Grundgesetzes darüber gearbeitet
hatte, wäre entsetzt.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 11:42:45 AM1/22/08
to
Hi,

Wolfram Heinrich schrieb:


> Ich mag den Schäuble ja nicht so sehr, aber wo er recht hat, hat er recht.

Mag sein, aber da hat er nicht recht und wo er Unrecht hat, hat er Unrecht.

> Hinter allen Grundrechten steht die Einschränkung: Dieses Recht kann nur
> aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

Nein. Nicht hinter allen. Für Achtung und Schutz der Menschenwürde aus
Artikel 1 I GG gilt das nicht.
Die Menschenwürde ist unantastbar und kann auf keinen Fall eingeschränkt
werden, auch und schon gar nicht durch Gesetz. Dies ist im Grundgesetz
unabänderlich durch Artikel 79 III geschützt.


> Na ja, und wenn die Grundrechte eingeschränkt sind, ist es mit der
> Menschenwürde so rasend weit auch nicht mehr her.

Doch. In jedem Grundrecht ist ein Menschenwürdekern enthalten, der in
jedem Fall geschützt wird.
Die konkretisierten Grundrechte sind letztenendes alles Ausflüsse - auch
- aus der Menschenwürde, stellen aber nicht mehr den Menschenwürdekern
dar. So haben das Recht auf Eigentum oder die allgemeine
Handlungsfreiheit natürlich einen Bezug zur Menschenwürde.
Es würde gegen die Achtung der Menschenwürde verstoßen, wenn diese
Elemente überhaupt nicht als Grundrecht vorhanden wären. Es fällt aber
nicht in den Schutzbereich der Menschenwürde, jemanden beklauen zu
dürfen. Der Staat darf das deshalb verbieten. Das macht er über
Eingriffsmöglichkeiten, die in den konkretisierten Grundrechtsartikeln
normiert sind - aufgrund von Gesetzen. Sie dürfen aber nicht beliebig
weit gehen, sondern nur soweit, wie es verhältnismäßig ist, und darüber
erhält man letztenendes auch den Menschenwürdekern.
Die Menschenwürde selbst, aus Artikel 1 I, hat einen sehr engen
Schutzbereich.
Er ist nur dann betroffen, wenn direkt die Menschenwürde betroffen ist.
Also ist das sehr selten der Fall (etwa Todesstrafe, Sklaverei, Folter
etc.). Aber wenn das der Fall ist, dann sind Eingriffe NIEMALS
rechtfertigbar, auch nicht durch Gesetz, selbst wenn es 100%ige
Zustimmung in Bundesrat und Bundestag erhalten hätte.
Das sieht die Verfassungsordnung so vor und muss es vorsehen.
Schäuble weiß das ganz genau und versucht jetzt Wege und Mittel zu
finden, das zu ändern. Er darf es aber nicht. Er will das tragende
Grundprinzip des Grundgesetzes und damit der von ihm sonst oft
beschworenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung zerstören.
Daher ist er als Minister nicht mehr tragbar, denn er hat einen Eid auf
die Verfassung geschworen.


> Das steht zwar so nicht
> im Grundgesetz, aber zwei und zwei ergibt recht häufig vier.

Da siehst Du mal, dass diese Analogie überhaupt nicht taugt.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 11:46:11 AM1/22/08
to
>
> Nein, nicht bei allen. Bei Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kunst- und
> Wissenschaftsfreiheit oder Koalitionsfreiheit fehlen solche
> Einschränkungen etwa.

Normiert ja, faktisch nein.
Als Einbruchstelle sehen Rechtswissenschaften und
Bundesverfassungsgericht zum einen kollidierendes Verfassungsrecht, als
auch die Religionsartikel 136-141 der Weimarer Reichsverfassung, die
über Artikel 140 GG inkludiert sind.

> "unantastbar" ist eine ziemlich klare Ansage.

Nicht nur ziemlich. Klar und eindeutig.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 11:51:32 AM1/22/08
to
>
> Glaubensfreiheit: Klar, jeder darf glauben, was er will.
> Solange es keine praktischen Auswirkungen hat.

Nein, das ist damit nicht gemeint, die Glaubensfreiheit nach innen ist
ohnehin immer gewährleistet.
Es geht schon um die praktischen Auswirkungen der Religions- und
Bekenntnisfreiheit, auch um die Ausübung.
Hier hat Mark zunächst insofern Recht, dass Artikel 4 keine gesetzliche
Eingriffsermächtigung enthält.
Dennoch gibt es Möglichkeiten, wie ich es im vorigen Posting erläutert
habe.

> Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz
> wird durch Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.

Nein, wird es nicht. Um das zu verstehen, solltest Du mal in ein Buch
über Grundrechte hineinschauen.


> Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
> ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.

Nein, das kann es nicht. Auch dazu solltest Du etwas lesen, bevor Du
diesen Schwachsinn behauptest.

> "Würde des Menschen" ist dagegen beliebig umdefinierbar.

Nein, ist es nicht beliebig. Allerdings gibt es mehrere Möglichkeiten,
von denen sich einige etabliert haben.

> Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
> eingegriffen".

Nein, eben nicht. Wieder behauptest Du was, wovon Du keine Ahnung hast.
Mark hat es gesagt: Unantastbar heißt unantastbar, selbst unter Juristen.
Hier existiert ein absolutes Eingriffsverbot.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 11:57:17 AM1/22/08
to
Hi,

Lothar Frings schrieb:


>> Nein, warum? Der bezieht sich nur auf die Lehre, weder auf Kunst noch
>> auf Forschung.
>
> Demnach sind Kunst und Forschung nicht ans GG gebunden

> und dürfen also dagegen verstoßen? Wo hast du denn
> das her?

Das hat er überhaupt nicht behauptet und seine Anmerkung war natürlich
korrekt.
Auch Kunst und Forschung sind ans Grundgesetz gebunden, hier bildet
kollidierendes Verfassungsrecht eine Eingriffsmöglichkeit. Also Schutz
anderer Grundrechte. Forschung und Kunst, die die Menschenwürde verletzt
oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann entsprechend verboten
werden.

>>> Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
>>> ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.

>> Koalitionsfreiheit ist aber Art. 9(3).
>
> Kein Problem. Gesetz machen, das derartige Koalitionen
> unter Absatz 2 fallen läßt -> Feierabend.

Was Du Dir so alles ausdenkst...

>> Nein.
>
> Bisßchen knappes Argument.

Reicht aber.

Also - wo ist unabänderlich
> und absolut nicht interpretierbar festgelegt, was der Staat
> als "Würde" anerkennt?

Das ist überhaupt nicht festgelegt. Außer in den Urteilen des
Bundesverfassungsgerichts, die sind dahingehend bindend, auch gegenüber
dem Staat. Es gibt hier allerdings trotz aller Diskussion einen Konsens
darüber, was an konkreten Beispielen in jedem Fall darunter verstanden
werden muss.

>
> Aber sicher. Reine Definitionssache.
> Schon heute darf man dich einsperren, erschießen,
> verprügeln, mit Tränengas traktieren, ohne Festnahme
> wegschließen, wenn Bush kommt - alles kein Problem.

Bißchen einfach das ganze und ohne Verbindung zum Diskussionspunkt
Schutz der Menschenwürde.
Wie gesagt, lies mal ein Buch dazu.

Lothar Frings

unread,
Jan 22, 2008, 12:04:22 PM1/22/08
to
Torben Anschau tat kund:

> > Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz
> > wird durch Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.
>
> Nein, wird es nicht. Um das zu verstehen, solltest Du mal in ein Buch
> über Grundrechte hineinschauen.

Kunst und Wissenschaft sind enweder frei oder ans
GG gebunden. Beides geht nicht.

>
> > Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
> > ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.
>
> Nein, das kann es nicht. Auch dazu solltest Du etwas lesen, bevor Du
> diesen Schwachsinn behauptest.

Wenn die Große Koalition ein Strafgesetz macht, das die
Linkspartei verbietet - wer wird sie daran hindern? Dein Buch?

>
> > "Würde des Menschen" ist dagegen beliebig umdefinierbar.
>
> Nein, ist es nicht beliebig. Allerdings gibt es mehrere Möglichkeiten,
> von denen sich einige etabliert haben.
>
> > Und notfalls wird nicht "angetastet", sondern "berechtigt
> > eingegriffen".
>
> Nein, eben nicht. Wieder behauptest Du was, wovon Du keine Ahnung hast.
> Mark hat es gesagt: Unantastbar heißt unantastbar, selbst unter Juristen.
> Hier existiert ein absolutes Eingriffsverbot.

Also definieren wir die Würde passend.
Menschen jahrelang einzusperren, tastet die Würde
nicht an, denn der Staat tut es dauernd. Menschen zu
erschießen, auch nicht, denn das darf in Notwehr
sogar jeder. Angenommen, Schäuble richtet
Konzentrationslager nach Nazi-Muster
ein. Tastet das die Würde an? Und wer legt das fest?
Das BVerfG? Dahin hat Schäuble rechtzeitig passende
Richter lanciert. Und nun?

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 12:11:13 PM1/22/08
to

Lothar Frings schrieb:

Es ist ein mehrköpfiges Kollegium, dass dies letztverbindlich
entscheidet; hohe Bundesrichter und angesehenste Rechtsexperten. Sie
müssen abstimmen. Würde dies offensichtlich und grob falsch erfolgen,
gäbe es auch hier Möglichkeiten der rechtlichen Verfolgung.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 12:16:03 PM1/22/08
to
Hi.

Wolfram Heinrich schrieb:

> Bei der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit habe ich die Einschränkung auf
> Anhieb gefunden:

Tolle Leistung.

> Und dann das elementarste aller Menschenrechte, das Recht auf Leben:

Es ist nicht das elementarste, das elementarste steht in Artikel 1
Absatz 1.

> Artikel 2
> (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die
> Freiheit der Person ist unverletzlich. *In diese Rechte darf nur auf Grund
> eines Gesetzes eingegriffen werden*.
> Auch leben darfst du nur solange, als du Ansprüchen des Staates nicht im
> Weg stehst.

Das steht da aber nicht und ist deshalb auch falsch.

> Ohne Recht auf Leben, das antastbar ist, ist die Menschenwürde ebenfalls
> doch sehr antastbar geworden.

Genau deswegen gibt es ja auch das Recht auf Leben, in das nur in ganz
bestimmten Extremfällen rechtmäßig eingegriffen werden und zwar stets
so, dass die Menschenwürde nicht angetastet wird.
Deswegen gibt es unter ganz engen Voraussetzungen finale
Rettungsschüsse, aber keine Todesstrafe.
Und das darf der Staat auch durch Gesetzänderungen nicht beliebig
verändern.
Er darf nicht erlauben, dass dadurch die Menschenwürde angetastet wird,
außerdem muss es verhältnismäßig sein. Das heißt
- legitimer Zweck
- Geeignetheit
- Erforderlichkeit
- Angemessenheit im engeren Sinn.

Und da werden in den meisten Fällen Gesetze zur Tötung durch den Staat
durchfallen.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 12:17:09 PM1/22/08
to
> Trotzdem dürfte die Freiheit der Forschung nicht grenzenlos sein. Oder ist
> etwa das Herbeiführen einer Kernexplosion zulässig, wenn es
> Forschungszwecken dient?

Nein, Du hast Recht.
Stichwort kollidierendes Verfassungsrecht.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 12:36:31 PM1/22/08
to
Hi,

Lars Friedrich schrieb:
> Ralf Bader schrieb:


>> Trotzdem dürfte die Freiheit der Forschung nicht grenzenlos sein. Oder
>> ist
>> etwa das Herbeiführen einer Kernexplosion zulässig, wenn es
>> Forschungszwecken dient?
>

> Hättest ja wenigstens den Paragraphen selber lesen können.

Ist aber nicht die Antwort auf Ralfs Frage.

>
> "Wer es unternimmt, durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion
> herbeizuführen und [sic] dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen
> oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden [sic], wird mit
> Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft."
>
> "Wer durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeiführt und
> dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von
> bedeutendem Wert fahrlässig gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von
> einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft."
>
>
> Folglich ist das Herbeiführen von anderen Kernexplosionen nicht strafbar.

Du hast jetzt Normen aus dem Strafrecht zitiert, gegenüber denen das
Verfassungsrecht natürlich vorrangig ist.
Als Erklärung hilft es daher für gar nix. Aber als Beispiel taugt es.
Wenn ein Wissenschaftler durch seine Forschungstätigkeit eine
Kernexplosion herbeiführt und dadurch Gefährdungen verursacht, wird er
deshalb auch bestraft.
Die Frage ist nun, weshalb das zulässig ist.
Eine direkte grundgesetzliche Eingriffsermächtigung ist nicht vorgesehen.
Wenn dies das einzige Kriterium wäre, wäre das Gesetz nichtig und eine
Bestrafung aufgrunddessen ein verfassungswidriger Eingriff.
Es ist aber nicht so, dass dies das einzige Kriterium ist.
Die von dem Vorfall gefährdeten haben ja auch Grundrechte. So - hier
relevant - das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und Leben,
weiterhin auf Eigentum und so weiter. Weiterhin hat überhaupt der Staat
Vorkehrungen zu treffen, um seine Fortexistenz zu sichern, was auch
Sicherheit und öffentliche Ordnung umfasst. Um dies alles zu
gewährleisten, hat er unter anderem ein Strafrecht geschaffen, muss er
auch, da er ja das Gewaltmonopol hat.
Kollidierendes Verfassungsrecht und Staatszweck/Ziele geben dem Staat
daher vergleichbare Eingriffsmöglichkeiten bei Grundrechtsartikeln, wie
als solche formulierte Eingriffsermächtigungen. Allerdings muss hier
zwischen verschiedenen Grundrechtsgütern abgewogen werden und diese zum
Ausgleich gebracht werden. Und die darauf basierenden
Eingriffsermächtigungen müssen natürlich ihrerseits wieder
verfassungskonform sein. Würde die Strafnorm Wissenschaftler
ausschließen, wäre dies ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsverbot.
Würde die Strafnorm die Todesstrafe oder lebenslänglich ohne
Abmilderungsmöglichkeit vorsehen, wäre sie verfassungswidrig, im zweiten
Fall wegen dem Verhältnismäßigkeitsgebot.

Die Abwägung all dieser Güter und Gebote ist sehr anspruchsvoll und
wurde durch Rechtswissenschaften und Verfassungsrichtern entwickelt,
auch zu einem hohen Niveau gebracht.
Es entsteht aus dem Gefüge der Grundrechtsgüter und der Staatsziele die
freiheitlich-demokratische Grundordnung mit einigen zentralen Prinzipien
und konkreten Ableitungen, eine Werteordnung.
Ihr wesentliches Prinzip ist und bleibt die unabänderliche Verpflichtung
des Staates, die Menschenwürde als unantastbar zu achten und zu schützen.
Deswegen gibt es weder kollidierendes Verfassungsrecht noch eine
Eingriffsermächtigung, die den Staat zu Eingriffen in den
MenschenwürdeKERN autorisieren würde. Im Gegenteil ist es ihm sogar
verboten, den Schutzgehalt des Artikels durch Verfassungsänderung
abzuschwächen.

Genau das will Schäuble nun anscheinend erreichen, deswegen passen ihm
die entsprechenden Aussagen von Papier nicht ins Konzept.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 12:39:03 PM1/22/08
to
Hi,

Holger Pollmann schrieb:
die Grundrechte können jeweils nicht
> absolut unbeschränkt sein, weil dadurch andere Grundrechte automatisch
> beschränkt wären, die ja auch unbeschränkt sein müßten.


Da hier einige Nichtjuristen mitdiskutieren und lesen, solltest Du
vielleicht erwähnen, dass das für Artikel 1 I so nicht gilt.

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 12:46:18 PM1/22/08
to

Ronald Becker schrieb:
> "Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb


>
>> Zumindest wird es so gelehrt.
>
> Nicht 'mal in Gießen!

Doch, zumindest bei Marauhn, da hab ich das gelernt.
Er hat allerdings immer auf den Begriff "Vorstaatlich" abgestellt, was
letztlich auf was ähnliches hinausläuft.
Man bräuchte also auch nicht die EMRK.

Ein Problem gibt es allerdings:
Das was konkret zum Grundrechtekanon gehört, wird in verschiedenen
Rechtsordnungen unterschiedlich gesehen.
Walter Keim macht darauf immer wieder aufmerksam.
Fehlende Normierungen zu Informationsrechten sorgte hierzlande
diesbezüglich für einen sehr schwachen Stand, der auch kaum einklagbar
war. Insofern haben auch die konkretisierenden Grundrechtsartikel eine
besondere Funktion.
Nicht zuletzt auch für den Staat, der vielfach durch die
Eingriffsermächtigungen der konkretisierten Grundrechte erst
verfassungskonform handlungsfähig wird. Man stelle sich vor, man müsste
alles aus Artikel 1 I herleiten.
Dann dürfte der Staat entweder gar nix oder ermüsste zwingend die
Menschenwürde missachten.


>
>>>> Grundrechte regeln Ansprüche des Individuums gegenüber dem Staat.

>>> Läßt sich die Funktion der Grundrechte tatsächlich darauf beschränken?

>> Von Art. 9 III GG abgesehen: ja.
>
> Schlag' nach bei Jellinek.

n' bischen alt oder?
>

Torben Anschau

unread,
Jan 22, 2008, 1:02:34 PM1/22/08
to
> Du reimst Dir was zusammen. Lies nach, was Andreas tatsächlich geschrieben
> hat: Nach seiner Ansicht ist die Würdegarantie kein bloßes Grundrecht.

Andere Baustelle und hat er so nicht gesagt.

Da es
> aber nach Art. 1 II GG Grundrechte geben müsse, sei die ersatzlose
> Streichung der Einzelgarantien nur möglich, indem "z.B. die EMRK" an ihre
> Stelle trete. Daß die EMRK gar keinen Verfassungsrang hat, ist ihm offenbar
> nicht klar.

Darum geht es nicht. Man bräuchte auch nicht die EMRK, um die
Kerngehalte der Einzelgrundrechte beanspruchen zu können. Ihre
positivrechtliche Normierung erleichtert es nur.
Beispiele sind ja die nicht als solche normierten Grundrechte, etwa auf
informationelle Selbstbestimmung.
Die hat man ja auch nicht deshalb, nicht, weil sie nirgendwo stünden.

>> Drum sach ich ja, das sieht auch das BVerfG so.
>
> Das BVerfG hat nirgends behauptet, daß Art. 2 bis 19 GG auch in ihrem
> Wesensgehalt abgeschafft werden könnten. Es hat stets das Gegenteil
> vertreten.

Moment!
Der Wesensgehalt darf nicht angetastet werden. Ob sie nun irgendwo als
Gesetz stehen oder nicht, ist dafür nicht relevant. Solange es 1 I gibt.

> Dein Argument, die Abschaffung würde sachlich keine Änderung bringen, weil
> ja Art. 1 I 1 GG als Auffangtatbestand noch vorhanden sei, führt auch nicht
> weiter. Art. 79 III GG verhindert eine Verfassungstextänderung, wenn dadurch
> die Würdegarantie berührt werden würde. Die Aufhebung des Art. 4 GG etwa
> würde den darin niedergelegten Würdekern tangieren. Daß sich sein Kern
> daneben auch aus anderen Verfassungsnormen ergibt, ändert nichts daran. Die
> Einzelgrundrechte würden m.E. in ihrem Wesensgehalt über Art. 1 I 1 GG auch
> ohne positiv-rechtliche Normierung existieren. Daraus läßt sich aber nicht
> rückschließen, daß sie wieder abgeschafft werden könnten, solange Art. 1 I 1
> GG existiert.

Das ist so formuliert falsch. Artikel 2 bis 19 sind änder und abschaffbar.
Ihre enthaltenen Rechtsgüter sind es jedoch nicht. Die blieben auch dann
erhalten und vom Staat zu respektieren, wenn sie nicht aufgeschrieben sind.

>
> Nein. Die Wirkungsdimension der Grundrechte läßt sich nicht auf ein
> subjektives Recht reduzieren. Jedes Lehrbuch kann Dich eines Besseren
> belehren. Ich bin dazu offenbar nicht in der Lage.

Naja, heutzutage wird Verfassungsrecht als objektives Recht weitgehend
und gut begründet akzeptiert.
Dennoch lässt sich nicht verkennen, dass die Wurzeln zunächst rein
subjektivrechtlicher Natur waren und diese Ordnung auch im Grundgesetz
noch so beabsichtigt war. Die objektivrechtliche Dimension wurde ja erst
später herausinterpretiert. Das wesentliche Moment dabei spielt aber
auch wieder der Schutz des Menschenwürdekerns (weniger die Achtung),
weshalb man m.E. auch die objektivrechtlichen Folgerungen allein durch
die Menschenwürde (nebst den Staatszielen und -Prinzipien) erklären
könnte. Auch dafür bräuchtest Du die konkretisierten Grundrechtsartikel
nicht zwingend.
Wenn Du das Tötungsverbot zwischen Dritten, also Privaten auch aus der
objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte - Ausstrahlungswirkung -
ableiten möchtest, dann bedürftest Du dafür nicht zwingend Artikel 2 I.
Achtung und Schutz der Menschenwürde würden dafür zunächst ausreichen.
Schwierig würde es erst bei der einfachgesetzlichen Normierung, weil es
dann eben keine Ermächtigung dafür gäbe. Ein dann notwendiges
einseitiges Abstellen auf Schutzpflichtdimensionen würde häufig entweder
keine geeigneten oder erforderlichen Mittel erlauben oder Gefahren des
Übermaßes bergen, die kaum justiziabel wären.


>

Ronald Becker

unread,
Jan 22, 2008, 1:30:21 PM1/22/08
to
"Torben Anschau" <muell...@schauan.com> schrieb

> Doch, zumindest bei Marauhn, da hab ich das gelernt.
> Er hat allerdings immer auf den Begriff "Vorstaatlich" abgestellt, was
> letztlich auf was ähnliches hinausläuft.

Daß GR nicht gewährt, sondern gewährleistet werden, bestreite ich doch gar
nicht.

> > Schlag' nach bei Jellinek.
>
> n' bischen alt oder?

Wer? Jellinek? Jellinek ist tot. Seine Statuslehre nicht. Würde man sich
weniger mit Kurzlehrbüchern und mehr mit den Originalen beschäftigen, dann
wäre klar, daß der status negativus kein Abwehranspruch *ist*, sondern ein
solcher aus ihm *abgeleitet* wird. Deshalb ist die klassische
Grundrechtsfunktion auch nicht mit "Anspruch" zu übersetzen. Daß die
objektiv-rechtliche Dimension die subjektiv-rechtliche Seite voraussetzt und
verstärkt, beschreibt lediglich das Verhältnis der klassischen
Grundrechtsfunktion zur modernen Funktionserweiterung.

--
R.B.

Ronald Becker

unread,
Jan 22, 2008, 1:32:15 PM1/22/08
to
"Torben Anschau" <muell...@schauan.com> schrieb

> Andere Baustelle und hat er so nicht gesagt.

Red kein Blech. Natürlich hat er, und sogar bestätigt.

> Darum geht es nicht. Man bräuchte auch nicht die EMRK, um die
> Kerngehalte der Einzelgrundrechte beanspruchen zu können. Ihre
> positivrechtliche Normierung erleichtert es nur.

Das ist auch meine Ansicht. Darum geht der Streit aber nicht.

> Das ist so formuliert falsch. Artikel 2 bis 19 sind änder und abschaffbar.

Das ist, so formuliert, falsch.

> Naja, heutzutage wird Verfassungsrecht als objektives Recht weitgehend
> und gut begründet akzeptiert.
> Dennoch lässt sich nicht verkennen, dass die Wurzeln zunächst rein
> subjektivrechtlicher Natur waren und diese Ordnung auch im Grundgesetz
> noch so beabsichtigt war. Die objektivrechtliche Dimension wurde ja erst
> später herausinterpretiert.

Lies Jellinek, dann wirst auch Du erkennen, daß die klassische
Grundrechtsfunktion in der Gewährleistung eines Zustandes ("status") liegt,
aus dem Abwehr-, Leistungs-, Schutzrechte *abgeleitet* werden. Die
*Funktion* der Religionsfreiheit liegt nicht in der Bereitstellung eines
Abwehrrechts gegen den Staat, sondern in der Gewährleistung eines
Handlungsraums für den Grundrechtsberechtigten. Macht Euch doch endlich
einmal mit den Begrifflichkeiten vertraut, bevor Ihr mich kritisiert.

> Auch dafür bräuchtest Du die konkretisierten Grundrechtsartikel
> nicht zwingend.

Ich behaupte auch nicht, daß die Einzelgewährleistungen zwingend geregelt
sein müssen. Ich behaupte, daß die meisten von ihnen, einmal geregelt, nicht
mehr gestrichen werden können, ohne ihren Menschenwürdekern zu
berühren.

--
R.B.

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 22, 2008, 2:54:31 PM1/22/08
to
Am 21 Jan 2008 17:53:39 GMT schrieb Holger Pollmann:

> Ohne ein Gesetz, daß das Herbeiführen der Kernexplosion verbietet, wäre
> das aber in der Tat erlaubt.

Ob eine herbeigeführt Kernexplosion jetzt nicht auch gegen den Mord- und
Totschlagsparagraphen, sowie gegen andere Strafgesetze verstieße? Außerdem
ist es eh wurscht, wer eine Atombombe zünden kann, den kriegst du mit
Paragraphen sowieso nicht.

Ciao
Wolfram
--
Wenn einem Schriftsteller nichts einfällt, wird er autobiographisch.
HERBERT ROSENDORFER
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 22, 2008, 2:54:36 PM1/22/08
to
Am Mon, 21 Jan 2008 18:21:30 +0100 schrieb Ralf Bader:

> Es ging nicht darum, ob es irgendwelche Kernexplosionen geben könnte, die
> straffrei herbeigeführt werden können, sondern darum, ob eine Kernexplosion
> deshalb straffrei ist, weil sie der Forschung dient; und das ist nicht der
> Fall, wie man aus den von Dir angeführten Paragraphen sehen kann.
>
Nun, in Deutschland hat sich das Problem noch nicht gestellt. In anderen
Ländern (USA, Sowjetunion, China etc.) hat man es schon gemacht. Es muß
halt der Staat machen. Wenn es der Staat macht, paßt es schon.

Ciao
Wolfram
--
Wer früher stirbt, ist länger tot.
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Holger Pollmann

unread,
Jan 22, 2008, 5:28:57 PM1/22/08
to
Lothar Frings <da_l...@gmx.de> schrieb:

>>> Kunst- und Wissenschaftsfreiheit: Art. 5(3), 1. Satz wird durch
>>> Art. 5(3), 2. Satz Makulatur.
>>
>> Nein, wird es nicht. Um das zu verstehen, solltest Du mal in ein
>> Buch über Grundrechte hineinschauen.
>
> Kunst und Wissenschaft sind enweder frei oder ans
> GG gebunden. Beides geht nicht.

Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG bezieht sich nur auf die Lehre, nicht auf Kunst,
Wissenschaft und Forschung. Im übrigen heißt Freiheit, daß man frei von
staatlichen Anordnungen in Bezug auf die Ausübung ist, nicht, daß man frei
von der Beachtung des GG ist.

Lothar Frings

unread,
Jan 23, 2008, 3:06:00 AM1/23/08
to
Holger Pollmann tat kund:

> Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG bezieht sich nur auf die Lehre, nicht auf Kunst,
> Wissenschaft und Forschung. Im übrigen heißt Freiheit, daß man frei von
> staatlichen Anordnungen in Bezug auf die Ausübung ist, nicht, daß man frei
> von der Beachtung des GG ist.

Eben, das steht ja da: Weder Lehre noch Kunst, Wissenschaft
oder Forschung sind frei, denn außer ans GG sind sie - wie
jeder Kleingartenverein - an sämtliche anderen Gesetze
gebunden. Die Religion(sausübung) übrigens auch.

Lothar Frings

unread,
Jan 23, 2008, 3:08:45 AM1/23/08
to
Torben Anschau tat kund:

> Lothar Frings schrieb:
>
> > Mark Obrembalski tat kund:
>
> >> Zwischen "absolut nicht interpretierbar" und "beliebig
> >> umdefinierbar" liegen Welten. Mehr als genug Welten, um den Begriff der
> >> Menschenwürde aufzunehmen.
>
> > Dazwischen liegt gar nichts. Irgendjemand hat die
> > Deutungshoheit und legt fest, was mit der
> > Menschenwürde vereinbar ist und was nicht.
> > Dieser Jemand hat keinerlei Grenzen - wer sollte
> > die ziehen? Folglich kann dieser Jemand heute
> > dies und morgen das für menschenwürdig
> > erklären, ganz nach Belieben. Wer will ihn daran hindern?
>
> Es ist ein mehrköpfiges Kollegium, dass dies letztverbindlich
> entscheidet; hohe Bundesrichter und angesehenste Rechtsexperten. Sie
> müssen abstimmen.

Klar. Und inwiefern kann dieses Kollegium nicht festlegen,
was ihm beliebt?

> Würde dies offensichtlich und grob falsch erfolgen,
> gäbe es auch hier Möglichkeiten der rechtlichen Verfolgung.

Mal davon abgesehen, daß es wohl schwerfallen
würde, etwas als "offensichtlich" nicht menschenwürdig
zu deklarieren - wer täte dies und wer kontrolliert den?

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 5:46:19 AM1/23/08
to
Hi,

Lothar Frings schrieb:


>> Es ist ein mehrköpfiges Kollegium, dass dies letztverbindlich
>> entscheidet; hohe Bundesrichter und angesehenste Rechtsexperten. Sie
>> müssen abstimmen.
>
> Klar. Und inwiefern kann dieses Kollegium nicht festlegen,
> was ihm beliebt?

Insofern als es an die Verfassung gebunden ist.


>
>> Würde dies offensichtlich und grob falsch erfolgen,
>> gäbe es auch hier Möglichkeiten der rechtlichen Verfolgung.
>
> Mal davon abgesehen, daß es wohl schwerfallen
> würde, etwas als "offensichtlich" nicht menschenwürdig
> zu deklarieren - wer täte dies und wer kontrolliert den?

Das kann nach jüngsten Berichten in der Süddeutschen tatsächlich zu
einem Problem werden.
Hätte ich gestern noch nicht gedacht

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 5:50:18 AM1/23/08
to
Hi,

>
> Kunst und Wissenschaft sind enweder frei oder ans
> GG gebunden. Beides geht nicht.

Natürlich geht das.

>>> Koalitionsfreiheit: Art. 9(1) kann beliebig duch Gesetze
>>> ausgehebelt werden, wie Art. 9(2) deutlich aussagt.
>> Nein, das kann es nicht. Auch dazu solltest Du etwas lesen, bevor Du
>> diesen Schwachsinn behauptest.
>
> Wenn die Große Koalition ein Strafgesetz macht, das die
> Linkspartei verbietet - wer wird sie daran hindern? Dein Buch?

Durchaus auch dieses, wenn es das Bundesverfassungsgericht entsprechend
beeinflusst.
Letzteres hat hier die Entscheidungskompetenz

>> Nein, eben nicht. Wieder behauptest Du was, wovon Du keine Ahnung hast.
>> Mark hat es gesagt: Unantastbar heißt unantastbar, selbst unter Juristen.
>> Hier existiert ein absolutes Eingriffsverbot.
>
> Also definieren wir die Würde passend.
> Menschen jahrelang einzusperren, tastet die Würde
> nicht an, denn der Staat tut es dauernd.

Nicht immer und nicht direkt den Würdekern.

>Menschen zu
> erschießen, auch nicht, denn das darf in Notwehr
> sogar jeder.

In extrem seltenen und präzise definierten Ausnahmefällen.

Angenommen, Schäuble richtet
> Konzentrationslager nach Nazi-Muster
> ein. Tastet das die Würde an?

Ja.

Und wer legt das fest?
> Das BVerfG?

Ja.

Dahin hat Schäuble rechtzeitig passende
> Richter lanciert. Und nun?

Ein Problem.

Lothar Frings

unread,
Jan 23, 2008, 5:55:42 AM1/23/08
to
Torben Anschau tat kund:

> Hi,
>
> Lothar Frings schrieb:
>
> >> Es ist ein mehrköpfiges Kollegium, dass dies letztverbindlich
> >> entscheidet; hohe Bundesrichter und angesehenste Rechtsexperten. Sie
> >> müssen abstimmen.
>
> > Klar. Und inwiefern kann dieses Kollegium nicht festlegen,
> > was ihm beliebt?
>
> Insofern als es an die Verfassung gebunden ist.

Bitte den Kontext beachten. Dieses Gremium müßte
bestimmen, was unter "Würde des Menschen" fällt und
was nicht. Das steht nämlich nicht in der Verfassung,
da steht nur der Begriff. Da das Gremium einfach -
z. B. - sagen kann "Folter tastet die Menschenwürde
nicht an", kann es diesen Begriff ganz nach Belieben
auslegen. Dadurch kann alles, was dieses Gremium
will, stattfinden, ohne die Menschenwürde anzutasten.

>
> >> Würde dies offensichtlich und grob falsch erfolgen,
> >> gäbe es auch hier Möglichkeiten der rechtlichen Verfolgung.
>
> > Mal davon abgesehen, daß es wohl schwerfallen
> > würde, etwas als "offensichtlich" nicht menschenwürdig
> > zu deklarieren - wer täte dies und wer kontrolliert den?
>
> Das kann nach jüngsten Berichten in der Süddeutschen tatsächlich zu
> einem Problem werden.
> Hätte ich gestern noch nicht gedacht

Wieso denn nicht? Da der letzte "Kontrolleur" nicht
mehr kontrolliert wird, kann er buchstäblich machen,
was er will.

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 5:56:25 AM1/23/08
to
Hi,

Ronald Becker schrieb:


> Lies Jellinek, dann wirst auch Du erkennen, daß die klassische
> Grundrechtsfunktion in der Gewährleistung eines Zustandes ("status") liegt,
> aus dem Abwehr-, Leistungs-, Schutzrechte *abgeleitet* werden. Die
> *Funktion* der Religionsfreiheit liegt nicht in der Bereitstellung eines
> Abwehrrechts gegen den Staat, sondern in der Gewährleistung eines
> Handlungsraums für den Grundrechtsberechtigten. Macht Euch doch endlich
> einmal mit den Begrifflichkeiten vertraut, bevor Ihr mich kritisiert.

Das verstehe ich wirklich nicht, worin liegt der Unterschied zwischen
der Bereitstellung eines Abwehrrechts und der Gewährleistung eines
Handlungsraums für den Berechtigten. Das sind nach meinem Verständnis
zwei Seiten der selben Medallie?

>Ich behaupte, daß die meisten von ihnen, einmal geregelt, nicht
> mehr gestrichen werden können, ohne ihren Menschenwürdekern zu
> berühren.

Hm. Ich verstehe noch nicht ganz, warum. Hängt ihr Menschenwürdekern
davon ab, dass sie geregelt wurden?

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 6:01:25 AM1/23/08
to
Hi,

> Wer? Jellinek? Jellinek ist tot. Seine Statuslehre nicht. Würde man sich
> weniger mit Kurzlehrbüchern und mehr mit den Originalen beschäftigen, dann
> wäre klar, daß der status negativus kein Abwehranspruch *ist*, sondern ein
> solcher aus ihm *abgeleitet* wird.

Und was IST dann der Status negativus?

Deshalb ist die klassische
> Grundrechtsfunktion auch nicht mit "Anspruch" zu übersetzen.

Ich habe mich zunächst auch an dem Begriff "Anspruch" gestört, bin dann
aber zum Ergebnis gekommen,
dass er im Ergebnis korrekt ist. Ob Du das am Status als solchem
festmachst oder an deren Ableitung ist doch egal, weil hier auf das
Grundrecht bezug genommen wurde.

Carsten Thumulla

unread,
Jan 23, 2008, 6:02:47 AM1/23/08
to
Am Tue, 22 Jan 2008 18:11:13 +0100 schrieb Torben Anschau:

> Es ist ein mehrköpfiges Kollegium, dass dies letztverbindlich
> entscheidet; hohe Bundesrichter und angesehenste Rechtsexperten.

Aus wieviel Leuten der Jemand besteht ist nebensächlich. Je mehr desto
weniger verantwortlich.

> Sie müssen abstimmen. Würde dies offensichtlich und grob falsch
> erfolgen, gäbe es auch hier Möglichkeiten der rechtlichen Verfolgung.

eine reine Illusion


ct
--
Faschingsmotto: Ein Deutschland voller Terrorischten

Lothar Frings

unread,
Jan 23, 2008, 6:04:30 AM1/23/08
to
Torben Anschau tat kund:

> > Also definieren wir die Würde passend.
> > Menschen jahrelang einzusperren, tastet die Würde
> > nicht an, denn der Staat tut es dauernd.
>
> Nicht immer und nicht direkt den Würdekern.

Also - sind wir jetzt von "absolut unantastbar" bei
"nicht immer" und von "Würde" bei "nicht direkt
den Würdekern" gelandet?

>
> >Menschen zu
> > erschießen, auch nicht, denn das darf in Notwehr
> > sogar jeder.
>
> In extrem seltenen und präzise definierten Ausnahmefällen.

Tastet es die Würde nun an oder tut es das
"in extrem seltenen und präzise definierten
Ausnahmefällen" nicht?

>
> Angenommen, Schäuble richtet
>
> > Konzentrationslager nach Nazi-Muster
> > ein. Tastet das die Würde an?
>
> Ja.

Und wenn das BVerfG das Gegenteil sagt?

Carsten Thumulla

unread,
Jan 23, 2008, 6:07:02 AM1/23/08
to

Am Wed, 23 Jan 2008 02:55:42 -0800 schrieb Lothar Frings:
> Torben Anschau tat kund:

>> Lothar Frings schrieb:
>>
>>>> Es ist ein mehrköpfiges Kollegium, dass dies letztverbindlich
>>>> entscheidet; hohe Bundesrichter und angesehenste Rechtsexperten. Sie
>>>> müssen abstimmen.
>>
>>> Klar. Und inwiefern kann dieses Kollegium nicht festlegen, was ihm
>>> beliebt?
>>
>> Insofern als es an die Verfassung gebunden ist.
>
> Bitte den Kontext beachten. Dieses Gremium müßte bestimmen, was unter
> "Würde des Menschen" fällt und was nicht. Das steht nämlich nicht in der
> Verfassung, da steht nur der Begriff. Da das Gremium einfach - z. B. -
> sagen kann "Folter tastet die Menschenwürde nicht an", kann es diesen
> Begriff ganz nach Belieben auslegen. Dadurch kann alles, was dieses
> Gremium will, stattfinden, ohne die Menschenwürde anzutasten.

Und wenn man anfängt, die "Würden" gegeneinander abzuwägen, wie das
gerade in Mode kommt, dann fällt auch diese Schranke.


ct
--
Vor Jahren noch im Kabarett, heute schon Wirklichkeit, die Furzsteuer:
http://www.bwlbote.de/20050929.htm
http://www.bwlbote.de/20030702.htm

Lothar Frings

unread,
Jan 23, 2008, 6:12:35 AM1/23/08
to
Torben Anschau tat kund:

> > Das BVerfG?
>
> Ja.
>
> Dahin hat Schäuble rechtzeitig passende
>
> > Richter lanciert. Und nun?
>
> Ein Problem.

Wieso eigentlich? Daß diese Leute definieren können,
was sie wollen, war ja meine These. Die ist lt. dir
falsch - also droht ja keine Gefahr, oder?

Ronald Becker

unread,
Jan 23, 2008, 7:06:50 AM1/23/08
to
"Torben Anschau" <muell...@schauan.com> schrieb

> Und was IST dann der Status negativus?
>
> Deshalb ist die klassische
> > Grundrechtsfunktion auch nicht mit "Anspruch" zu übersetzen.
>
> Ich habe mich zunächst auch an dem Begriff "Anspruch" gestört, bin dann
> aber zum Ergebnis gekommen,
> dass er im Ergebnis korrekt ist. Ob Du das am Status als solchem
> festmachst oder an deren Ableitung ist doch egal, weil hier auf das
> Grundrecht bezug genommen wurde.

Die Diskussion wurde durch etwas ganz anderes ausgelöst. Ich habe mich nicht
am Begriff "Anspruch" gestört. Denn die Abwehr von Eingriffen erfolgt
selbstverständlich mit den Mitteln des Anspruchsystems. Ich habe mich daran
gestört, daß behauptet wurde, Art. 1 I 1 GG gehöre deshalb nicht zu den
Grundrechten, weil Grundrechte im Gegensatz zu Art. 1 I 1 GG "Ansprüche des
Individuums gegenüber dem Staat" regelten, während die Würdegarantie dagegen
(oder darüberhinaus) eine ontologische Kategorie beschreibt. Daraufhin habe
ich, etwas impertinent, wie ich zugeben will, die Suggestivfrage gestellt,
ob die Einzelgarantien denn tatsächlich nur Ansprüche regelten.

Mit einem Politologen, wie Andreas, hätte das Gespräch auch vernünftig
weitergeführt werden können. Von überraschender Seite wurde ich dann aber am
Kragen gepackt und in die Übung zum kleinen Schein im Öffentlichen Recht
gesteckt. Und nun soll ich auch noch die Statuslehre erläutern. Alles etwas
verwirrend für mich.

--
R.B.

Ronald Becker

unread,
Jan 23, 2008, 7:07:48 AM1/23/08
to
"Torben Anschau" <muell...@schauan.com> schrieb

> Das verstehe ich wirklich nicht, worin liegt der Unterschied zwischen
> der Bereitstellung eines Abwehrrechts und der Gewährleistung eines
> Handlungsraums für den Berechtigten. Das sind nach meinem Verständnis
> zwei Seiten der selben Medallie?

Keine Medaille! Die actio folgt aus dem status. Nicht umgekehrt.

> Hm. Ich verstehe noch nicht ganz, warum. Hängt ihr Menschenwürdekern
> davon ab, dass sie geregelt wurden?

Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben des Art. 79
III GG zu verstoßen?

--
R.B.

Andreas Galinski

unread,
Jan 23, 2008, 9:39:53 AM1/23/08
to
On Wed, 23 Jan 2008 13:07:48 +0100, "Ronald Becker"
<Ron.B...@freenet.de> wrote:

>Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben des Art. 79
>III GG zu verstoßen?

Das halte ich für unmöglich. Allerdings schon mit Blick auf Art. 20 I
GG, da brauchen wir uns über die MW gar nicht erst zu unterhalten.


Andreas

--
Donna (reading): "The process by which a stamp enters circulation begins
with the American Public..."
Josh: "Well, that's always our first mistake." ("The West Wing")

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 12:55:13 PM1/23/08
to
Lothar Frings <da_l...@gmx.de> schrieb:

Klar, wenn du unbedingt polemisch sein willst, kann ich dich nicht
aufhalten, also behaupte den Unsinn ruhig weiter.

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 2:03:53 PM1/23/08
to
Hi,

Ronald Becker schrieb:


> "Torben Anschau" <muell...@schauan.com> schrieb
>
>> Das verstehe ich wirklich nicht, worin liegt der Unterschied zwischen
>> der Bereitstellung eines Abwehrrechts und der Gewährleistung eines
>> Handlungsraums für den Berechtigten. Das sind nach meinem Verständnis
>> zwei Seiten der selben Medallie?
>
> Keine Medaille! Die actio folgt aus dem status. Nicht umgekehrt.

hm... der praktische Unterschied wird mit immer noch nicht klar.


>
>> Hm. Ich verstehe noch nicht ganz, warum. Hängt ihr Menschenwürdekern
>> davon ab, dass sie geregelt wurden?
>
> Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben des Art. 79
> III GG zu verstoßen?

Ich will gar nicht, um das klarzustellen.
Aber es ging durch Gesetz zur Aufhebung des Artikel 5 I 1 GG durch
Zweidrittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag. Es gibt keine Norm, die
dem entgegenstünde, 79 III explizit nicht.

Allerdings hieße das nicht, dass dadurch die materiellen Rechte aus Art.
5 I 1 abgeschafft wären, da Menschenwürde, so wie hier auch Demokratie-
und Rechtsstaatprinzip aus Art. 20 weiterhin Meinungs- und
Informationsfreiheit zwingend erfordern. Und die dürften halt nicht
abgeschafft werden.
>

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 2:06:24 PM1/23/08
to
Hi,

Andreas Galinski schrieb:


> On Wed, 23 Jan 2008 13:07:48 +0100, "Ronald Becker"
> <Ron.B...@freenet.de> wrote:
>
>> Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben des Art. 79
>> III GG zu verstoßen?
>
> Das halte ich für unmöglich. Allerdings schon mit Blick auf Art. 20 I
> GG, da brauchen wir uns über die MW gar nicht erst zu unterhalten.

Moment! Man dürfte den Artikel dennoch abschaffen, das ist ja der Punkt
um den es hier geht.
Zumindest Artikel 79 III steht dem nicht entgegen.
Das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit wäre damit
natürlich dennoch nicht abgeschafft,
da dieses eben vorstaatlich ist und nicht durch den Staat gewährt,
sondern stets respektiert werden muss.

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 2:33:31 PM1/23/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

> Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben des
> Art. 79 III GG zu verstoßen?

Man hole den Kerngehalt der Meinungs(äußerungs)freiheit aus Art. 1 GG.

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 23, 2008, 2:52:47 PM1/23/08
to
Am Tue, 22 Jan 2008 18:16:03 +0100 schrieb Torben Anschau:

>> Und dann das elementarste aller Menschenrechte, das Recht auf Leben:
>
> Es ist nicht das elementarste, das elementarste steht in Artikel 1
> Absatz 1.
>
Na ja, ohne Leben nützt dir die Menschenwürde ziemlich wenig.
Jahrtausendelang haben die Menschen ohne (Recht auf) Menschenwürde gelebt.

>> Artikel 2
>> (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die
>> Freiheit der Person ist unverletzlich. *In diese Rechte darf nur auf Grund
>> eines Gesetzes eingegriffen werden*.
>> Auch leben darfst du nur solange, als du Ansprüchen des Staates nicht im
>> Weg stehst.
>
> Das steht da aber nicht und ist deshalb auch falsch.
>
Wie würdest du obigen Artikel 2, Absatz 2 sonst interpretieren? Ohne diese
Einschränkung wäre Kriegführen doch extrem schwierig.

>> Ohne Recht auf Leben, das antastbar ist, ist die Menschenwürde ebenfalls
>> doch sehr antastbar geworden.
>
> Genau deswegen gibt es ja auch das Recht auf Leben, in das nur in ganz
> bestimmten Extremfällen rechtmäßig eingegriffen werden und zwar stets
> so, dass die Menschenwürde nicht angetastet wird.

Das ist dann wohl eine Sache für Spezialisten. "Ich muß Sie jetzt
umbringen, Herr Müller, werde dabei aber Ihre Menschenwürde
selbstverständlich voll und ganz respektieren."

> Deswegen gibt es unter ganz engen Voraussetzungen finale
> Rettungsschüsse, aber keine Todesstrafe.

Aber Krieg. Und die Todesstrafe ist disponibel.

Ciao
Wolfram
--
Lange bevor man daran dachte, den Menschen künstlich zu erzeugen, konnte
man ihn künstlich beseitigen.
STANISLAW JERZY LEC
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Ronald Becker

unread,
Jan 23, 2008, 3:01:48 PM1/23/08
to
"Andreas Galinski" <nutz...@andreas-galinski.de> schrieb

> Das halte ich für unmöglich. Allerdings schon mit Blick auf Art. 20 I
> GG, da brauchen wir uns über die MW gar nicht erst zu unterhalten.

Ack.

--
R.B.

Ronald Becker

unread,
Jan 23, 2008, 3:02:48 PM1/23/08
to
"Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb

> > Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben des
> > Art. 79 III GG zu verstoßen?
>
> Man hole den Kerngehalt der Meinungs(äußerungs)freiheit aus Art. 1 GG.

Wird Art. 5 I 1 GG gestrichen, wird der durch Art. 5 I 1 GG
verfassungstextlich garantierte unantastbare Kernbereich gestrichen. Daß
sich dieser Kernbereich daneben auch aus anderen Verfassungsnormen herleiten
ließe, ändert nichts an, daß der in Art. 5 I 1 GG enthaltene Kernbereich
durch eine Streichung berührt wird.

Art. 79 III GG besagt nicht, daß nur Art. 1 GG übrig bleiben muß. Art. 79
III GG besagt, daß eine Textänderung dann unzulässig ist, wenn dadurch die
in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden. Wird Art. 5 I 1 GG
gestrichen, werden die in dieser Verfassungsnorm enthaltenen Grundsätze
i.S.d. Art. 1 I 1 GG berührt. Das reicht, um eine solche
Verfassungstextänderung zu verhindern!

--
R.B.

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 3:13:24 PM1/23/08
to
Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:

>> Es ist nicht das elementarste, das elementarste steht in Artikel 1
>> Absatz 1.
>
> Na ja, ohne Leben nützt dir die Menschenwürde ziemlich wenig.
> Jahrtausendelang haben die Menschen ohne (Recht auf) Menschenwürde
> gelebt.

Was ist besser: so lange gequält zu werden, bis man stirbt, oder einfach
nur getötet zu werden?

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 3:18:01 PM1/23/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

>>> Wie willst Du Art. 5 I 1 GG streichen, ohne gegen die Vorgaben
>>> des Art. 79 III GG zu verstoßen?
>>
>> Man hole den Kerngehalt der Meinungs(äußerungs)freiheit aus Art. 1
>> GG.
>
> Wird Art. 5 I 1 GG gestrichen, wird der durch Art. 5 I 1 GG
> verfassungstextlich garantierte unantastbare Kernbereich
> gestrichen.

Nein, keineswegs. Der Kerngehalt der Meinungsfreiheit ist schon aus
Art. 1 GG geschützt. Normalerweise ist Art. 5 I GG spezieller, aber
wenn's den nicht mehr gibt und der Gesetzgeber ein einfaches Gesetz
erlassen wollte, das den Kernbereich der Meinungsfreiheit verletzte,
dann gäbe es nur noch Art. 1 I GG, der das verböte.

> Daß sich dieser Kernbereich daneben auch aus anderen
> Verfassungsnormen herleiten ließe, ändert nichts an, daß der in
> Art. 5 I 1 GG enthaltene Kernbereich durch eine Streichung berührt
> wird.
>
> Art. 79 III GG besagt nicht, daß nur Art. 1 GG übrig bleiben muß.
> Art. 79 III GG besagt, daß eine Textänderung dann unzulässig ist,
> wenn dadurch die in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze berührt
> werden.

Und da mit einer bloßen Streichung von Art. 5 I GG die
Meinungsfreiheit immer noch durch Art. 1 I GG geschützt ist, tritt
kein Problem auf.

Anders dann, wenn Art. 5 I GG so geändert werden soll, daß explizit
verboten werden soll, was zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört.
("Jedem Bürger ist es verboten, eine andere als die staatlich
vorgegebene Meinung zu einem bestimmten Thema zu äußern, zu verbreiten
oder auch nur als die seinige zu begreifen.")

> Wird Art. 5 I 1 GG gestrichen, werden die in dieser
> Verfassungsnorm enthaltenen Grundsätze i.S.d. Art. 1 I 1 GG
> berührt.

Sehe ich nicht so.

Ronald Becker

unread,
Jan 23, 2008, 3:43:32 PM1/23/08
to
"Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb

> Und da mit einer bloßen Streichung von Art. 5 I GG die
> Meinungsfreiheit immer noch durch Art. 1 I GG geschützt ist, tritt
> kein Problem auf.

Es geht nicht darum, ob ein Problem auftritt, sondern ob Art. 79 III GG eine
Verfassungstextänderung toleriert, die den Grundsatz "Würde" in dem zu
ändernden Verfassungstext berührt. Es ist Art. 79 III GG nicht zu entnehmen,
daß Verfassungsnormen so lange zusammengestrichen werden dürfen, bis es ein
Problem mit der Garantie der Menschenwürde gibt.

> > Wird Art. 5 I 1 GG gestrichen, werden die in dieser
> > Verfassungsnorm enthaltenen Grundsätze i.S.d. Art. 1 I 1 GG
> > berührt.
>
> Sehe ich nicht so.

Das kannst Du gar nicht übersehen. Wer Art. 5 I 1 GG streicht, streicht den
darin enthaltenen Kernbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG. Für
Dich ist das nur kein Problem, solange die Meinungsfreiheit in ihrem
Kernbereich noch an anderer Stelle gesichert wird. Das leuchtet mir zwar
ein. Art. 79 III GG besagt aber unzweideutig, daß eine Textänderung nicht
zulässig ist, wenn dadurch Grundsätze tangiert werden, die in Art. 1 GG
niedergelegt sind. Wenn doch aber Art. 5 I 1 GG Grundsätze enthält, die in
Art. 1 GG niedergelegt sind, dann kann Art. 5 I 1 GG nicht gestrichen
werden. Würde man ihn streichen, würde man jene Grundsätze, die in Art. 1 GG
niedergelegt sind, aus Art. 5 I 1 GG streichen. Und das verhindert Art. 79
III GG.

--
R.B.

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 23, 2008, 4:02:04 PM1/23/08
to
Am 23 Jan 2008 20:13:24 GMT schrieb Holger Pollmann:

> Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:
>
>>> Es ist nicht das elementarste, das elementarste steht in Artikel 1
>>> Absatz 1.
>>
>> Na ja, ohne Leben nützt dir die Menschenwürde ziemlich wenig.
>> Jahrtausendelang haben die Menschen ohne (Recht auf) Menschenwürde
>> gelebt.
>
> Was ist besser: so lange gequält zu werden, bis man stirbt, oder einfach
> nur getötet zu werden?

Pardon, ich sehe den Zusammenhang nicht recht. Ich meinte lediglich, das
Leben, bzw. das Recht darauf, sei die schlichte Voraussetzung für
Menschenwürde. Tot bist du halt nur noch organischer Abfall.

Ciao
Wolfram
--
Der Franze hat gsagt, früher wär alles besser gewesen. Das ham, sagt er,
schon die alten Babylonier gesagt.
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 5:28:49 PM1/23/08
to
Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:

>> Was ist besser: so lange gequält zu werden, bis man stirbt, oder
>> einfach nur getötet zu werden?
>
> Pardon, ich sehe den Zusammenhang nicht recht.

Nun, Folter dient allgemein als Musterbeispiel für eine
menschenunwürdige Behandlung.

Wenn nun das Leben das höherwertige Rechtsgut wäre, müßtest du einen Tod
durch lang anhaltende Qual besser finden, weil dadurch der Entzug des
Lebens später eintritt.

Hält man hingegen die Menschenwürde für höherrangig, so ist ein
nichterfolterter Tod besser als einer durch Folter.

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 5:37:58 PM1/23/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

>> Und da mit einer bloßen Streichung von Art. 5 I GG die
>> Meinungsfreiheit immer noch durch Art. 1 I GG geschützt ist, tritt
>> kein Problem auf.
>
> Es geht nicht darum, ob ein Problem auftritt, sondern ob Art. 79
> III GG eine Verfassungstextänderung toleriert, die den Grundsatz
> "Würde" in dem zu ändernden Verfassungstext berührt.

Tut dir angesprochene Änderung aber nicht; der Würdekern der
Meinungsfreiheit ist bei simnpler Abschaffung von Art. 5 I GG weiterhin
durch das Grundgesetz geschützt, so daß der verfassungsändernde
Gesetzgeber nicht gegen Art. 79 III GG verstößt.

> Es ist Art. 79 III GG nicht zu entnehmen, daß Verfassungsnormen so
> lange zusammengestrichen werden dürfen, bis es ein Problem mit der
> Garantie der Menschenwürde gibt.

Die Verfassung darf prinzipiell umfassend geändert werden; die Grenze
ist (bzgl. der Grundrechte) erst erreicht, wenn die in Art. 1 I GG
festgelegten Grundsätze berührt werden. M.E. wäre das der Fall, wenn die
Grundrechte auf ein Maß verringert (oder gar abgeschafft) würden, daß
die Verfassung nicht einmal mehr den Anteil der Grundrechte schützte,
der zum Würdekern gehört.

Solange aber Art. 1 I GG existiert und nicht durch andere
Verfassungsnormen insoweit ausgeschlossen würde, garantiert diese Norm
eben den Würdekern aller Grundrechte, weil dieser Würdekern nichts
anderes als die entsprechende spezifische Facette der Menschenwürde ist.

Die Meinungsfreiheit wird also nicht abgeschafft, wenn man den Wortlaut
von Art. 5 I GG aus dem Grundgesetz entfernt.



>>> Wird Art. 5 I 1 GG gestrichen, werden die in dieser
>>> Verfassungsnorm enthaltenen Grundsätze i.S.d. Art. 1 I 1 GG
>>> berührt.
>>
>> Sehe ich nicht so.
>
> Das kannst Du gar nicht übersehen.

Ich übersehe da nichts.

> Wer Art. 5 I 1 GG streicht, streicht den darin enthaltenen
> Kernbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG.

Du übersiehst was.

Und zwar Art. 1 I GG. Der existiert nämlich in deinem Szenario weiter.

> Für Dich ist das nur kein Problem, solange die
> Meinungsfreiheit in ihrem Kernbereich noch an anderer Stelle
> gesichert wird.

Was der Sinn und Zweck der Formulierung von Art. 79 III GG ist, die sich
ja explizit nicht auf die Grundrechte speziell bezieht. So wäre es m.E.
VÖLLIG unproblematisch, wenn die Art. 5, 6 und 7 abgeschafft und durch
einen Art. 3a GG ersetzt würden, der ein Kombinationsgrundrecht enthält
- es ist dann zwar nicht mehr in Art. 5 GG die Meinungsfreiheit
geschützt, aber sie ist weiterhin geschützt.

Warum der verfassungsändernde Gesetzgeber dann nicht den Schutz der
Meinungsfreiheit durch Art. 1 I GG vornehmen können soll, erschließt
sich mir nicht, und ein Argument dafür hast du auch noch nicht gebracht.

> Das leuchtet mir zwar ein. Art. 79 III GG besagt
> aber unzweideutig, daß eine Textänderung nicht zulässig ist, wenn
> dadurch Grundsätze tangiert werden, die in Art. 1 GG niedergelegt
> sind. Wenn doch aber Art. 5 I 1 GG Grundsätze enthält, die in Art.
> 1 GG niedergelegt sind, dann kann Art. 5 I 1 GG nicht gestrichen
> werden.

Art. 5 GG enthält keine Grundsätze, die in Art. 1 GG niedergelegt sind,
weil diese Grundsätze in Art. 1 GG niedergelegt sind und nicht in
Art. 5 GG. Da steht eben nicht "die in Art. 1 I GG niedergelegten
Grundsätze und ihre in anderen Normen festgelegten Ausprägungen". Die
Grundsätze von Art. 1 I GG müssen erhalten bleiben. Das tun sie, wenn
man Art. 1 GG nicht antastet (also auch keine anderen Normen einbaut,
die Art. 1 GG irgendwie einschränken sollen).

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 23, 2008, 5:57:56 PM1/23/08
to
Am 23 Jan 2008 22:28:49 GMT schrieb Holger Pollmann:

> Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:
>
>>> Was ist besser: so lange gequält zu werden, bis man stirbt, oder
>>> einfach nur getötet zu werden?
>>
>> Pardon, ich sehe den Zusammenhang nicht recht.
>
> Nun, Folter dient allgemein als Musterbeispiel für eine
> menschenunwürdige Behandlung.
>
> Wenn nun das Leben das höherwertige Rechtsgut wäre, müßtest du einen Tod
> durch lang anhaltende Qual besser finden, weil dadurch der Entzug des
> Lebens später eintritt.
>

Das Leben ist nicht alles, aber ohne das Leben ist alles nichts.
Und: Pferden gibt man den Gnadenschuß, Menschen müssen durchhalten bis
zuletzt.

Ciao
Wolfram
--
Wenn ihr's nicht erfühlt, ihr werdet's nicht ergoogeln.
JAY DOUBLEYOU GOETHE
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 7:06:13 PM1/23/08
to
Hi,

Holger Pollmann schrieb:


> Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:
>
>>> Was ist besser: so lange gequält zu werden, bis man stirbt, oder
>>> einfach nur getötet zu werden?
>> Pardon, ich sehe den Zusammenhang nicht recht.
>
> Nun, Folter dient allgemein als Musterbeispiel für eine
> menschenunwürdige Behandlung.

Frage: Ich dachte bisher immer, dass dies als common sense deutscher
Verfassungsrechtler gilt.
Mit Erschrecken lese und höre ich derzeit gegenteiliges. Ich halte das
für eine extrem gefährliche Entwicklung, aber sie scheint auf wachsende
Unterstützung zu stoßen.

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/417538
Prantl erwähnt in diesem Zusammenhang nun sogar Dreier, der als
Bundesverfassungsgerichtspräsident im Gespräch steht. Auch er soll pro
rechtferigender Pflichtenkollision schreiben.
In privaten Diskussionen wurden Zweifel daran laut, ob er das wirklich
so geschrieben hat und Prantl ihm das möglicherweise andichtet.
Weißt Du da zufällig genaueres?
Steht auch Dreier pro rechtfertigender Pflichtenkolllision bei der
Menschenwürde?
So jemand als Verfassungsgerichtspräsident wäre dann tatsächlich ein
Szenario, wie es Lothar Frings beschrieben hat. Andererseits kann ich
mir das beim Renomee Dreiers kaum vorstellen.

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 7:13:39 PM1/23/08
to
Hi,

Ronald Becker schrieb:


> Wird Art. 5 I 1 GG gestrichen, wird der durch Art. 5 I 1 GG
> verfassungstextlich garantierte unantastbare Kernbereich gestrichen.

Nein, eben nicht. Deshalb ginge es ja.

Daß
> sich dieser Kernbereich daneben auch aus anderen Verfassungsnormen herleiten
> ließe, ändert nichts an, daß der in Art. 5 I 1 GG enthaltene Kernbereich
> durch eine Streichung berührt wird.

Er müsste dann anderweitig gewährleistet werden. Dazu bedarf es nicht

Art. 5 I 1 GG.

Unveräußerliche Grundrechte!


>
> Art. 79 III GG besagt nicht, daß nur Art. 1 GG übrig bleiben muß.

Stimmt. Er besagt darüber hinaus, dass Änderungen des Grundgesetzes die
Gliederung des Bundes in Länder, die Mitwirkung der Länder bei der
Gesetzgebung und auch die in Artikel 20 niedergelegten Grundsätze
berührt werden. Das ist eine ganze Menge, weil gerade 20 vieles enthält.
Aber eben nicht mehr. Art. 5 genausowenig wie Art. 28, 35 oder 75 GG.
Das sagt die Ewigkeitsklausel.


Art. 79
> III GG besagt, daß eine Textänderung dann unzulässig ist, wenn dadurch die
> in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden.

Genau. Diese und die anderen aufgeführten.

Wird Art. 5 I 1 GG
> gestrichen, werden die in dieser Verfassungsnorm enthaltenen Grundsätze
> i.S.d. Art. 1 I 1 GG berührt.

So ist das nicht gemeint. Es geht explizit um die in Art. 1 enthaltenen
Grundsätze.
Es geht nicht um die in Art. 5 (unter anderem) daraus abgeleiteten
Folgerungen.
Diese hätten allerdings auch bei Streichung des Artikel 5 Fortbestand.
Deswegen stünde zumindest die Ewigkeitsgarantie nicht dagegen, ihn zu
streichen.

Das reicht, um eine solche
> Verfassungstextänderung zu verhindern!

Nein

Torben Anschau

unread,
Jan 23, 2008, 7:26:29 PM1/23/08
to
Hi,

Holger Pollmann schrieb:


>
> Warum der verfassungsändernde Gesetzgeber dann nicht den Schutz der
> Meinungsfreiheit durch Art. 1 I GG vornehmen können soll, erschließt
> sich mir nicht, und ein Argument dafür hast du auch noch nicht gebracht.


Mir fällt gerade eine Möglichkeit ein, und zwar der Bereich, des
Grundrechtsartikels, der nicht mehr vom Menschenwürdekern oder den
Staatsprinzipien erfasst wird. Wenn es den gibt. Scheint mir aber
durchaus möglich, ganz besonders bei der allgemeinen Handlungsfreiheit.
So wichtig Reiten im Walde sein mag, es zu verbieten wäre kein Verstoß
gegen Achtung oder Schutz der Menschenwürde; selbst der Würdekern der
Handlungsfreiheit ist eher mittelbar betroffen.
Würde 2 I gestrichen, wäre dieses Grundrecht in dieser Breite ("tun und
lassen zu können was man will") nicht mehr gegeben.
Andersherum hätte der Gesetzgeber etwa nicht die Möglichkeit, die
Handlungsfreiheit zu beschränken, da die Menschenwürde ja unantastbar
ist. Er müsste es jedoch tun können, um "die Handlungsfreiheit des
anderen" zu gewähren. Eine öffentliche Ordnung wäre so kaum denkbar.
Striche man also 2 II, dann müsste man notgedrungen Art. 1 antastbar
interpretieren, etwa in Verbindung mit den Staatsprinzipien. Dies bürge
wiederum Gefahren. Wahrscheinlich könnte man so auch nicht den Würdekern
der allgemeinen Handlungsfreiheit sicher schützen.
Dann wären mittelbar die Grundsätze von Artikel 1 berührt.
Ob man nun allerdings 79 III darauf anwenden könnte, da bin ich skeptisch.

Holger Pollmann

unread,
Jan 23, 2008, 7:32:31 PM1/23/08
to
Torben Anschau <muell...@schauan.com> schrieb:

>> Warum der verfassungsändernde Gesetzgeber dann nicht den Schutz
>> der Meinungsfreiheit durch Art. 1 I GG vornehmen können soll,
>> erschließt sich mir nicht, und ein Argument dafür hast du auch
>> noch nicht gebracht.
>
> Mir fällt gerade eine Möglichkeit ein, und zwar der Bereich, des
> Grundrechtsartikels, der nicht mehr vom Menschenwürdekern oder den
> Staatsprinzipien erfasst wird. Wenn es den gibt. Scheint mir aber
> durchaus möglich, ganz besonders bei der allgemeinen
> Handlungsfreiheit.

Klar. Nur: soweit dieser Teil des Grundrechts nicht von der
Menschenwürde geschützt wird, ist m.E. Art. 79 III GG nicht gegen eine
entsprechende GG-Änderung gerichtet. Die Grundrechte in ihrer momentanen
Ausprägung sind änderbar.

> So wichtig Reiten im Walde sein mag, es zu verbieten wäre kein
> Verstoß gegen Achtung oder Schutz der Menschenwürde; selbst der
> Würdekern der Handlungsfreiheit ist eher mittelbar betroffen. Würde
> 2 I gestrichen, wäre dieses Grundrecht in dieser Breite ("tun und
> lassen zu können was man will") nicht mehr gegeben. Andersherum
> hätte der Gesetzgeber etwa nicht die Möglichkeit, die
> Handlungsfreiheit zu beschränken, da die Menschenwürde ja
> unantastbar ist. Er müsste es jedoch tun können, um "die
> Handlungsfreiheit des anderen" zu gewähren.

Es wäre dann nicht mehr die allgemeine Handlungsfreiheit in ganzer
Breite geschützt, sondern eben nur noch solche nicht unter die anderen
grundrechte fallenden Handlungen, die zum Würdekern gehören. Da folglich
auch die anderen Bürger kein Recht auf entsprechende Handlungen haben,
hat der Staat dann problemlos das Recht, da (so gesehen) zusätzliche
Rechte in verhältnismäßiger Weise zuzuteilen.

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 23, 2008, 7:43:57 PM1/23/08
to
Am Thu, 24 Jan 2008 01:06:13 +0100 schrieb Torben Anschau:

> Hi,
>
> Holger Pollmann schrieb:
>> Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:
>>
>>>> Was ist besser: so lange gequält zu werden, bis man stirbt, oder
>>>> einfach nur getötet zu werden?
>>> Pardon, ich sehe den Zusammenhang nicht recht.
>>
>> Nun, Folter dient allgemein als Musterbeispiel für eine
>> menschenunwürdige Behandlung.
>
> Frage: Ich dachte bisher immer, dass dies als common sense deutscher
> Verfassungsrechtler gilt.
> Mit Erschrecken lese und höre ich derzeit gegenteiliges. Ich halte das
> für eine extrem gefährliche Entwicklung, aber sie scheint auf wachsende
> Unterstützung zu stoßen.
>
> http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/417538
> Prantl erwähnt in diesem Zusammenhang nun sogar Dreier, der als
> Bundesverfassungsgerichtspräsident im Gespräch steht. Auch er soll pro
> rechtferigender Pflichtenkollision schreiben.
> In privaten Diskussionen wurden Zweifel daran laut, ob er das wirklich
> so geschrieben hat und Prantl ihm das möglicherweise andichtet.

Das bliebe zu hoffen, aber so wie Prantl es zitiert, scheint er sich das
nicht aus den Fingern gesogen zu haben.

> Weißt Du da zufällig genaueres?
> Steht auch Dreier pro rechtfertigender Pflichtenkolllision bei der
> Menschenwürde?
> So jemand als Verfassungsgerichtspräsident wäre dann tatsächlich ein
> Szenario, wie es Lothar Frings beschrieben hat. Andererseits kann ich
> mir das beim Renomee Dreiers kaum vorstellen.

Warte es ab. Die Garantie für Menschenwürde und Menschenrechte im
Grundgesetz gilt solange, solange dies opportun ist. Es gab vor der
Aufklärung kein allgemeines Recht auf Menschenwürde und es wird sie nicht
mehr geben, wenn sie nicht mehr in den Kram paßt. Und der wäre ein
schlechter Jurist, der nicht auch dafür eine gute Begründung fände. Sie
haben ja jetzt schon eine wunderschöne Terminologie gefunden:
"rechtfertigende Pflichtenkollision".
Für einen Juristen in der Ausbildung wäre es eine wunderbare und erhellende
Aufgabe im Seminar, sich auf der Basis des geltenden Rechts stichhaltige
Begründungen für die aberwitzigsten Dinge einfallen zu lassen.
Wahrscheinlich werden die Jurastudenten vor Schreck erstarren, wenn sie
merken, daß das geht. Es könnte sie (vielleicht) für diese schleichende
Aushöhlung der Grundrechte sensibilisieren.

Merksatz: Jeder Rechtsgrundsatz, im Wortsinne: jeder, steht zur
Disposition.

Ciao
Wolfram
P.S.: Die Sig ist - wie immer - Zufall...
--
Jede Erscheinung beweist ihre Nowendigkeit durch ihr Dasein.
BARUCH DE SPINOZA
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Lothar Frings

unread,
Jan 24, 2008, 2:58:22 AM1/24/08
to
Holger Pollmann tat kund:

> Lothar Frings <da_lo...@gmx.de> schrieb:

> > Eben, das steht ja da: Weder Lehre noch Kunst, Wissenschaft
> > oder Forschung sind frei, denn außer ans GG sind sie - wie
> > jeder Kleingartenverein - an sämtliche anderen Gesetze
> > gebunden. Die Religion(sausübung) übrigens auch.
>
> Klar, wenn du unbedingt polemisch sein willst, kann ich dich nicht
> aufhalten, also behaupte den Unsinn ruhig weiter.

Tut mir leid, ich stehe gerade auf dem Schlauch.
Gegen welche Gesetze dürfen die Genannten
straffrei verstoßen?

Lothar Frings

unread,
Jan 24, 2008, 3:03:28 AM1/24/08
to
Torben Anschau tat kund:

> Frage: Ich dachte bisher immer, dass dies als common sense deutscher
> Verfassungsrechtler gilt.
> Mit Erschrecken lese und höre ich derzeit gegenteiliges. Ich halte das
> für eine extrem gefährliche Entwicklung, aber sie scheint auf wachsende
> Unterstützung zu stoßen.

Wieso gefährlich - die Menschenwürde ist doch unantastbar,
der BVerfG kann sie nicht nach Belieben definieren -
deine Worte. Ich glaube das zwar immer noch nicht,
aber du hast ja die Sachkenntnis. Also kann doch
gar nichts passieren.

Jens Müller

unread,
Jan 24, 2008, 3:08:03 AM1/24/08
to
Lothar Frings schrieb:

>> Angenommen, Schäuble richtet
>>
>>> Konzentrationslager nach Nazi-Muster
>>> ein. Tastet das die Würde an?
>> Ja.
>
> Und wenn das BVerfG das Gegenteil sagt?

Art. 20 Abs. 4 GG.

Lothar Frings

unread,
Jan 24, 2008, 3:12:50 AM1/24/08
to
Jens Müller tat kund:

Der war gut.

Ronald Becker

unread,
Jan 24, 2008, 3:18:26 AM1/24/08
to
"Holger Pollmann" <hi...@uboot.com> schrieb

> Tut dir angesprochene Änderung aber nicht;

Doch. Wer Art. 5 I 1 GG abschafft, der streicht *aus dieser Norm* auch den
Würdekern der Meinungsfreiheit heraus.

> der Würdekern der
> Meinungsfreiheit ist bei simnpler Abschaffung von Art. 5 I GG weiterhin
> durch das Grundgesetz geschützt,

Ich weiß. Der meinungsfreiheitliche Würdekern könnte auch noch an zehn
weiteren Stellen im GG geschützt sein. Es bleibt doch dabei, daß bei einer
Streichung des Art. 5 I 1 GG der meinungsfreiheitliche Würdekern aus Art. 5
I 1 GG gestrichen wird.

> Solange aber Art. 1 I GG existiert und nicht durch andere
> Verfassungsnormen insoweit ausgeschlossen würde, garantiert diese Norm
> eben den Würdekern aller Grundrechte, weil dieser Würdekern nichts
> anderes als die entsprechende spezifische Facette der Menschenwürde ist.
>
> Die Meinungsfreiheit wird also nicht abgeschafft, wenn man den Wortlaut
> von Art. 5 I GG aus dem Grundgesetz entfernt.

Ja. Ich weiß. Das ist aber völlig belanglos, da Art. 79 III GG eine
bestimmte Textänderung verhindert:

(1) Textänderung
Die Streichung des Art. 5 I 1 GG ist eine Änderung des GG.

(2) Grundsatz
Der in Art. 5 I 1 GG enthaltene Würdekern der Meinungsfreiheit ist ein
Grundsatz aus Art. 1 I 1 GG.

(3) Eingriff
Die Streichung greift in die bereichsspezifische Würdegarantie des Art. 5 I
1 GG ein.

(4) Rechtfertigung
Es gibt keine. Nicht einmal der Hinweis, der Würdekern der Meinungsfreiheit
werde noch in Art. 1 oder 20 oder sonstwo im GG garantiert, rechtfertigt
diesen Eingriff in Art. 5 I 1 GG. Denn mit der Streichung wird zwar nicht in
den unveränderten Art. 1 I 1 GG, aber in den Kernbereich des Art. 5 I 1 GG
eingegriffen. Die Anwendungskonkurrenz ist kein Entlastungsargument, weder
für den einfachen noch für den verfassungsändernden Gesetzgeber.

> Du übersiehst was.
>
> Und zwar Art. 1 I GG. Der existiert nämlich in deinem Szenario weiter.

Ich habe bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß redundante
Grundrechtsgarantien nichts an der Verfassungswidrigkeit einer Streichung
des Art. 5 I 1 GG ändern würde.

> Warum der verfassungsändernde Gesetzgeber dann nicht den Schutz der
> Meinungsfreiheit durch Art. 1 I GG vornehmen können soll, erschließt
> sich mir nicht, und ein Argument dafür hast du auch noch nicht gebracht.

Das brauche ich auch nicht. Du solltest endlich zur Kenntnis nehmen, daß die
Behauptung, Art. 5 I 1 GG enthalte einen Würdekern der Meinungsfreiheit,
denklogisch mit der Vorstellung einhergeht, Art. 1 I 1 GG enthalte ebenfalls
diese Würdegarantie. Ich habe bereits ausdrücklich erklärt, daß dieses
Mindestmaß an Meinungsfreiheit auch ohne Art. 5 I 1 GG garantiert wäre.
Daraus allerdings zu schließen, daß Art. 5 I 1 GG auch wieder gestrichen
werden könnte, ist ein Kurzschluß.

> Art. 5 GG enthält keine Grundsätze, die in Art. 1 GG niedergelegt sind,
> weil diese Grundsätze in Art. 1 GG niedergelegt sind und nicht in
> Art. 5 GG.

Der Grundsatz der Meinungsfreiheit als Ausprägung der Menschenwürde, der in
Art. 1 I 1 GG niedergelegt ist, ist deshalb nicht in Art. 5 I 1 GG
enthalten, weil er in Art. 1 I 1 GG niedergelegt ist? Na, denn...

> Da steht eben nicht "die in Art. 1 I GG niedergelegten
> Grundsätze und ihre in anderen Normen festgelegten Ausprägungen". Die
> Grundsätze von Art. 1 I GG müssen erhalten bleiben. Das tun sie, wenn
> man Art. 1 GG nicht antastet (also auch keine anderen Normen einbaut,
> die Art. 1 GG irgendwie einschränken sollen).

Du liest Art. 79 III GG so, als dürfte der verfassungsändernde Gesetzgeber
Art. 1 GG nicht antasten. Tatsächlich steht dort, daß der
verfassungsändernde Gesetzgeber die Grundsätze nicht antasten darf, die in
Art. 1 I 1 GG niedergelegt sind. Wenn aber Art. 5 I 1 GG eine Ausprägung der
Menschenwürde enthält, dann wird bei einer Streichung der Würdegehalt in
Art. 5 I 1 GG tangiert. Und da dieser bereichsspezifische, konkretisierte
Würdegehalt zu jenen Grundsätzen gehört, der in Art. 1 I 1 GG niedergelegt
wurden, darf der verfassungsändernde Gesetzgeber eine solche Textänderung
nicht vornehmen.

--
R.B.

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Torben Anschau

unread,
Jan 24, 2008, 5:08:24 AM1/24/08
to

Lothar Frings schrieb:

So war das auch immer, aktuelle Entwicklungen zeigen aber, dass Deine
Sorge nicht ganz unberechtigt ist.

Lothar Frings

unread,
Jan 24, 2008, 5:23:39 AM1/24/08
to
Torben Anschau tat kund:

> Lothar Frings schrieb:

> > Wieso gefährlich - die Menschenwürde ist doch unantastbar,


> > der BVerfG kann sie nicht nach Belieben definieren -
> > deine Worte. Ich glaube das zwar immer noch nicht,
> > aber du hast ja die Sachkenntnis. Also kann doch
> > gar nichts passieren.
>
> So war das auch immer, aktuelle Entwicklungen zeigen aber, dass Deine
> Sorge nicht ganz unberechtigt ist.

Sie ergibt sich unausweichlich aus dem GG,
das sich langsam als die Makulatur erweist, die
es schon immer war.
Da steht ein auslegungsfähiger Begriff drin
("Menschenwürde"). Wenn der einem im Weg
ist, behauptet man einfach, daß das, was man
vorhat, diese Würde nicht tangiert. Durch
passendes Zurechtdefinieren ist absolut alles
erlaubt.
Ich glaube, daß wir unter "Die können nicht"
einfach etwas verschiedenes verstehen: Für
dich heißt das "Die werden schon nicht",
für mich "Es ist ihnen unmöglich oder
wenigstens verboten".

Torben Anschau

unread,
Jan 24, 2008, 6:31:07 AM1/24/08
to
Hi,

Lothar Frings schrieb:


> Sie ergibt sich unausweichlich aus dem GG,
> das sich langsam als die Makulatur erweist, die
> es schon immer war.

Logischer Widerspruch.

> Da steht ein auslegungsfähiger Begriff drin
> ("Menschenwürde"). Wenn der einem im Weg
> ist, behauptet man einfach, daß das, was man
> vorhat, diese Würde nicht tangiert. Durch
> passendes Zurechtdefinieren ist absolut alles
> erlaubt.

Das Problem wird im allgemeinen dadurch gelöst, dass man den
Schutzbereich des Artikel 1 I selbst sehr eng definiert. Auf wenige
Kernbereiche von denen man sagt, dadurch wird die Menschenwürde selbst
und direkt verletzt. Wenn das der Fall ist, gibt es kein
rechtfertigendes Mittel.
Es gibt eine Reihe von staatlichen Maßnahmen die diskussionsfrei dazu
gezählt wurden, dazu gehörte Folter.

> Ich glaube, daß wir unter "Die können nicht"
> einfach etwas verschiedenes verstehen: Für
> dich heißt das "Die werden schon nicht",
> für mich "Es ist ihnen unmöglich oder
> wenigstens verboten".

Ist es ihnen auch, es wird nur schwieriger, davon zu überzeugen und es
durchzusetzen

Holger Pollmann

unread,
Jan 24, 2008, 6:38:14 AM1/24/08
to
Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:

> Für einen Juristen in der Ausbildung wäre es eine wunderbare und
> erhellende Aufgabe im Seminar, sich auf der Basis des geltenden
> Rechts stichhaltige Begründungen für die aberwitzigsten Dinge
> einfallen zu lassen. Wahrscheinlich werden die Jurastudenten vor
> Schreck erstarren, wenn sie merken, daß das geht. Es könnte sie
> (vielleicht) für diese schleichende Aushöhlung der Grundrechte
> sensibilisieren.

Du unterschätzt sowohl die Juristenausbildung als auch die Juristen selbst.

Im Gegensatz zu dem, was du zu meinen scheinst, sind auch Juristen in der
Lage, ethische Grundsätze zu haben. Und sie haben diese auch tatsächlich
genauso viel bzw. wenig wie alle anderen Menschen auch.

--
( ROT-13 if you want to email me directly: uv...@ervzjrexre.qr )

"Sie tragen Trauer? Der Untergang der DDR?" - "Nein, Leni Riefenstahl. Der
Führer hat sie zu sich genommen." -- Abschiedsshow Scheibenwischer,
02.10.2003

Lothar Frings

unread,
Jan 24, 2008, 6:55:51 AM1/24/08
to
Torben Anschau tat kund:

> Hi,
>
> Lothar Frings schrieb:
>
> > Sie ergibt sich unausweichlich aus dem GG,
> > das sich langsam als die Makulatur erweist, die
> > es schon immer war.
>
> Logischer Widerspruch.

Wo ist der?

>
> > Da steht ein auslegungsfähiger Begriff drin
> > ("Menschenwürde"). Wenn der einem im Weg
> > ist, behauptet man einfach, daß das, was man
> > vorhat, diese Würde nicht tangiert. Durch
> > passendes Zurechtdefinieren ist absolut alles
> > erlaubt.
>
> Das Problem wird im allgemeinen dadurch gelöst, dass man den
> Schutzbereich des Artikel 1 I selbst sehr eng definiert. Auf wenige
> Kernbereiche von denen man sagt, dadurch wird die Menschenwürde selbst
> und direkt verletzt. Wenn das der Fall ist, gibt es kein
> rechtfertigendes Mittel.

Dann definiert man eben um. Juristische Gesetze
sind doch keine Naturgesetze.


> Es gibt eine Reihe von staatlichen Maßnahmen die diskussionsfrei dazu
> gezählt wurden, dazu gehörte Folter.

Dann gehört sie eben in Zukunft nicht mehr dazu.
Und KZ irgendwann auch nicht mehr.

>
> > Ich glaube, daß wir unter "Die können nicht"
> > einfach etwas verschiedenes verstehen: Für
> > dich heißt das "Die werden schon nicht",
> > für mich "Es ist ihnen unmöglich oder
> > wenigstens verboten".
>
> Ist es ihnen auch, es wird nur schwieriger, davon zu überzeugen und es
> durchzusetzen

Ich glaube, wir sprechen nicht von denselben.
Das BVerfG diskutiert und überzeugt nicht,
es sagt einfach "Folter ist verfassungskonform".
Und damit es das tut, setzt man die passenden
Richter rein. Ist doch alles keine Zauberei.

Man könnte sogar die Todesstrafe wieder
einführen, ohne einen Buchstaben am GG zu ändern.

Holger Pollmann

unread,
Jan 24, 2008, 7:10:52 AM1/24/08
to
"Ronald Becker" <Ron.B...@freenet.de> schrieb:

>> Tut dir angesprochene Änderung aber nicht;
>
> Doch. Wer Art. 5 I 1 GG abschafft, der streicht *aus dieser Norm*
> auch den Würdekern der Meinungsfreiheit heraus.

Art. 79 III GG schützt nicht die Tatsache, daß die Meinungsfreiheit in
Art. 5 GG geschützt ist. Art. 79 III GG erlaubt das Streichen von
Art. 5 GG, solange dadurch nicht der von Art. 1 GG garantierte Würdekern
der Meinungsfreiheit aus dem Grundgesetz entfernt wird.

>> Solange aber Art. 1 I GG existiert und nicht durch andere
>> Verfassungsnormen insoweit ausgeschlossen würde, garantiert diese
>> Norm eben den Würdekern aller Grundrechte, weil dieser Würdekern
>> nichts anderes als die entsprechende spezifische Facette der
>> Menschenwürde ist.
>>
>> Die Meinungsfreiheit wird also nicht abgeschafft, wenn man den
>> Wortlaut von Art. 5 I GG aus dem Grundgesetz entfernt.
>
> Ja. Ich weiß. Das ist aber völlig belanglos, da Art. 79 III GG eine
> bestimmte Textänderung verhindert:
>

> [...]

Nein, das ist falsch. Der Würdekern der Meinungsfreiheit ist nach der
Streichung von Art. 5 I GG genauso geschützt wie vorher.

Du übersiehst, daß Art. 79 III GG die Beachtung der Grundsätze des
Art. 1 I GG nicht in einem bestimmten Wortlaut oder einer bestimmten Norm
vorschreibt. Art. 79 III GG verbietet Änderungen DES GRUNDGESETZES (und
nicht Änderungen bestimmter Teile des Grundgesetzes), sofern dadurch die
in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden.

Wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber das Grundgesetz so ändert, daß
der Würdekern der Meinungsfreiheit weiterhin geschützt ist, kann er mit
Art. 5 I GG machen, was er will.

> (4) Rechtfertigung
> Es gibt keine. Nicht einmal der Hinweis, der Würdekern der
> Meinungsfreiheit werde noch in Art. 1 oder 20 oder sonstwo im GG
> garantiert, rechtfertigt diesen Eingriff in Art. 5 I 1 GG. Denn mit
> der Streichung wird zwar nicht in den unveränderten Art. 1 I 1 GG,
> aber in den Kernbereich des Art. 5 I 1 GG eingegriffen.

Du kannst es noch so oft behaupten, es wird nicht richtig.

Ein Eingriff in den Würdekern liegt nur dann vor, wenn er irgendwie
eingeschränkt ist. Der Würdekern muß nach der Änderung weniger weit
geschützt sein als vorher, damit die Änderung ihn berührt. Das ist aber
nicht der Fall, wenn lediglich Art. 5 I GG gestrichen wird, weil der
Würdekern der Meinungsfreiheit weiterhin im vollen Umfang von Art. 1 I GG
geschützt ist.

Mit einer Streichung von Art. 5 I GG wird also nur die über den Würdekern
hinausgehende Garantie der Meinungsfreiheit gestrichen, nicht aber der
Würdekern-Anteil.

> Die Anwendungskonkurrenz ist kein Entlastungsargument, weder für den
> einfachen noch für den verfassungsändernden Gesetzgeber.

Das ist lächerlich, sorry. Wenn ich eine allgemeine und eine speziellere
Norm habe und beide Normen ein bestimmtes Gut schützen, und ich
verpflichtet bin, dieses Gut zu schützen, dann ist es mir überlassen, ob
ich den Schutz durch die Spezialnorm oder die allgemeine vornehme. Wenn
mir die Spezialnorm nicht paßt, kann ich sie streichen; die allgemeine
Norm schützt das Gut weiterhin.

Zu behauptet, das wäre ein "Entlastungsargument" ist schon im
sprachlichen Ansatz völliger Mumpitz. Man muß das Grundgesetz nach der
Änderung auslegen, um seinen Gehalt zu ermitteln. Dann kann man eruieren,
ob die Änderung dazu führt, daß nunmehr der Würdekern der
Meinungsfreiheit, dessen Schutz Art. 1 GG gebietet, weniger geschützt ist
als vorher. Das ist nicht der Fall. Also ist der Würdekern nicht berührt.



>> Warum der verfassungsändernde Gesetzgeber dann nicht den Schutz der
>> Meinungsfreiheit durch Art. 1 I GG vornehmen können soll,
>> erschließt sich mir nicht, und ein Argument dafür hast du auch noch
>> nicht gebracht.
>
> Das brauche ich auch nicht.

Doch, das mußt du sehr wohl, weil Art. 79 III GG nämlich keineswegs jede
Änderung des Grundgesetzes verbietet.

>> Art. 5 GG enthält keine Grundsätze, die in Art. 1 GG niedergelegt
>> sind, weil diese Grundsätze in Art. 1 GG niedergelegt sind und
>> nicht in Art. 5 GG.
>
> Der Grundsatz der Meinungsfreiheit als Ausprägung der Menschenwürde,
> der in Art. 1 I 1 GG niedergelegt ist, ist deshalb nicht in Art. 5 I
> 1 GG enthalten, weil er in Art. 1 I 1 GG niedergelegt ist? Na,
> denn...

Der Grundsatz der Meinungsfreiheit ist in Art. 5 I GG niedergelgt, doch.

Wenn du mal liest, schreibe ich aber was anderes.

Art. 79 III GG verlangt, daß die in Art. 1 GG niedergelegten Grundsätze
nicht berührt werden. Inhaltsgleiche Grundsätze, die in anderen Normen
(wir lassen jetzt mal Art. 20 GG außen vor) niedergelegt sind,
interessieren Art. 79 III GG nicht.

Der in Art. 1 GG enthaltene Grundsatz der Garantie eines Mindestmaßes an
Meinungsfreiheit wird nicht dadurch aus dem grundgesetz entfernt, daß ich
Art. 5 I GG streiche. Dann gibt es halt keine spezielle Norm mehr, die
das zum Ausdruck bringt; da aber Art. 1 I GG den Würdekerngehalt der
Meinungsfreiheit ebenfalls garantiert, ist nach einer Streichung von
Art. 5 I GG dieser Würdekerngehalt IN GENAU DEMSELBEN MASSE wie vorher
geschützt, so daß der Würdekerngehalt durch die Änderung nicht berührt
wird. Es ist keine Berührung, wenn ich etwas so lasse, wie es ist. Da ich
den Würdekerngehalt nicht ändere, tritt keine Berührung ein.

>> Da steht eben nicht "die in Art. 1 I GG niedergelegten
>> Grundsätze und ihre in anderen Normen festgelegten Ausprägungen".
>> Die Grundsätze von Art. 1 I GG müssen erhalten bleiben. Das tun
>> sie, wenn man Art. 1 GG nicht antastet (also auch keine anderen
>> Normen einbaut, die Art. 1 GG irgendwie einschränken sollen).
>
> Du liest Art. 79 III GG so, als dürfte der verfassungsändernde
> Gesetzgeber Art. 1 GG nicht antasten.

Das ist Bullshit. Davobn schreibe ich nichts, und das tue ich auch nicht.
Ich weiß, daß Art. 1 GG geändert werden darf, soweit die in ihm
enthaltenen Grundsätze nur nicht berührt werden. Das meinte ich, als ich
schrieb

"Die Grundsätze von Art. 1 I GG müssen erhalten bleiben"

und nicht etwa

"Der Wortlaut von Art. 1 GG muß erhalten bleiben".

Weiter schrieb ich

"Das tun sie, wenn man Art. 1 GG nicht antastet"

Ich sage also: wenn man Art. 1 GG nicht antastet, dann bleibt sein
gehalt, wie er ist.

Daß der Gehalt auch so bleiben kann, wie er ist, wenn man seinen Wortlaut
ändert, wird durch meine Formulierung in keiner Weise ausgeschlossen.

Keine Ahnung, wie du zu dieser Auslegung meiner Worte kommst, aber es ist
Bullshit.

> Tatsächlich steht dort, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber die
> Grundsätze nicht antasten darf, die in Art. 1 I 1 GG niedergelegt
> sind. Wenn aber Art. 5 I 1 GG eine Ausprägung der Menschenwürde
> enthält, dann wird bei einer Streichung der Würdegehalt in Art. 5 I
> 1 GG tangiert.

Du behauptest das schon wieder, ohne zu erläutern, inwiefern nun der
Würdekerngehalt der MEnschenwürde weniger geschützt ist als vorher. Nur
wenn er jetzt weniger geschützt ist, ist der Grundsatz des Art. 1 GG
berührt.

--
( ROT-13 if you want to email me directly: uv...@ervzjrexre.qr )

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 24, 2008, 7:30:43 AM1/24/08
to
Am 24 Jan 2008 10:02:17 +0100 schrieb Dirk Moebius:

> Lothar Frings writes:
>
>> Jens Müller tat kund:

>>> > Und wenn das BVerfG das Gegenteil sagt?
>>>
>>> Art. 20 Abs. 4 GG.
>
>> Der war gut.
>

> ACK
>
> Es gibt, wenn man die Zeit fuer Art. 20 Abs 4 gekommen sieht, eigentlich
> nur zwei moegliche Ergebnisse: man verliert diesen Kampf und wird wie ein
> ganz normaler Terrorist/Freischaerler/Aufrueher an die Wand gestellt
> - oder man gewinnt ihn, dann gibts aber auch keine Strafverfolgung deswegen
> mehr.

Ich geh mal optimistischerweise davon aus, daß dieser Abs. 4
"(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben
alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich
ist."
ein Zeichen von Gutwilligkeit und nicht von Zynismus seitens des
Gesetzgebers war. Aber es ist ein Gesetz, das nur dann gilt, wenn dieses
Gesetz nicht mehr gilt. Die Grundordnung beseitigen tun ja nicht
irgendwelche Hooligans, die gröhlend durch die Stadt ziehen und gegen die
man dann unter Berufung auf den Artikel die Polizei losjagt. Das machen die
Leute im Nadelstreif, die der Polizei ihre Anweisungen geben.
Bei Licht besehen, erlaubt Abs. 4 den Bürgerkrieg.

Ciao
Wolfram
--
Es ist besser, den Mund zu halten und als ein Dummkopf zu gelten, als ihn
zu öffnen und alle Zweifel zu beseitigen.
DENIS THATCHER
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

Wolfram Heinrich

unread,
Jan 24, 2008, 7:30:42 AM1/24/08
to
Am 24 Jan 2008 11:38:14 GMT schrieb Holger Pollmann:

> Wolfram Heinrich <in...@theodor-rieh.de> schrieb:
>
>> Für einen Juristen in der Ausbildung wäre es eine wunderbare und
>> erhellende Aufgabe im Seminar, sich auf der Basis des geltenden
>> Rechts stichhaltige Begründungen für die aberwitzigsten Dinge
>> einfallen zu lassen. Wahrscheinlich werden die Jurastudenten vor
>> Schreck erstarren, wenn sie merken, daß das geht. Es könnte sie
>> (vielleicht) für diese schleichende Aushöhlung der Grundrechte
>> sensibilisieren.
>
> Du unterschätzt sowohl die Juristenausbildung als auch die Juristen selbst.
>

Das hoffe ich doch sehr, daß ich das tue.

> Im Gegensatz zu dem, was du zu meinen scheinst, sind auch Juristen in der
> Lage, ethische Grundsätze zu haben. Und sie haben diese auch tatsächlich
> genauso viel bzw. wenig wie alle anderen Menschen auch.

Davon gehe ich aus, ganz im Ernst, ohne Sarkasmus. Was mir gelegentlich
sauer aufstößt, sind Juristen, die nur innerhalb der Rechtsordnung denken
und dabei vergessen, daß Rechtsordnungen ihre Basis in der Wirklichkeit
haben. Rechtsordnungen sind willkürliche (nicht zufällige, natürlich)
Setzungen, die einer bestimmten historischen Situation angepaßt sind. Wenn
ich in ein (Grund-)Gesetz hineinschreibe, daß diese oder jene Vorschrift
darin nicht geändert werden kann, dann gilt das natürlich nur solange als
die Leute, welche dies Gesetz anwenden, das so wollen. Wollen sie es nicht
mehr, weil etwa eine grundlegend andere historische Situation entstanden
ist, dann werden auch unverbrüchliche Gesetze geändert - und begründet.

Verstehe mich richtig, ich halte Juristen nicht für Deppen (*) (einige,
nicht wenige, sind es; aber gut, das sind andere Leute in anderen
Berufsgruppen auch). Ich halte Gesetze und damit Juristen für eine
wichtige, unabdingbare Sache, damit das auch klar ist, auch das Grundgesetz
ist im Grunde eine feine Sache.
Die Gesetze scheinen der Wirklichkeit vorzuschreiben, wie sie sein solle.
Genau besehen aber ist es die Wirklichkeit, welche Gesetze produziert.

Ciao
Wolfram
(*) Und ich halte speziell dich nicht für einen Deppen.
--
Als Kortzfleysch sich die Eichel putzt,
Die Kortzfleyschin dies zum Schlafe nutzte.
www.theodor-rieh.de, www.theodor-rieh.de/heinrich, www.brueckenbauer.it

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