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Der frueheste Sonnenuntergang [lang]

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Thomas Schmidt

unread,
Nov 27, 2003, 6:48:55 PM11/27/03
to
Jedes Jahresende taucht wieder die Frage auf, warum denn der früheste
Sonnenuntergang und der späteste Sonnenaufgang nicht am Tag der Winter-
sonnenwende stattfinden, obwohl das doch der kürzeste Tag ist. Hier
die Antwort in aller Ausführlichkeit. Fangen wir ganz grundsätzlich
an...


Ortszeit / Zonenzeit
====================

Wir sind es gewohnt, unsere Uhr nach dem Radio oder der Tagesschau zu
stellen und erwarten, daß eine Uhr in Berlin die gleiche Zeit anzeigt
wie in Köln. Das war nicht immer so.

Bevor die Zeitzonen eingeführt wurden, war Mittag der Zeitpunkt, zu
dem die Sonne im Süden ihren Höchststand erreichte (Details siehe
unten). An allen Orten auf demselben Meridian war also gleichzeitig
Mittag, an Orten östlich davon war zu diesem Zeitpunkt Mittag schon
vorbei, an Orten westlich davon stand Mittag noch bevor.

Da sich die Erde in ca. 24 Stunden (Details siehe unten) einmal um
360° dreht, in 4 Minuten also um 1°, wandert 'Mittag' gewissermaßen
mit einer Geschwindigkeit von 1°/4m durch die Lande (das entspricht
auf 50° nördlicher Breite etwa 300 m/s) und im Nachbardorf ist die
Zeit bereits um ein paar Sekunden anders als hier.

Diese auf die Sonne bezogene Zeit heißt Sonnenzeit oder Ortszeit. Zur
Vereinheitlichung der Zeitmessung wurde jeweils in einer Zeitzone eine
gemeinsame Zeit eingeführt: die Zonenzeit (aktueller Anlaß waren die
ersten über größere Strecken fahrenden Eisenbahnen, deren Fahrpläne
synchronisiert werden mußten). Die in der ganzen Zone gültige Zeit ist
identisch mit der Ortszeit auf einem Referenzmeridian. Für die mittel-
europäische Zonenzeit ist der Referenzmeridian 15° Ost.

Auf dem Referenzmeridian sind Zonenzeit und Ortszeit identisch und der
Sonnenhöchststand tritt um 12h mittags ein (zumindest im Mittel,
Details siehe unten).
Für einen Ort x° westlich des Referenzmeridians tritt der Sonnenhöchst-
stand (12h Ortszeit) um x*4 Minuten später ein als 12h Zonenzeit. Für
einen Ort x° östlich des Referenzmeridians tritt Sonnenhöchststand um
x*4 Minuten früher ein.

So weit, so gut. Es gibt aber noch eine Komplikation.


Wahre Ortszeit / mittlere Ortszeit
==================================

Befindet man sich z.B. auf 12° östlicher Länge, so würde man nun erwar-
ten, daß der Sonnenhöchststand jeweils um 12h 12m stattfindet.
Bei einer Beobachtung über ein Jahr hinweg wird man jedoch feststellen,
daß dies im Mittel zwar zutrifft, der tatsächliche Sonnenhöchststand
jedoch im Laufe des Jahres um bis zu ca. eine Viertelstunde früher oder
später stattfinden kann. Der Grund hierfür ist folgender:

Man stelle sich vor, daß an einem bestimmten Tag sowohl die Sonne als
auch ein Stern gleichzeitig genau im Süden stehen (wir denken uns
diesen hypothetischen Stern auch am Tage sichtbar). Nun warten wir
genau eine Erdrotation ab und schauen dann wieder nach Süden. Dort
steht jetzt wieder der Stern, nachdem er (scheinbar) einmal den ganzen
Himmel umrundet hat, denn unter 'einer Erdrotation' verstehen wir ja
den Zeitraum, nach welchem unser Beobachtungsort bezüglich der
Fixsterne wieder dieselbe Orientierung hat, also wieder in Richtung
desselben Sterns zeigt.

Aber die Sonne steht jetzt nicht mehr genau im Süden. Wir hatten den
ersten Tag so gewählt, daß - von der Erde aus gesehen - Sonne und
Stern in derselben Richtung lagen. Während wir dann eine Erdrotation
- also einen Tag - verstreichen ließen, ist die Erde etwa ein Grad auf
ihrer Bahn gegen den Uhrzeigersinn weitergewandert (360° in 365 Tagen
macht ca 1° an einem Tag). Wir müssen jetzt also um 1° weiter nach
links (Osten) schauen, um die Sonne zu erblicken. Und wir müssen
4 Minuten warten, bis die Erdrotation die Sonne wieder genau nach
Süden gebracht hat (da die Sonne im Zuge ihrer täglichen Bewegung 1°
in 4 Minuten zurücklegt).

Fazit: der Zeitraum für eine vollständige Erdrotation und der Zeitraum
von einem Sonnenhöchststand zum nächsten unterscheiden sich um ca.
4 Minuten. Da für unser Alltagsleben der Sonnenstand und nicht die
Erdstellung maßgebend ist, teilen wir den Zeitraum zwischen den
_Sonnenhöchstständen_ (nicht die Zeitdauer einer Erdrotation) in
24 Stunden ein. Eine Erdrotation dauert daher nur 23h 56m.

Dieser Unterschied kommt also daher, daß die Erde nach jeder Umdrehung
die inzwischen weitergewanderte Sonne wieder 'einholen' muß, was
jeweils ca. 4 Minuten dauert.

Jetzt etwas astronomische Terminologie: bekanntlich erfolgt die
_jährliche_ Bewegung der Sonne (die Bewegung bezüglich des Fixstern-
hintergrunds) entlang der Ekliptik.
Die (scheinbare) _tägliche_ Bewegung der Sonne (Auf- und Untergang)
erfolgt aber auf einer Bahn, die parallel zum Äquator und damit auf
einem Deklinationskreis liegt (weil diese Bewegung in einer Ebene
senkrecht zur Erdachse stattfindet).

Da die Ekliptik gegen den Äquator um ca. 23.5° geneigt ist, geht die
Sonne im Laufe des Jahres auf ihrer Wanderung entlang der Ekliptik
kontinuierlich von einem Deklinationskreis zum anderen über, bewegt
sich aber in ihrer täglichen Bewegung entlang der Deklinationskreise.

Die 'Deklination' der Sonne gibt den Deklinationskreis an, auf dem sie
sich gerade befindet. Die Deklination ist daher einfach der Winkelab-
stand der Sonne vom Himmelsäquator, vergleichbar der geographischen
Breite auf der Erde, die ja auch lediglich der Winkelabstand vom
Äquator ist.
Die Deklination der Sonne variiert im Laufe eines Jahres von -23.5°
bis +23.5° und wieder zurück.

Die 'Rektaszension' der Sonne wird entlang des Äquators (oder eines
Deklinationskreises) gezählt, und zwar von einem Nullpunkt aus, der
in Bezug auf die Fixsterne festliegt(*), in östlicher Richtung (d.h.
nach links, wenn man nach Süden schaut). Die Rektaszension ist daher
vergleichbar der geographischen Länge auf der Erde, die vom Greenwich-
Meridian entlang des Äquators oder eines Breitenkreises gezählt wird.

Im Augenblick des Frühlingsanfangs ist per Definition die Rektaszen-
sion der Sonne gleich Null, sie wächst im Laufe des Jahres stetig an
und ist nach Ablauf eines Jahres einmal durch den Bereich 0°..360°
gewandert.

Pro Tag nimmt die Rektaszension der Sonne also um etwa ein Grad zu
(360° in ca. 365 Tagen), und die Erdrotation braucht etwa vier Minuten,
um die so weitergewanderte Sonne wieder einzuholen.


Nun ist aber folgendes zu beachten: wie bereits beschrieben, bewegt
sich die Sonne auf ihrer jährlichen Bahn entlang der Ekliptik, und
zwar etwa ein Grad pro Tag.

Da die Ekliptikebene (entlang welcher die Sonne sich bewegt) zur
Äquatorebene (entlang welcher die Rektaszension gemessen wird) um
ca. 23.5° geneigt ist, sind Teile der Ekliptik selbst ebenfalls
gegen den Äquator geneigt (nämlich dort, wo sie den Äquator schneidet,
wo sich also die Sonne zur Zeit der Tagundnachtgleichen befindet),
während andere Teile parallel zum Äquator sind (nämlich dort, wo sie
den größten Abstand zum Äquator hat, wo sich also die Sonne zum Zeit-
punkt der Sonnwenden befindet).

Nun nehmen wir an, die Sonne bewege sich gleichmäßig mit genau 1° pro
Tag (Details siehe unten) entlang der Ekliptik. Dann nimmt aber die
Rektaszension mal um mehr und mal um weniger als 1° pro Tag zu:

Um die Tagundnachtgleichen herum bewegt sich die Sonne nämlich 'schräg'
zum Äquator, und das eine Grad Bewegung entlang der Ekliptik teilt
sich auf in sin(23.5°)=0.4° Änderung der Deklination und cos(23.5°)=0.92°
Änderung der Rektaszension.

Um die Sonnwenden herum dagegen bewegt sich die Sonne auf der Ekliptik
parallel zum Äquator, aber auf dieser Deklination entspricht einer
Bewegung von 1° einem Rektaszensionsunterschied von 1/cos(23.5°) = 1.09°.
(Zum Vergleich: wenn man entlang des Erdäquators eine Strecke von
111 km zurücklegt, ändert man seine geographische Länge um 1°. Legt
man entlang der geographischen Breite 23.5° ebenfalls 111 km zurück,
so ändert sich die geographische Länge um 1.09°, weil die Längenkreise
auf dieser Breite nur noch einen Abstand von 111 km * cos(23.5°)
= 101.8 km haben.)


Wir stellen also ein ungleichförmiges Anwachsen der Rektaszension fest,
und zwar mit zwei Perioden pro Jahr: langsam zur Frühlings-Tagundnacht-
gleiche, schnell zur Sommersonnwende, langsam zur Herbst-Tagundnacht-
gleiche und schnell zur Wintersonnwende. Und da die Erdrotation pro 24
Stunden konstant 1 Umdrehung plus 1° in Rektaszension beträgt, wird
die Rektaszensionsänderung der Sonne
- zu Frühlingsbeginn überkompensiert, d.h. die Erddrehung hat die
Sonne bis 12h mittags nicht nur eingeholt sondern sogar überholt;
die Sonne steht von Tag zu Tag um 12h ein Stück weiter westlich,
- zu Sommerbeginn unterkompensiert, d.h. die Positionen der Sonne um
jeweils 12h wandern wieder nach Osten,
- zu Herbstbeginn wieder überkompensiert, die Sonne wandert nach
Westen
- zu Winterbeginn wieder unterkompensiert, die Sonne wandert nach
Osten

Zu all dem kommt noch ein zweiter Effekt: die Erdbahn ist leicht
elliptisch und die Erde bewegt sich auf einem Teil ihrer Bahn schnel-
ler als auf einem anderen. Entsprechend bewegt sich daher von der
Erde aus gesehen die Sonne etwas schneller oder langsamer entlang der
Ekliptik. Das oben zitierte konstante eine Grad pro Tag war also eine
Vereinfachung. Wenn sie sich schneller bewegt als im Mittel, wächst
auch ihre Rektaszension schneller als im Mittel; wenn sie sich
langsamer bewegt, wächst auch ihre Rektaszension langsamer. Dieser
Effekt überlagert sich dem vorher beschriebenen, welcher durch die
Neigung der Ekliptik verursacht wird, hat aber nur eine Periode pro
Jahr: schneller Rektaszensionszuwachs im Winter (Perihel), langsamer
Zuwachs im Sommer (Aphel). Die Beiträge beider Effekte sind etwa
gleich groß.

Beide Effekte zusammengenommen führen also dazu, daß die Zeitspanne
von einem Sonnenhöchststand zum nächsten nicht genau 24 Stunden beträgt,
sondern im Laufe des Jahres um ein paar Minuten länger bzw. kürzer ist.
Eine Uhr, die immer zum Zeitpunkt des Sonnenhöchststands 12 Uhr anzeigt
(z.B. eine Sonnenuhr), geht also mit leicht variabler Geschwindigkeit.
Das ist heutzutage unerwünscht, und die üblichen Uhren sind daher so
eingestellt, daß sie mit einer konstanten Geschwindigkeit von 24
Stunden pro Tag laufen.
Wir können uns dazu eine fiktive 'mittlere' Sonne vorstellen, die mit
konstanter Geschwindigkeit entlang des Äquators (nicht der Ekliptik!)
läuft. Der Höchststand dieser mittleren Sonne tritt regelmäßig alle
24 Stunden ein. Eine Uhr, die sich nach der mittleren Sonne richtet,
zeigt mittlere Sonnenzeit. Eine Uhr, die sich nach der wahren Sonne
richtet, zeigt wahre Sonnenzeit. Der Unterschied zwischen diesen
beiden Zeitzählungen heißt Zeitgleichung.

Zeitgleichung
=============


Zeitgleichung = wahre Sonnenzeit - mittlere Sonnenzeit

Z.gl. > 0: wahre Sonne geht vor mittlerer Sonne durch Meridian
Z.gl. < 0: wahre Sonne geht nach mittlerer Sonne durch Meridian


Trägt man die Zeitgleichung gegen das Datum auf, erhält man eine
charakteristische Kurve mit zwei Maxima und zwei Minima pro Jahr:

|
|
| *****
15| Min. * *
| * *
|
| * *
| * *
10|
| *
| * *
|
| * *
5 |
| ** * *
| ** **
| * ** *
| * * * *
0 +------+----+-----+--*--+------+-*---+-----+-----+-----+-----+-----+-----
Jan Feb Mär Ap* Mai Jun Jul Aug *Sep Okt Nov Dez *
| * * *
| *
* * * *
-5 | * ** *
|* ** **
| * **
| * *
|
-10| * *
| * *
| *
| * *
| *****
-15|


Minimum: -14m 15s 11. Februar
Null: 0 15. April
Maximum: +3m 41s 14. Mai
Null: 0 13. Juni
Minimum: -6m 30s 26. Juli
Null: 0 1. September
Maximum: +16m 25s 3. November
Null: 0 25. Dezember

Trägt man die Zeitgleichung gegen die zugehörige Deklination der Sonne
auf, so erhält man eine Figur in Form einer Acht, das sogenannte
Analemma:

Jul
*** ** Jun
| * *
| * *
20°| * *
| *
| * *
| Aug * *
| *
| * Mai
| * *
| *
| *
| *
10°| *
| *
| *
| * * Sep
| *
| * Apr
| *
| *
| *
| *
0° |-15---10---5----0----5-*--10---15 Min
| *
| *
| *
| * Okt
| *
| *
| * Mär
| *
| *
-10°| *
| *
| *
| * *
| *
| * Nov
| * Feb *
| *
| *
| * *
-20°| * *
| * *
| * * * Dez
| * * * * * *
Jan

Eine ähnliche Acht erhält man auch, wenn man eine Kamera fest auf-
stellt und auf ein mehrfachbelichtetes Foto zum selben Zeitpunkt
mittlerer Zeit jeden Tag ein Sonnenbild aufnimmt.

Die Längsachse der Acht liegt mittags parallel zum Meridian, zeigt
also (durch den Zenit hindurch) zum Himmelsnordpol. Diese Orientierung
auf der Himmelkugel behält die Acht bei, wenn wir aber z.B. nach
Westen schauen, haben wir den Himmelsnordpol nicht mehr hoch hinter
uns sondern auf ca. 50° Höhe rechts von uns.
Wenn wir also ein Analemma zur Mittagszeit fotografieren, steht die
Acht senkrecht, wenn wir es abends fotografieren, ist die Acht
nach rechts geneigt.

Und da der Himmelsnordpol mit sinkender geographischer Breite immer
tiefer liegt, ist auch die Acht um so mehr geneigt, je südlicher
sich der Beobachter befindet. Für einen Beobachter auf dem Äquator
liegt ein abends fotografiertes Analemma waagerecht.

Die folgende Figur würde sich ergeben, wenn auf 47.9° Nord, 12.7° Ost
jeden Tag um 16:16:05 Uhr mittlerer Zeit eine Belichtung gemacht
würde:

40°
|
|
|
| ***
| * *
| * *
| * *
| * *
| * *
30° * *
| * *
| *
| *
| * *
| *
| *
| *
| * *
| *
20° *
| * *
| *
| *
| *
| * *
| *
| *
| * * Analemma für 16h 16m 05s MEZ
| *
10° *
| * *
| *
| * *
| *
| *
| * *
| * *
| * *
| * *
0---------+---*---*-+---------+---------+---------+
230° *** 240° 250° 260°

Die folgende Grafik zeigt davon einen Ausschnitt um die Wintersonn-
wende herum, wobei im Gegensatz zur vorigen Grafik die Höhe des
oberen Sonnenrandes (statt des Sonnenmittelpunkts) aufgetragen ist.
Die Wintersonnwende selbst findet am 21. oder 22. Dezember statt. Zu
diesem Zeitpunkt erreicht die Sonne die niedrigste Deklination und
damit den südlichsten Punkt der Acht. Für einen Beobachter, der sich
nicht gerade am Nord- oder Südpol befindet, liegt die Acht aber auf
der Seite, so daß ihr _tiefster_ Punkt nicht identisch mit dem _süd-
lichsten_ Punkt ist.

Die Sonne durchläuft den unteren Teil der Acht in der Richtung, daß
sie den tiefsten Punkt einige Tage _vor_ dem südlichsten Punkt
passiert. Der Grafik ist zu entnehmen, daß für den hier gewählten Ort
der tiefste Punkt am 11. Dezember erreicht wird. Für den gewählten
Zeitpunkt (16h 16m) erreicht der obere Sonnenrand an diesem Tag die
Höhe Null, die Sonne ist also gerade untergegangen. Ein bereits um
16h 15m aufgenommenes Anlemma würde höher am Himmel stehen und es
gibt daher keinen Tag, an dem die Sonne um 16h 15m bereits unterge-
gangen ist. Für den gegebenen Ort findet also der frühestmögliche
Sonnenuntergang um 16h 16m statt, und zwar am 11. Dezember (**).

| 234° 235° 236° 237° 238°
|
|
|
|
| * 31. Dez * 21. Nov
|
|
1° +
|
|
| * 26. Dez * 26. Nov
|
|
| südlichster Punkt:
| * 21. Dez * 1. Dez
|
| * 16. Dez * 6. Dez
0° +---------+---------+-- * ----+---------+---------+----
| 11. Dez
| tiefster Punkt


Wir sehen an dieser Grafik auch, wie der Tag des frühesten Sonnen-
untergangs von der geographischen Breite des Beobachters abhängt.
Für einen südlicheren Beobachter liegt die Acht schräger und der
tiefste Punkt wird zu einem früheren Datum erreicht.


***

Und hier noch eine andere Darstellung der Zeitpunkte von Sonnenhöchst-
stand und Sonnenuntergang bezüglich mittlerer und wahrer Ortszeit,
eingezeichnet als | bzw. *.

Der Sonnenhöchststand findet nach mittlerer Zeit für den hier an-
genommenen Ort (12.7° Ost) immer um 12h 09m statt. Anfang Dezember
ist die Zeitgleichung positiv (knapp 11 Minuten), die wahre Sonne
geht daher schon um 11h 58m durch den Meridian.
Ebenso beim Sonnenuntergang: die mittlere Sonne würde um 16h 29m
untergehen, die wahre Sonne geht schon um 16h 18m unter.

Die Kurve für den mittleren Sonnenhöchststand verläuft definitions-
gemäß gerade, die Kurve für den mittleren Sonnenuntergang verlagert
sich zunächst zu früheren Zeitpunkten, weil ja die Tage kürzer werden.
Zur Wintersonnwende am 21. Dezember erreicht sie erwartungsgemäß den
frühesten Punkt. Zu diesem Zeitpunkt würde die Sonne am 21. Dezember
untergehen, wenn es die Zeitgleichung nicht gäbe.

Die Zeitgleichung sorgt Anfang Dezember dafür, daß der wahre Sonnen-
untergang gegenüber dem mittleren nach vorne verschoben wird. Aller-
dings tritt von Tag zu Tag der mittlere Sonnenuntergang früher ein,
während die Zeitgleichung langsam abnimmt.
In den ersten Dezembertagen ist die tägliche 'Verfrühung' des mittleren
Sonnenuntergangs größer als die Verringerung der Zeitgleichung, so
daß der um die Zeitgleichung nach vorne verschobene wahre Sonnenunter-
gang immer noch früher stattfindet als am Vortag.

Am 11. Dezember aber ist die Zeitgleichung gegenüber dem Vortag (fast)
um denselben Betrag geschrumpft, wie sich der mittlere Sonnenuntergang
verfrüht hat: die Summe aus beidem ist also der (fast) gleiche Zeit-
punkt für den wahren Sonnenuntergang gegenüber dem Vortag. An den
darauffolgenden Tagen schrumpft die Zeitgleichung schneller, als sich
der mittlere Sonnenuntergang verfrüht, so daß der wahre Sonnenunter-
gang anfängt, später einzutreten.


2001: 11: 12: 12: 16: 16: 16:
50 00 10 10 20 30
--------------------+---------+---------+-----...-----------+---------+---------+----

1. Dez. 11:58:08 10:55 * | 16:18:29 10:51 * |
2. Dez. 11:58:31 10:32 * | 16:18:02 10:28 * |
3. Dez. 11:58:54 10:09 * | 16:17:37 10:05 * |
4. Dez. 11:59:18 9:45 * | 16:17:15 9:41 * |
5. Dez. 11:59:43 9:20 * | 16:16:56 9:16 * |
6. Dez. 12:00:08 8:55 * | 16:16:40 8:51 * |
7. Dez. 12:00:34 8:29 * | 16:16:27 8:25 * |
8. Dez. 12:01:00 8:03 * | 16:16:17 7:59 * |
9. Dez. 12:01:26 7:36 * | 16:16:10 7:32 * |
10. Dez. 12:01:54 7:09 * | 16:16:06 7:05 * |
11. Dez. 12:02:21 6:42 * | 16:16:05 6:37 * <<<<<|< frühester Sonnenuntergang
12. Dez. 12:02:49 6:14 * | 16:16:07 6:09 * |
13. Dez. 12:03:17 5:45 * | 16:16:11 5:41 * |
14. Dez. 12:03:46 5:17 * | 16:16:19 5:12 * |
15. Dez. 12:04:15 4:48 * | 16:16:30 4:43 * |
16. Dez. 12:04:44 4:19 * | 16:16:43 4:14 * |
17. Dez. 12:05:13 3:49 * | 16:17:00 3:45 * |
18. Dez. 12:05:43 3:20 * | 16:17:19 3:15 * |
19. Dez. 12:06:13 2:50 * | 16:17:42 2:45 * |
20. Dez. 12:06:42 2:20 * | 16:18:07 2:15 * |
21. Dez. 12:07:12 1:50 * | 16:18:35 1:46 *| <<< Wintersonnwende,
22. Dez. 12:07:42 1:21 *| 16:19:06 1:16 *| kürzester Tag
23. Dez. 12:08:12 0:51 *| 16:19:39 0:46 *
24. Dez. 12:08:42 0:21 * 16:20:16 0:16 *|
25. Dez. 12:09:12 -0:09 * 16:20:55 -0:14 *
26. Dez. 12:09:41 -0:38 |* 16:21:36 -0:43 |*
27. Dez. 12:10:11 -1:08 |* 16:22:20 -1:13 |*
28. Dez. 12:10:40 -1:37 | * 16:23:07 -1:42 | *
29. Dez. 12:11:09 -2:06 | * 16:23:56 -2:11 | *
30. Dez. 12:11:38 -2:35 | * 16:24:48 -2:40 | *
31. Dez. 12:12:07 -3:04 | * 16:25:42 -3:09 | *


Sonnenhöchststand Sonnenuntergang


| mittlere Sonne
* wahre Sonne
11:58:08 etc Zeitpunkt des Sonnenhöchststands bzw. -untergangs
10:55 etc Zeitgleichung


Ein ähnliches Spiel tritt auch für den Sonnenaufgang auf und führt
dazu, daß der späteste Sonnenaufgang erst Anfang Januar stattfindet.

Und auch im Sommer finden der früheste bzw. späteste Sonnenauf- bzw.
-untergang nicht am Tage der Sommersonnwende statt.

======================================================================
(*) Es gibt eine geringe Bewegung dieses Fixpunkts bezüglich der Fix-
sterne: die sogenannte Präzession. Sie ist für unser Thema hier aber
ohne Belang.

(**) Das Datum variiert wegen des Schaltjahreszyklus ein wenig von
Jahr zu Jahr.


--
-------------------------------------------------------------------
Thomas Schmidt e-mail: sch...@hoki.ibp.fhg.de

Hartmut Rick

unread,
Nov 28, 2003, 10:22:18 AM11/28/03
to


Sehr ausfuehrliche Erklaerung. Ich haette noch 3 Einwuerfe zu ergaenzen:

On Fri, 28 Nov 2003, Thomas Schmidt wrote:

> Jedes Jahresende taucht wieder die Frage auf, warum denn der früheste
> Sonnenuntergang und der späteste Sonnenaufgang nicht am Tag der Winter-
> sonnenwende stattfinden, obwohl das doch der kürzeste Tag ist.

Auch das ist ortsabhaengig - bei uns ist der kuerzeste Tag fast immer am
Tag der Sonnenwende, aber z.B. an einem Ort 0.5 Grad noerdlicher Breite
ist der kuerzeste Tag dieses Jahr schon vorbei, der war naemlich am 25.
November (wenn man als "Tag" die Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang
bezeichnet). Allerdings ist der kuerzeste Tag des Jahres dort auch nur gut
3 Minuten kuerzer als der laengste.

>
> [..]


>
> Beide Effekte zusammengenommen führen also dazu, daß die Zeitspanne
> von einem Sonnenhöchststand zum nächsten nicht genau 24 Stunden beträgt,
> sondern im Laufe des Jahres um ein paar Minuten länger bzw. kürzer ist.

^^^^^^^^^^^^^^^^
Nach meiner Rechnung ist der laengste Tag des Jahres 2003 ("Tag" als
Zeitspanne zwischen zwei Sonnenhoechststaenden) am 22. Dezember, da sind
es 24h 30s. Am 17. September war der kuerzeste Tag des Jahres mit
23h 59min 39s.
Also maximal eine halbe Minute Abweichung von 24h.

> [...]


> Für den gegebenen Ort findet also der frühestmögliche
> Sonnenuntergang um 16h 16m statt, und zwar am 11. Dezember (**).

> [...]


> Wir sehen an dieser Grafik auch, wie der Tag des frühesten Sonnen-
> untergangs von der geographischen Breite des Beobachters abhängt.
> Für einen südlicheren Beobachter liegt die Acht schräger und der
> tiefste Punkt wird zu einem früheren Datum erreicht.

Der "gegebene Ort" liegt offenbar irgendwo in Suedbayern ...
Die Abhaengigkeit von der Breite ist aber durchaus betraechtlich.

Beispiele:
fruehester Untergang spaetester Aufgang

Rom 9.12. 4.1.
Mailand 10.12. 3.1.
Basel 11.12. 2.1.
Stuttgart, Frankfurt 12.12. 1.1.
Koeln, Berlin 13.12. 31.12.
Hamburg, Flensburg 14.12. 30.12.
Kopenhagen 15.12. 29.12.
Oslo 16.12. 27.12.


Viele Gruesse,
Hartmut

harald c. greier

unread,
Dec 1, 2003, 5:19:00 AM12/1/03
to
Hallo Thomas,

> Jedes Jahresende taucht wieder die Frage auf, warum denn der früheste
> Sonnenuntergang und der späteste Sonnenaufgang nicht am Tag der Winter-
> sonnenwende stattfinden, obwohl das doch der kürzeste Tag ist. Hier
> die Antwort in aller Ausführlichkeit. Fangen wir ganz grundsätzlich
> an...

...
Sozusagen schonmal als Vorhut für eventuell in nächster Zeit
auftauchende Fragen :)

Wirklich eine sehr schöne Zusammenfassung, Hut auf!

Ich denke es geht um einfach um die untere horizontale Tangente des
Orts-Analemmas :)

Ich denke auch es ist praktisch "unmöglich" bzw. macht keinen Sinn,
Sonnenauf- und Untergangszeiten auf die Sekunde genau anzugeben, weil
das einfach von zu vielen nicht exakt berechenbaren Faktoren abhängt.

Für den Ort 50N 10E spucken Guide7 bzw. CdC folgende Zeiten für den
Sonnenuntergang im Dez. 2003 aus:
Datum----------GUIDE7-----CdC
06.Dez.2003----16:22-----16:21
07.Dez.2003----16:22-----16:20
08.Dez.2003----16:22-----16:20
09.Dez.2003----16:21-----16:20
10.Dez.2003----16:21-----16:20
11.Dez.2003----16:21-----16:20
12.Dez.2003----16:21-----16:20
13.Dez.2003----16:21-----16:20
14.Dez.2003----16:21-----16:20
15.Dez.2003----16:21-----16:20
16.Dez.2003----16:21-----16:20
17.Dez.2003----16:22-----16:20
18.Dez.2003----16:22-----16:20
19.Dez.2003----16:22-----16:21
20.Dez.2003----16:23-----16:21


greets
harald

--

Thomas Schmidt

unread,
Dec 1, 2003, 6:32:56 PM12/1/03
to
"harald c. greier" schrieb:

> Sozusagen schonmal als Vorhut für eventuell in nächster Zeit
> auftauchende Fragen :)

Es ist jetzt so die Jahreszeit...


> Wirklich eine sehr schöne Zusammenfassung, Hut auf!

Danke mehrmals.


> Ich denke es geht um einfach um die untere horizontale Tangente des
> Orts-Analemmas :)

So kann man es sehen. Oder man bemüht eben die Zeitgleichung.


> Ich denke auch es ist praktisch "unmöglich" bzw. macht keinen Sinn,
> Sonnenauf- und Untergangszeiten auf die Sekunde genau anzugeben, weil
> das einfach von zu vielen nicht exakt berechenbaren Faktoren abhängt.

Jein. Eine sekundengenaue Angabe ist wenig sinnvoll, da der exakte
Sonnenauf- bzw. -untergang u.a. von Folgendem abhängt:

- dem natürlichen Horizont des Beobachtungsortes. Berechnet wird der
Sonnenaufgang (der Untergang sei 'mitverstanden') für den mathema-
tischen Horizont, den aber nicht mal jemand sieht, der einen Meeres-
horizont vor sich hat (Stichwort 'Dip'). Insofern ist die exakte
Aufgangszeit ohnehin eine rein theoretische Größe. Freilich könnte
man durch Beobachtung die Zeitdifferenz zum tatsächlichen Erscheinen
über dem lokalen Horizont feststellen und für Aufgänge in dieser
Richtung künftig immer diese Korrektur anbringen.

- der Refraktion, die zu diesem Zweck konventionellerweise mit 34'
= 0.57° angesetzt wird. Das ist aber nur ein Mittelwert; die tat-
sächliche Refraktion hängt von Temperatur, Luftdruck und Beobachter-
höhe ab.
J. Meeus (Astronomical Algorithms, ch. 15) hat nachgerechnet, daß
der Temperaturunterschied zwischen Sommer und Winter in mittleren
Breiten den Aufgangszeitpunkt um etwa 20 Sekunden verschiebt, und
daß die üblichen Luftdruckunterschiede eine Variation von einem
Dutzend Sekunden verursachen.

Schlimmer noch: die üblichen Refraktionsformeln (auf denen obige
Abschätzungen beruhen) geben selbst nur einen Mittelwert wieder;
der Beobachter kann nur Temperatur und Luftdruck am Beobachtungs-
ort feststellen, während der Lichtstrahl auf seinem ganzen Weg
durch die Atmosphäre kontinuierlich gebrochen wird. Die Verhält-
nisse in höheren Atmosphärenschichten können i.a. nur durch Extra-
polation aus den Bodenwerten ermittelt werden, indem eine mittlere
Standardatmosphäre angesetzt wird. Die tatsächliche Atmosphäre
mag von diesem Mittelwert abweichen, und entsprechend wird die
Refraktion von den Formeln abweichen, auch wenn Temperatur und
Luftdruck korrekt gemessen und bei der Berechnung der Refraktion
berücksichtigt werden.

B. Schaefer hat Messreihen zur Bestimmung der horizontnahen Refrak-
tion ausgewertet ('Refraction near the horizon', PASP 102: 796-805)
und dabei festgestellt, daß die beobachtete Refraktion mit einer
Standardabweichung von ca. 0.16° streut; die beobachteten Extrem-
werte am Horizont waren 0.234° und 1.678° (zu vergleichen mit den
konventionellen 0.57°). Er schließt daraus, daß die Zeit des Sonnen-
aufgangs nur mit einer Genauigkeit von ca. 4 Minuten vorherberechnet
werden kann.

Andererseits jedoch:

Diese starke Streuung bezieht sich nur auf Beobachtungen unmittel-
bar am Horizont (0° Höhe). In größeren Höhen wird sie geringer aus-
fallen.

Ich beobachte seit mehreren Jahren den Sonnenuntergang und notiere
dabei auch den Augenblick, in dem das letzte Sonnenlicht verschwindet
(sofern die Sonne nicht diffus im Dunst verblasst).
Nach einem Schaltjahreszyklus von vier Jahren geht die Sonne wieder
(fast) exakt am selben Punkt und zur selben Zeit unter wie am selben
Kalenderdatum vier Jahre früher. Ich finde in meinen Notizen drei
Fälle, in denen an vier Jahre auseinanderliegenden Tagen der Himmel
klar genug für eine gute Zeitmessung war:

15.01.1997 16:41:07 MEZ -2.5°C
15.01.2001 16:41:11 MEZ -11.1°C

24.03.1999 18:26:16 MEZ 9.5°C
24.03.2003 18:26:11 MEZ 10.5°C

27.10.1999 17:57:56 MESZ 11.2°C
27.10.2003 16:57:59 MEZ 2.1°C

Da ich die jeweilige genaue Horizonthöhe nicht kenne, läßt sich nicht
ermitteln, inwieweit die Refraktion hier eventuell vom Mittelwert ab-
weicht. Es läßt sich jedoch erkennen, daß die Streuung der Meßwerte
untereinander nur wenige Sekunden beträgt, und ein Teil davon mag
auch noch durch die Messungenauigkeit bedingt sein. Die Horizonthöhe
liegt jeweils um die 0.5°.


Ein anderer Fall:

Von meinem Beobachtungsort aus kann ich bei klarem Horizont Sirius
hinter einem ca. 40 km entfernten Berg aufgehen sehen (Höhe knapp 1°).
Bei stets konstanter Refraktion sollte die Ortssternzeit des Aufgangs
immer dieselbe sein. Es ergeben sich folgende Beobachtungen:

LST

19.01.1999 02:06:02
20.01.1999 02:06:02
30.11.1999 02:06:01
26.01.2000 02:06:01
27.01.2000 02:06:01
11.12.2000 02:06:10
21.11.2001 02:06:10
29.01.2002 02:06:25
30.10.2003 02:06:43
02.11.2003 02:06:15
04.11.2003 02:06:14
09.11.2003 02:06:12
19.11.2003 02:06:18
20.11.2003 02:06:19

Abgesehen von einer präzessionsbedingten Drift zu späteren Aufgangszeiten
ist nur eine relativ geringe Streuung feststellbar, die auch im Extremfall
eine halbe Minute nicht überschreitet und meist deutlich geringer ist
(jedenfalls in diesem relativ kleinen Sample, und es ist noch nicht einmal
auszuschließen, dass die Messung vom 30.10.2003 durch eine niedrige Wolken-
bank verfälscht wurde).


- der Weltzeit UT. Unsere Uhren zeigen aber UTC an, welche um bis zu 0.9
Sekunden von UT abweichen kann. Auch ein exakt berechneter Sonnenauf-
gang würde dann auf einer nach dem Zeitzeichen gestellten Uhr mit einem
Fehler von knapp einer Sekunde gemessen (okay, dieser Punkt beunruhigt
nur Puristen :)


Fazit: der Einfluß der nicht exakt berechenbaren Faktoren mag sich unter
Umständen bis in den Minutenbereich bemerkbar machen, ist aber in den
meisten Fällen deutlich geringer.

Während sich Sekundengenauigkeit nicht erreichen läßt, ist IMHO eine bloße
Minutenangabe schon wieder etwas zu pessimistisch (in den meisten Fällen).
Ich gestehe gerne, daß ich lieber eine Sekundenangabe habe, bei der ich
selber Abstriche machen kann, als daß mir eine fertig zusammengestrichene
Minutenangabe vorgesetzt wird.

Das ursprüngliche Posting ist eine vorwiegend theoretische Betrachtung
zum Problem des frühesten Sonnenuntergangs, und da sind die Sekunden halt
nötig, um den Tag des frühesten Untergangs eindeutig zu identifizieren.
In der Praxis ist dieser Tag je nach Änderung der Temperatur- und Druck-
verhältnisse bzw. Auftreten von Temperaturinversionen sicherlich weit
schlechter definiert.



> Für den Ort 50N 10E spucken Guide7 bzw. CdC folgende Zeiten für den
> Sonnenuntergang im Dez. 2003 aus:
> Datum----------GUIDE7-----CdC
> 06.Dez.2003----16:22-----16:21
> 07.Dez.2003----16:22-----16:20
> 08.Dez.2003----16:22-----16:20
> 09.Dez.2003----16:21-----16:20
> 10.Dez.2003----16:21-----16:20
> 11.Dez.2003----16:21-----16:20
> 12.Dez.2003----16:21-----16:20
> 13.Dez.2003----16:21-----16:20
> 14.Dez.2003----16:21-----16:20
> 15.Dez.2003----16:21-----16:20
> 16.Dez.2003----16:21-----16:20
> 17.Dez.2003----16:22-----16:20
> 18.Dez.2003----16:22-----16:20
> 19.Dez.2003----16:22-----16:21
> 20.Dez.2003----16:23-----16:21

Dann verwendet aber mindestens eines von beiden eine relativ grobe
Näherungsrechnung zur Bestimmung der Untergangszeit (offenbar in
der Ansicht, daß das wohl genüge, da ja eh nur Minuten ausgegeben
werden). Die Konventionen bei einer solchen Berechnung sollten
aber hinreichend wohldefiniert sein, so daß unterschiedliche Imple-
menationen auch zum selben Ergebnis (im Sekundenbereich) führen sollten.

Tschau,
Thomas

harald c. greier

unread,
Dec 1, 2003, 7:28:30 PM12/1/03
to
Hallo Thomas,


> So kann man es sehen. Oder man bemüht eben die Zeitgleichung.

Fehlt noch die Mathematische Ausformulierung :)
Ich meine nicht die Zeitgleichung, das ist kein Problem, aber gibt es
eigentlich Kalkulationen rund um das Analemma als mathematische Kurve?


>> Ich denke auch es ist praktisch "unmöglich" bzw. macht keinen Sinn,
>> Sonnenauf- und Untergangszeiten auf die Sekunde genau anzugeben, weil
>> das einfach von zu vielen nicht exakt berechenbaren Faktoren abhängt.
>
> Jein. Eine sekundengenaue Angabe ist wenig sinnvoll, da der exakte
> Sonnenauf- bzw. -untergang u.a. von Folgendem abhängt:
>

[ausführliche Erläuterungen gesnippt]

>
> Andererseits jedoch:
>
> Diese starke Streuung bezieht sich nur auf Beobachtungen unmittel-
> bar am Horizont (0° Höhe). In größeren Höhen wird sie geringer aus-
> fallen.
>
> Ich beobachte seit mehreren Jahren den Sonnenuntergang und notiere
> dabei auch den Augenblick, in dem das letzte Sonnenlicht verschwindet
> (sofern die Sonne nicht diffus im Dunst verblasst).

Das mache ich auch (eher näherungsmäßig :), allerdings auf 1800 m
Seehöhe mit Bergen als Horizont, d.h. die Sonne steht entsprechend hoch
genug, das die Refraktion noch halbweg in den Griff zu bekommen ist.

Sehr interessante Boebachtungen! Mit Ausreißern muss man wohl immer
rechnen. Sch*** Statistik :)


> - der Weltzeit UT. Unsere Uhren zeigen aber UTC an, welche um bis zu 0.9
> Sekunden von UT abweichen kann. Auch ein exakt berechneter Sonnenauf-
> gang würde dann auf einer nach dem Zeitzeichen gestellten Uhr mit einem
> Fehler von knapp einer Sekunde gemessen (okay, dieser Punkt beunruhigt
> nur Puristen :)

Das meine ich wohl auch.

>
> Fazit: der Einfluß der nicht exakt berechenbaren Faktoren mag sich unter
> Umständen bis in den Minutenbereich bemerkbar machen, ist aber in den
> meisten Fällen deutlich geringer.
>
> Während sich Sekundengenauigkeit nicht erreichen läßt, ist IMHO eine bloße
> Minutenangabe schon wieder etwas zu pessimistisch (in den meisten Fällen).

Es mag sein, das es "pessimistisch" ist. Bei genauerer Betrachtung
bewegen wir uns aber schon lange auf schwammigem Terrain, es hilft alles
nichts. Meiner Ansicht nach ist es legitim, Sekundenwerte
hinzuschreiben, aber am Schluss geht es doch nur darum, dass das Kind
einen Namen hat, man "streitet" sich um den richtigen Begriff, so es
diesen gibt.
Nicht einmal das U.S. Naval Observatory gibt Sekundenwerte an, es
berechnet sie vielleicht intern schon, rundet dann aber auf Minuten.


> Ich gestehe gerne, daß ich lieber eine Sekundenangabe habe, bei der ich
> selber Abstriche machen kann, als daß mir eine fertig zusammengestrichene
> Minutenangabe vorgesetzt wird.

Da spricht der Naturwissenschafter ;) Klar ist es besser, ein
Sekundenergebnis - wenn auch mit stat. Streuung - zu einem Minutenwert
auszukommentieren :)

>> Für den Ort 50N 10E spucken Guide7 bzw. CdC folgende Zeiten für den
>> Sonnenuntergang im Dez. 2003 aus:

>> [..]

>
> Dann verwendet aber mindestens eines von beiden eine relativ grobe
> Näherungsrechnung zur Bestimmung der Untergangszeit (offenbar in
> der Ansicht, daß das wohl genüge, da ja eh nur Minuten ausgegeben
> werden). Die Konventionen bei einer solchen Berechnung sollten
> aber hinreichend wohldefiniert sein, so daß unterschiedliche Imple-
> menationen auch zum selben Ergebnis (im Sekundenbereich) führen sollten.

Sind sie ja auch, ich nehme mal an, dass die Werte von Guide "genauer"
sind. Es berücksichtig ja auch die oben angeführten Algos für Luftdruck
und Temperatur. Inwieweit Rundungsungereimtheiten zu Tage treten, kann
ich nicht sagen. Ich kenne keine Software, die bei Auf- u.
Untergangszeiten Sekundenwerte in der Ausgabe hat, wozu auch?

Ich schließ jetzt mal mit einem Absatz aus dem erwähnten Kapitel:
[Meeus,16, Atmospheric Refraction]
...
For heights of a few degrees the results of the formulae should be
judged with care. Near the horizon unpredictable disturbances of the
atmosphere become rather important. According to investigations by
Schaefer and Liller [5], the refraction at the horizon fluctuates by
0.3° around a mean value normally, and in some cases apparently much
more. Remembering our Chapter about accuracy, it should be mentioned
here that giving rising or setting times of a celestial body more
accurately than to the nearest minute makes no sense.
...


greets
harald


--

harald c. greier

unread,
Dec 2, 2003, 10:03:35 AM12/2/03
to
Hallo Manfred,


> Nein, sind sie nicht. Guides Auf/Untergangszeiten waren noch nie so
> furchtbar genau, der einzige, winzige Schwachpunkt in diesem imho
> perfekten Programm.

Das dieses Prog einen "Schwachpunkt" hat ist ja kaum zu glauben :)
SCNR. Wie du in einem anderen Thread schon bemerkt hast, berechnet man
offensichtlich intern "sehr genau" (was immer das heißen mag) und rundet
dann (oder zwickt's ab), wie das z.B. in Guide genau gemacht wird wäre
interessant zu wissen...

>
> Ich *vermute* (weiß es natürlich nicht), daß Guide die
> Untergangszeiten nicht interpoliert, sondern einfach von den
> Sonnenkoordinaten für einen bestimmten Zeitpunkt ausgeht und dann
> einen Näherungswert für Kulmination und Tagebogen verwendet. Ist nur
> eine Vermutung - man könnte es durch eine "Versuchsreihe" klären
> (Guide auf verschiedene Uhrzeiten an einem Tag stellen und beobachten,
> ob und wie sich die Ergebnisse ändern.

(UZ=Untergangs-Zeit)

Ich habe das über den Daumen mal gemauch (guide), für die Sonne z.B. ist
es egal, ob man bei der Tageszeit 01:00 Uhr (also möglichst weit weg von
der UZ) angibt oder auch die UZ des entsprechenden Tages selbst. Man
bekommt immer das selbe Ergebnis.
Nicht so bei CdC, das sind scheinbar andere Mächte am Werk :)
In CdC ist die angezeigte UZ - zumindest das, was in der Kalendertabelle
angezeigt wird - abhängig von der ausgewählten Tageszeit. Ist zwar nicht
"viel", aber eben beobachtbar (siehe Tabelle unten).


> Oder Bill Gray direkt fragen (sollte ich vielleicht mal tun).

Tja, den Herrn kann ich leider nicht, da hast du sicherlich einen
besseren Draht.

[...Ephem-Daten...]

> Die Uhrzeiten in der zweiten Spalte sind der "exakte" Output (auf
> Millisekunden genau - oh je!) der ersten Rechnung. Wie man sieht,
> werden in der dritten Spalte die (programmintern gleichen) Zeiten
> einfach abgeschnitten, nicht (auf-) gerundet.
>
> Die Tendenz in den Höhen in der rechten Spalte kommt durch den
> Algorithmus zustande, den ich verwende. Der bedingt, daß die Höhen um
> den gesuchten Wert von -50' herum periodisch mit einer Amplitude von
> +/-16'' schwanken. Das bedeutet für den hier betrachteten Fall einen
> Fehler von einer bis höchstens zwei Sekunden in der Untergangszeit.
> Vor dem Hintergrund, daß das Programm aber stur -50' als Standardwert
> für die Effekte von Refraktion und Halbmesser der Sonne annimmt (wie
> vom Astronomical Almanach empfohlen), führen sich die Sekunden von
> selbst ad absurdum.

Alles klar.
Ich habe ja geschrieben, dass ich kein Programm kenne, das bei den AZ/UZ
Sekunden angibt. Tja, Lügen gestraft :)
Gerade gestern habe ich von meinem StarryNightPro das aktuelle Update
4.5.2 eingespielt, und siehe da, jetzt werden o.g. Zeiten (auch
Durchgang) *mit* den Sekundenwerten angegeben. Ich habe mir die UZ für
die in diesem Thread genannten Daten gleich mal zu Gemüte geführt,
weiters habe ich auch eine Tabelle aus CdC kreiert, einmal mit Uhrzeit
12:00 und einmal direkt zur UZ am aktuellen Tag.

Datum CdC 12:00 CdC zur UZ h in ['](zur UZ) SN Pro452
06.12 16:21 16:22 -34 16:19:05
07.12 16:21 16:21 -29 16:18:47
08.12 16:20 16:21 -31 16:18:32
09.12 16:20 16:21 -32 16:18:20
10.12 16:20 16:21 -33 16:18:11
11.12 16:20 16:21 -34 16:18:05
12.12 16:20 16:21 -34 16:18:03
13.12 16:20 16:21 -34 16:18:04
14.12 16:20 16:21 -34 16:18:08
15.12 16:20 16:21 -33 16:18:15
16.12 16:20 16:21 -31 16:18:25
17.12 16:20 16:21 -30 16:18:39
18.12 16:21 16:21 -27 16:18:56
19.12 16:21 16:22 -33 16:19:16
20.12 16:21 16:22 -30 16:19:39


CdC Daten für 50N 10E, Höhe 0m, 1012.9 mbar, 0°C
(SN Pro452 Daten zu jeder Tageszeit gleich)

Warum die Höhenwerte von CdC in dieser Form variieren ist mir
schleierhaft. Wie man sieht stimmen die Daten von SN Pro sehr gut mit
denen des High Precision Ephemeris Tool überein.


>>more. Remembering our Chapter about accuracy, it should be mentioned
>>here that giving rising or setting times of a celestial body more
>>accurately than to the nearest minute makes no sense.
>

> Vollkommen richtig.

Dass Thema ist also wohl nichts für Genauigkeits-Fetischisten :)
Ich dank dir für die ausführlichen Anmerkungen.

greets
h.c. greier

--

Heiko Arnemann

unread,
Dec 2, 2003, 4:09:14 PM12/2/03
to
"Thomas Schmidt" <sch...@hoki.ibp.fhg.de> schrieb im Newsbeitrag
news:3FCBCFA8...@hoki.ibp.fhg.de...

> Ich beobachte seit mehreren Jahren den Sonnenuntergang und notiere
> dabei auch den Augenblick, in dem das letzte Sonnenlicht
verschwindet
> (sofern die Sonne nicht diffus im Dunst verblasst).
> Nach einem Schaltjahreszyklus von vier Jahren geht die Sonne wieder
> (fast) exakt am selben Punkt und zur selben Zeit unter wie am selben

ganz viel gesnipped

> 27.10.1999 17:57:56 MESZ 11.2°C
> 27.10.2003 16:57:59 MEZ 2.1°C

Hallo Thomas,
jede gesnippte Zeile tat mir weh :-)

Herzlichen Dank für Deine Angaben, denn sie haben
mich ermutigt, noch viel mehr eigene Messungen anzustellen.

In den theoretischen Berechnungen werden die
*wesentlichen Einflußgrößen, die ich mal mit
"umgebenes Landschaftsprofil" umschreiben möchte idR.
nicht berücksichtigt.

Nach meinem letzten Umzug (Luftlinie vielleicht nur 7 km),
kann ich die Berechnungsergebnisse nurnoch mit
einem systematischen Fehler von 4 Minuten wiedergeben
(berechnet nach Meeus),
wohingegen an meinem frühren Wohnort, vielleicht eine
halbe Minute genau die Sonne unterging.

Ein Landkartenstudium hat mich noch nicht viel
weiter gebracht, aber ich bin guter Hoffnung, mit
weiteren Messungen einen systematischen Fehler
aufzeigen zu könnnen.

Grüße
Heiko


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