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Korsika (mit Zwischenüberschriften)

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hwicht

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Sep 28, 2008, 1:45:31 PM9/28/08
to
Korsika
(mit romanischen Zwischenüberschriften)

Prooemium

Wenn man nach Korsika reist - mit dem Motorrad und grossem Latinum zumal -
dann stehen einem als Kradfahrer und Altsprachler bei der Reisevorbereitung
zwei Hauptinformationsquellen zur Verfügung. Primo freilich des Jörg Jonas'
Reiseberichte hier in drm und secundo selbstverständlich Uderzos/Goscinnys
"Asterix in Korsika". An den Bildern, die die drei von Korsika zeichnen,
müssen nur minimale Retuschen und ein paar Ergänzungen angebracht werden.
Miniaturen gilt es hinzuzufügen, kleine Stimmungsbilder, eine Sprechblase
der
werten Sozia hie und da, und mitunter auch eine Gedankenblase (des Autors,
vorausgesetzt, dass ihm ein Gedanke kam).


Viae Corsicae

Soweit die schiere Kradfahrerei betroffen ist, ist Korsika allemal eine
Reise wert. Obwohl, das muss an dieser Stelle mal ganz offen und deutlich
gesagt werden, es dort auch nicht anders ist als anderswo: es gibt nur zwei
Sorten von Kurven - linksrum und rechtsrum. Ein Spezifikum der korsischen
Kurven jedoch ist, das hinter ihnen des öfteren Schweinerotten die Strasse
bevölkern. Über die zutrauliche - um nicht zu sagen: zudringliche - Natur
dieser berüsselten Paarhufer wird noch zu reden sein. Weitere
Alleinstellungsmerkmale der korsischen Trassen: die weitgehende Abwesenheit
von Geraden zwischen den Kurven, und der schier endlose Grip. Wenn nicht
gerade Sand, Steine oder Schweinescheisse in der Kurve liegen, was nicht
selten vorkommt.

Anfangs, bei der Umfahrung des "Cap Corse" (das ist die "Nase", die im
Norden aus der Insel hervorragt), wollt' ich den Jonas schon verfluchen, der
Euch und uns riet, die Insel zu befahren: was für ein Geholper! Später, im
gebirgigen Zentrum und im Süden der Insel wurden die Strassen dann immer
besser.


Poids lourdes

Was ein Segen war. Denn die beste Sozia der Welt betrachet Motorradfahren
als eine Art von kunstgewerblich/kulinarischer Speditionsunternehmung mit
quasi unbegrenztem Gepäckvolumen und keinerlei Limitationen der Nutzlast.
Ausserdem, so hat sie im Laufe der Jahre gemerkt, fahre ich je langsamer um
die Ecken, je schwerer die Kiste beladen ist. Das ist sehr in ihrem Sinne
(geradaus will sie rasen, um die Ecken hingegen schleichen...). Ergo packte
sie schon in Südfrankreich, auf der Anreise, diverse dickwandige Töpferwaren
in die grosse Gepäckrolle. Ausserdem nie ohne Cola, Mineralwasser, Rotwein,
Käse- und Wurstkollektion im Tankrucksack. Weissbrot dazu. Bädeker Italien,
Frankreich, Korsika. Für mich noch Julian Barnes' grandioser neuer Roman
"Nothing to be Frightened of" - ein Buch über den Tod, dem man als
Kradfahrer ja schliesslich in jeder schweinebeschissenen und sandbefleckten
Kurve am Steilhang in's Auge schaut. Ausserdem (Geschenk vom Ignaz Schmucki,
danke) ein Buch von Niklaus Meienberg, grandioser Schreiberling, dem die
Daseinsfreude dermassen aus jedem Knopfloch herausschaute, dass er sich mit
53 aufhängte. Ich bin 50 .. kurz, es darf einem ja auch im Urlaub nicht zu
wohl werden. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir auf Korsika die morbide
Grundeinstellung verlören?

Das wiegt alles ziemlich, das ist nicht nur gedankenschwer, das ist auch in
Dezi- und Kilogramm nicht so ganz ohne Gewicht. Zumal meine Holde auch noch
ihr - wie sie sagt - "Büro" mitschleppt. Während ich nämlich abends Rotwein
trinke und Morbides lese, führt sie ihr Reisetagebuch. Und wer meiner Frau
Reisetagebücher noch nicht gesehen hat, der glaubt es nicht - sie füllen
mittlerweile knapp 5 Regalmeter. Es sind grosse DIN A4-Hefte, in die -
garniert von handgeschriebenen Texten - alle möglichen und unmöglichen
Memorabilia des jeweiligen Reisetages eingeklebt werden: Postkarten, Photos,
Restaurantrechnungen, Eintrittskarten, Wurstetiketten,
Marmeladendöschenfoliendeckel und Leckereienpappschachtelaufdrucke:
Hauptsache bunt. Alles, schlicht alles, was ihr im 2D-Format auf der Reise
unter die Finger kommt und aufbewahrenswert erscheint, wird dort eingeklebt
und kommentiert. Aber nicht irgendwie - nein: akkurat (sie ist
Schweizerin). Ergo sind stets Scheren, Bastelmesser, Metalllineal (wegen
der geraden Schnitte) diverse Klebstoffe, Tipp-Ex (Schreibfehler werden
sofort unsichtbar ausgebessert) und ein Arsenal verschiedener
Schreibwerkzeuge mit an Bord. Ausserdem - man weiss ja nie, ob man vor Ort
auch die Postkarten findet, die man gerne hätte - wird eine Kollektion der
wichtigsten Reiseprospekte, die schon VOR dem Urlaub zu Hause gesammelt
wurden, mit auf die Reise genommmen. Abends, nach der täglichen Besichtigung
dessen, was die Prospekte als sehenswert empfahlen, werden jene
zerschnippelt und - sofern das Gesehene der Verewigung im Reisetagbuch als
würdig befunden wurde - auszugsweise ins Reisetagebuch eingeklebt. Oder
gar - ganz buchbindermässig - eingenäht, denn oft reicht der Platz in den
Heften gar nicht. Dann müssen eben Zusatzseiten eingebaut werden. Diese
Reisetagebücher sind ein Knaller: wenn wir irgenwo schon mal waren, dann
findet sie noch nach Jahren mit traumwandlerischer Sicherheit in ihnen den
Namen, die Telefonnummer und die Internetadresse desjenigen Bäckers, der die
besten Kekse vor Ort buk, des Metzgers mit der besten Wurst, das Panforte
mit den dicksten Nüssen.

Aber das "Büro" wiegt und ist sperrig: einer der recht geräumigen
Seitenkoffer der Honda ist ihm vorbehalten. Voller Papier, sauschwer. Und
wenn sie könnte, dann würde sie nicht nur die Adresse des Konditors, die
Etiketten und die Verpackungen der Kekse ins Heft kleben, sondern auch noch
die Kekse selbst. Aber das geht nicht denn, denn die sind 3D.

Natürlich ist ein Urlaub ganz ohne dreidimensionale Souvenirs undenkbar. Und
überhaupt wollte sie vor allem aus einem Grund nach Korsika. Vor zwei
Jahrzehnten war sie schon mal da. Im Reisetagebuch von damals findet sich
der Eintrag, dass der Kastanienlikör der "Domaine Orsini" ganz ausgezeichnet
sei. Leider sind die zwei Flaschen von damals nun leer (haben 20 Jahre
gehalten - sie trinkt so gut wie nichts) und der Laden verkauft nur direkt.
Also müssen wir dahin, Likör für den Rest ihres Lebens kaufen. Die "Domaine
Orsini" ist dank perfekter Dokumentation von Lage und Anfahrtsweg rasch
gefunden. Alldort kauft sie 5 Flaschen quietschsüssen Likörs aus Kastanien
und Feigen (woraus ich dreisatzmässig schliesse, dass sie an die Hundert zu
werden gedenkt.) Ich hingegen kriege eine Flasche mit scharfem Myrtenschnaps
(dem voraussichtlich - ebenso wie mir - ein deutlich weniger langes Leben
beschieden sein wird).

Dann macht sie Anstalten ("Du sagst doch immer, dass wir Gewicht auf'm
Vorderrad brauchen...") die 6 Flaschen Schnaps im Tankrucksack zu verstauen
("Schmeiss' halt das Kettenspray und das Werkzeug 'raus.."). Mein inniges
Flehen, von diesem Ansinnen Abstand zu nehmen, zeigt erst Wirkung, als ich
nachweislich die dermassen beladene Kiste nicht mehr vom Seitenständer in
die Vertikale kriege. Irgendwie schaffen wir es dann (sie hat die Kiste mit
den Flaschen derweil unter dem Arm) auf's nächste Postamt. Es ist übrigens
gar nicht so einfach, in einem korsischen Dorf während der Siesta
Verpackungsmaterial für den Postversand von Schnapsflaschen aufzutreiben.
Und ich weiss auch nicht, ob ein deutsch/schweizerisches
Motorradfahrer-Pärchen, das korsische Altpapiercontainer auf der Suche nach
Kartons und Stopfmaterial durchwühlt, in den Köpfen der zusehenden Korsen
das rechte Bild vom ökonomischen Zustand Mitteleuropas erzeugt. Egal. Karton
und Stopfmaterial fanden sich, auch schmutzige Unterhosen, Socken und
ähnlicher Detritus aus eigener Produktion konnte nutzbringend zwecks
Pufferung untergebracht werden. Dann machte der Dorfladen auf, in dem es
alles gab, sogar breites Klebeband, und der Schnaps wurde heimgeschickt.

Schon ist er da. Ich trink jetzt einen Myrtenschnaps, um die Erinnerung
wachzurufen, und mich für das folgende in Stimmung zu bringen.


La Vie en Corse

Doch, es ist schön auf Korsika. Ob sie, die Insel, jetzt aber wirklich "ta
kalliste" (= "die Schönste") ist, aus welchem Wort der Griechen, wie mich
der Bädeker lehrt, sich ihr Name ableitet: das weiss ich nicht. Es fehlt so
ein wenig der "ultimative Kick". Es ist wie die Haute-Provence und die
Riveria, auf Westentaschenformat zusammengeschrumpft. Nicht weniger schroff,
nicht weniger idyllisch, aber viel kleinteiliger. Es fehlt der Kontrast von
drangvoller Schluchtenenge und epischer Lanschaftsweite, den die Provence
bietet. Manche Städte (Bonifacio, Sartene) sind sehr schön. Die meisten
Dörfer auf dem Land und in den Bergen sind recht nullig, oft herrlich
gelegen, aber architektonisch fad. Die wenigen Korsen, mit denen wir
gebrochen französisch in's Gespräch kamen, entpuppten sich als nette Leute.
Keiner war beleidigt, keiner klappte ein Messer auf - ausser der Dame im
Geschäft in Sartene, der wir zwei korsische Klappmesser abkauften. Schöne
Messer gibt es da...

Eingedenk der Schiffsexplosion in "Asterix auf Korsika" hatten wir grosse
Hoffnungen auf den korsischen Käse gesetzt. Sie wurden enttäuscht. Ich muss
hinzufügen, dass ich - dass wir beide, meine Holde und ich - was Käse
angeht, von einer Furchtlosigkeit sind, die mir im Alltagsleben und meiner
Süssen in Schräglagen (s.o.) ansonsten völlig abgeht. Bei mir komt noch der
Hang zum Morbiden (s.o.) dazu. In Lyon zum Beispiel haben wir einen
Weichkäse gefunden, der die Konsistenz und die Farbe von weichem Nasenpopel
hatte (grüngelbblaubräunlichrosapastellfarben-schleimig), der uns grossen
Genuss bereitete. Von Korsika erwarteten wir entsprechend Explosiveres,
fanden jedoch nur ziemlich fade Hartkäse. Und einen Ziegenweichkäse, dessen
Farbe und Textur (bräunlicher Talgdrüsenschmier, wie von eingebluteten
Mitessern) zunächst verlockend erschien, der sich dann aber als völlig
versalzender, entfernt nach Ziege schmeckender Langweiler erwies, selbst
wenn man ihn völlig stilecht mit dem Klappmesser auf Brot schmierte. Nein.
Auch sonst, vom Schnaps mal abgesehen (s.o.) kein echter kulinarischer
Fortschritt gegenüber der Provence. Von den Preisen her aber schon: eine
teure Insel. Alleine die Klappmesser-Preise...


La Vieh en Corse

Abgesehen vom Klappmmesser (Modell "Vendetta") habe ich aus Korsika die
Einsicht mitgebracht, dass ich, sollte ich mich je gezwungen sehen,
auszuwählen, was ich auf Korsika sein möchte (was allerdings
unwahrscheinlich ist) folgende Existenzen in folgender Reihenfolge der
Präferenzen annehmen möchte:

1) Hund
Uderzo und Goscinny haben nicht gelogen: überall Hunde. Klein bis
mittelgross, undefinierte Rassen. Hundeleinen sind unbekannt: die grosse
Freiheit. Die macht die Hunde offenbar erstens schläfrig, zweitens friedlich
und drittens schrullig. Lieblingsbeschäftigungen sind: Herumliegen (die
Funktion des korsischen Wachhundes scheint darin zu bestehen, dass er an
unerwarteter Stelle querliegt, wo der Einbrecher dann über ihn stolpert und
sich in dem oft äusserst abschüssigen Gelände oder auf den steinernen
Treppen den Hals bricht). Gelegentlich ein Spaziergang, Bäume abpinkeln, den
Kumpels "Wau" sagen. Den schrulligtsen aller Hunde haben wir in Sartene auf
dem Marktplatz gesehen, derweil wir - Pastis trinkend - in einer Bar sassen.
Abends, kurz nach Sonnenuntergang, als alle anderen Tölen schon weg waren,
kam er schnurstracks von irgendwoher zur Mitte des leeren Platzes gedackelt.
Dort, exakt in der Mitte, blieb er stehen. Und sagte etwa alle fünf
Sekunden, in grosser Ernsthaftigkeit und an niemanden gerichtet: "Wau".
Manchmal auch "WauWau" oder "WauWuffWau". Wir haben versucht, ihn mit einem
Stück Wurst zu ködern, um freundlichen Streichelkontakt aufzunehmen. Das
interessierte ihn gar nicht. Wir, die Wurst - er schaute durch uns hindurch,
wie durch Luft. Er hatte eine Mission: mitten auf dem leeren Marktplatz in
Sartene "Wau" sagen. Mitunter auch "WauWau". Mindestens eine halbe Stunde
lang. Es sass noch, als wir gingen. Doch, Hund auf Korsika, seiner Freiheit,
seiner Faulheit und seinen Schrullen leben: das wär's!

2) Katze
Im Prinzip wie 1), nur durch den Umstand erschwert, dass man weglaufen muss,
wenn grössere und vor allem zufällig aktive Exemplare von 1) erscheinen.
Bonus allerdings: meine Frau, die neuerdings stets Katzenfutter in der
Tasche der Motorradjacke hat, um, zwecks Verteilung von Streicheleinheiten,
Katzenvolk anzulocken. Gelingt nicht immer.

3) Schwein
Wieder ein Punkt für Uderzo/Goscinny: "Ich mag diese Wälder! Sie sind voller
Schweine..." (zit. Obelix). In der Tat. Die korsischen Hausschweine leben
das Leben einer Wildsau: frei, kurz, aber heftig. Man treibt sie in die
(Ess-)kastanien und Eichenwälder, wo sie sich in völliger Freiheit bewegen,
mästen und vermehren, und nicht selten trifft man am Strassenrand oder auf
der Strasse so eine Rotte, mit Dutzenden quiekender Frischlinge. Die
Kontaktaufnahme gestaltet sich ganz einfach: man muss nur Katzenfutter in
der Tasche haben. Die beste aller Sozias steigt ab, gibt einem der süssen
Frischlinge ein wenig Katzenfutter, und sofort ist die ganze Bagage da. Ein
Rucksack, abgesetzt und einen Moment aus dem Auge gelassen: zack, zwei
Schweinerüssel drin, der Katzenfuttervorrat wird samt Plastiktüte gefressen.
Frischlingsrüssel in allen Jackentaschen. Auch Motorradstiefel kann man
probeweise mal anbeissen. Und aus dem Tankrucksack riecht es verführerisch
nach Korsenkäse. Ist nur ein bischen hoch oben ... vielleicht, wenn man das
dickste Schwein vorschickt, das ein wenig an das Motorrad schubst,
vielleicht fällt das Ding dann um, und man kommt 'ran...

Eilige Flucht. (Unsererseits, die Schweine, hat man einmal ihr Interesse
geweckt, sind nur schwer zu vertreiben).

Doch, Schwein auf Korsika ist kein schlechter Job. Irgendwann ist man tot
und wird verwurstet - aber das geht uns Menschen ja auch nicht anders. Nur
dass wir im allgemeinen ERST im Berufs- und Alltagsleben verwurstet werden,
und DANN tot sind, bei den Schweinen geht es andersrum: erst Leben in
Freiheit, dann tot, und dann Wurst. Ich weiss nicht, was besser ist. Gute
Überleitung zum 4. korsischen Daseinswunsch aber, und der lautet:

4) Leiche.
Zugegeben: es mangelt diesem Seinswunsch an Lebendigkeit, dafür ist er
preiswert, was auf Korsika (sagte ich schon, dass es teuer ist?) ein nicht
zu verachtender Vorteil ist. Wie 1) und 2) hat man wenig zu tun, wie 3) die
Verwurstung hinter sich, anders als jene aber wohnt man richtig nett. Nicht
überall, aber doch vielerorts ersparen die Korsen ihren Toten die
Kasernierung auf Friedhöfen. Statt dessen stellen sie kleine freistehende
Granithäuschen in die Landschaft, in denen sie ihre Angehörigen, und später
auch sich selbst zur Ruhe legen (werden). An schönen Stellen, mit netter
Aussicht, neben dem Gemüsegarten, am Weinberg, im Olivenhain. Es fehlen zwar
die Fenster - aber wollen wir doch hoffen, nehmen wir's doch als Symbol
dafür, dass die Innenansichten des Todes erfreulicher sind als all die
Aussenansichten, die das Leben zu bieten hat. Jedenfalls sind die kleinen
Nekrovillen (oder sagt man: "Nekrodome"? Oder "-domuli"? Wie von "domulus":
"das Häuschen") -- jedenfalls sind die kleinen Totenhäuschen recht hübsch
anzusehen.


Peroratio

Freilich waren wir auch noch ganz anderswo. In Burgund und der Provence
(Töpferwaren und leckerste Käse, s.o.), in Ligurien, der Toscana, in
Umbrien, in der Emilia Romana und in der Lombardei (Süsswaren, Schinken,
diverse vorzügliche Hartkäse, Chianti, Trüffeln aus Aqualungha etc.etc. --
irgendwer hat mal gesagt: "Das Essen ist der Sex des Alters." Wenn ich mir
so den Inhalt des prallen Tankrucksackes und dann den meiner Unterhosen
ansehe, dann muss ich zugeben: der Mann hatte recht.)

In Bologna haben wir das Ducati-Museum verpasst, dafür den Friedhof
"Sertosa" angesehen, der jenes sicher aufwiegt, zumal wir dort das
Familiengrab der "Cavaillere Ducati" fanden. Und ein Grabmal für die toten
Helden des Motorradsports, so etwa von 1935. Maranello haben wir links
liegen gelassen, und in Mandello del Lario war das Guzzi-Museum wie üblich
zu. Dafür haben wir beim örtlichen Bäcker eine Leckerei entdeckt, die wir
noch nicht kannten: klebriger Schokoladenkuchen mit Pinienkernen.

Dann war endgültig Schluss: der Tankrucksack reichte mir bis an's Kinn, ich
konnte die Instrumente nicht mehr ablesen und die Fuhre schaukelte auf jeder
Bodenwelle nach, als ob sie keine Stossdämpfer hätte. Irgendwie hab' ich das
Ding noch über den Splügenpass gewuchtet, dann noch nach Chur und durch's
Appenzell (sie fand DOCH noch Platz für drei Biber [ein Marzipangebäck] und
eine grosse Nusstorte) -- aber dann nichts wie auf der BAB nach Hause, via
Stuttgart. Zum Maultaschenkauf hatte sie dann auch keine Lust mehr.

Gelungener Urlaub also.

Ach so, das hier ist ja drm, und nicht de.rec.mampf ... die Varadero
brauchte unterwegs einen neuen Kettensatz (sehr merkwürdig, der alten
Kette/dem Kettenblatt war nichts anzusehen, war noch im "grünen"
Spannbereich - fing aber plötzlich an, unter Last zu knarzen).
Honda-Vertretung in Aix-en-Provence: danke für die flotte Arbeit! In Dijon
haben wir die vollbeladene Karre umgeworfen - beim Rangieren, und zwar nach
links. Jetzt sind die Koffer wenigstens links und rechts symmetrisch
verkratzt, mit der rechten Seite bleib' ich daheim immer am Hoftor hängen.
Sonst war nix auf 6tkm. Honda halt.


Helmut Wicht
sig. kaputt

Henning Schanz

unread,
Sep 28, 2008, 1:53:25 PM9/28/08
to
Hi!

hwicht schrieb:
> Korsika
> (mit romanischen Zwischenüberschriften)

Klasse!

Viele Grüße

Henning

--
MZ ETZ 250
Honda CB 550 Four

Message has been deleted

Wolfgang Decker

unread,
Sep 29, 2008, 10:23:41 AM9/29/08
to
"hwicht" <lob...@gmx.de> schrub:

Sehr sehr schön.

>Anfangs, bei der Umfahrung des "Cap Corse" (das ist die "Nase", die im
>Norden aus der Insel hervorragt), wollt' ich den Jonas schon verfluchen, der
>Euch und uns riet, die Insel zu befahren: was für ein Geholper!

Wir haben das stilecht auf der Rückfahrt zur Fähre Richtung Bastia
gemacht. Samt vollgepacktem Auto, einem Sohnemann, dem bei Kurven immer
schlecht wird, einer Tochter, die ihre Augen eher im Buch oder am
Display des Gameboys hatte und die die ins Auto reinscheinende Sonne
(sowie damit natürlich auch die Aussicht auf die Landschaft) mittels ins
Fenster gehängtem Tuch aussperrte sowie einer fotographierwütigen Sozia
am Beifahrersitz. Letztere wurde des öfteren fast zum Verhängnis, da sie
immer genau dann, wenn ich ein mit 15km/h dahinzuckelndes Gefährt
*endlich* überholen konnte, stehenbleiben und Fotos machen wollte.

Wir hatten ohnehin bereits viel viel Zeit als Polster eingeplant, dass
allerdings das Navigationsgerät bei jeden gefahrenen 10 Minuten fünf
weitere Minuten der Gesamtzeit hinzuaddierte war nicht geplant.
Zudem hege ich ein - wie soll ich's sagen - recht entspanntes Verhältnis
zum Betanken der Dose, was sich idR in einem "na das wird sich schon
ausgehen" widerspiegelt.
Meine Erinnerung an die Westküste des Cap Corse beschränkt sich daher
auf die Gedanken an die schwindende Erreichbarkeit der Fähre und an das
Suchen nach einer Tankstelle oder einer Marina, die ja vielleicht auch
mit ein wenig Diesel aufwarten hätte können. Ich muss dort nochmal hin,
mit dem Motorrad. Und natürlich mit mehr Zeit und Sprit.

Ja, es gab dann in irgendeinem der spärtlich gesääten kleinen Dörfer
eine Zapfsäule, aus der dann auch dankenswerterweise Sprit floss. ;-)
Und die Ostseite kann dann auch mit einer breiten Straße aufwarten, auf
der man locker überholen und ein bisschen Zeit gutmachen kann.

>Aussenansichten, die das Leben zu bieten hat. Jedenfalls sind die kleinen
>Nekrovillen (oder sagt man: "Nekrodome"? Oder "-domuli"? Wie von "domulus":
>"das Häuschen") -- jedenfalls sind die kleinen Totenhäuschen recht hübsch
>anzusehen.

Hm, die sind mir nicht aufgefallen.

Inflationär waren allerdings die Kreuze am Wegesrand, wahrscheinlich wie
bei uns auch - an die Unfallopfer erinnern sollten. Die waren mitunter
auch fast schon Grabesstellen gleich, gemauert, Kerzen, frische Blumen,
etc. Alleine auf den knapp 20 Kilometer von unserem Quartier nach
Ajaccio waren IIRC acht dieser Gedenkstellen aufgebaut.

Ein Tipp: Bleib beim Motorrad und nimm NIE die Dose. Du gibst sonst
zuviel Geld für Mitbringsel aus. Man sollte auch nicht glauben, was in
eine große Dose alles hineingeht.

lg
wode
--
>Ich für meinen Teil hab' ganz gerne beim Motorradfahren verbale Funkstille.
>Ich will den Motor bollern, den Wind rauschen und mich selber denken hören.
H. Wicht in drm. 100% ACK.
Neu: http://www.traumrouten.com/namibia

hwicht

unread,
Sep 30, 2008, 2:51:30 AM9/30/08
to

"Wolfgang Decker" <wode_mu...@yahoo.de> schrieb

> > Jedenfalls sind die kleinen
> >Nekrovillen (oder sagt man: "Nekrodome"? Oder "-domuli"? Wie von
"domulus":
> >"das Häuschen") -- jedenfalls sind die kleinen Totenhäuschen recht hübsch
> >anzusehen.
>
> Hm, die sind mir nicht aufgefallen.

Na, ich will doch mal hoffen, dass ich da nicht die Werkzeugschuppen in den
Gemüsegärten mit Totenhäuschen verwechselt habe. Ich bin nicht abgestiegen,
um mir das näher anzusehen, bilde mir aber ein, im Vorbeifahren auf manchen
Aufschriften wie "Familie XYZ" und Kreuze gesehen zu haben. Bestattet man so
seinen Spaten?

>Ein Tipp: Bleib beim Motorrad und nimm NIE die Dose. Du gibst sonst
>zuviel Geld für Mitbringsel aus. Man sollte auch nicht glauben, was in
>eine große Dose alles hineingeht.

Hast Du Dich schon mal nach den Postversandpreisen für schwere Güter wie
Alkoholika erkundigt? 40 Euro für den Versand von 6 Flaschen Likör aus
Korsika nach FFM. Im übrigen sind Juwelen, Schmuck und handgeschmiedete
korsische Klappmesser aus Damaszener-Stahl Gegenstände, deren Quotient
(Raum- x Gewichtsforderung / Preis) [kgm^3/Eur] erstaunlich niedrige,
motorradkompatible Werte erreicht.

--
Helmut Wicht
wicht(klammeraffe)em.uni-frankfurt.de
www.wehklagen.de
www.gehirn-und-geist.de (-> Wichts Winkel)

Hermann Gräf

unread,
Sep 30, 2008, 3:21:43 AM9/30/08
to
On Sun, 28 Sep 2008 19:45:31 +0200, "hwicht" <lob...@gmx.de> wrote:

>zwei Hauptinformationsquellen zur Verfügung. Primo freilich des Jörg Jonas'
>Reiseberichte hier in drm und secundo selbstverständlich Uderzos/Goscinnys
>"Asterix in Korsika".

Jörg Jonas war mir zum Zeitpunkt meiner Korsika Reise nicht bekannt,
die Akuratesse mit der Korsika da beschrieben wurde hat mich dazu
übergehen lassen vor Auslandsreisen grundsätzlich mal das passende
Asterx Heft zur Hand zu nehmen um einen atmosphärischen eindruck zu
bekommeen.
Zudem ist die Info von durchaus praktischer Relevanz.
In Korsika nicht blöd Fraueen anquatschen
In Belgien Pommes Frittes Essen
In der Schweiz nicht zu spät kommen und Käsefondue essen
usw. usf.
Und die Wurst die so frisch ist, daß man den esel noch schreien hört.
Und die MAchia
einer meiner Lieblingsgeschichten über Korsika, von der ich nciht weiß
ob sie stimmt, aber sie passt so gut zu meinem Bild v. Korsika, das
allerdings u.A. v. dieser Geschichte geprägt ist, daß die Sache ein
wenig zirkulär wird, aber egal, schön Geschichte jedenfalls: Die
Korsen versuchen ja seit Jahrhunderten sich der Franzosen zu
entledigen, irgendwann im 17Jhdt. oder so ist ihnen das Mal gelungen,
sie sind dann eine Art Föderation mit Italien eingegangen und Italien
hat sie nach ein paar Jahren an Frankreich verkauft.

>Soweit die schiere Kradfahrerei betroffen ist, ist Korsika allemal eine
>Reise wert. Obwohl, das muss an dieser Stelle mal ganz offen und deutlich
>gesagt werden, es dort auch nicht anders ist als anderswo: es gibt nur zwei
>Sorten von Kurven - linksrum und rechtsrum. Ein Spezifikum der korsischen
>Kurven jedoch ist, das hinter ihnen des öfteren Schweinerotten die Strasse
>bevölkern.

Und Schafe.
Massig Schafe
Kann unübersichtlich werden, wenn man (mit einem lauten Motorrad das
die Schafe dermaßen verschreckt, daß sie nur von dir weg wollen -
selbstverständlich nach vorne) versucht auf der Strasse eine
Schafherde zu überholen.
Speziell, wenn das hinter dir fahrende MR noch lauter ist, was dann
auch die Schafe die du schon überholt hast dazu bewegt in völliger
Panik links, rechts, über und unter dir davon wegzukommen.

>danke) ein Buch von Niklaus Meienberg, grandioser Schreiberling, dem die
>Daseinsfreude dermassen aus jedem Knopfloch herausschaute, dass er sich mit
>53 aufhängte.

Hatte allerdings kurz davor einen MR Unfall in Frankreich.
Interpretiert man das kausal (was jeder der halbwegs vernünftig ist
natürlich tut) sollte die Prävention leicht fallen.

>Doch, es ist schön auf Korsika. Ob sie, die Insel, jetzt aber wirklich "ta
>kalliste" (= "die Schönste") ist, aus welchem Wort der Griechen, wie mich
>der Bädeker lehrt, sich ihr Name ableitet: das weiss ich nicht. Es fehlt so
>ein wenig der "ultimative Kick".

Das hab ich wieder genau umgekehrt in Erinnerung.
In 2h vom Meer über supere Strassen in's großartige Gebirge hab ich
super gefunden.


[noch viel]

Super Bericht.
Sogar den Hinweis darauf, daß der Ausländer es wagt
(selbstverständlich zuviel) Geld zu nehmen hast du noch untergebracht.

--
"Three, Four""
Iron Butterfly - In a Gadda Da Vida

Joerg Jonas

unread,
Oct 3, 2008, 5:48:02 AM10/3/08
to
On Sun, 28 Sep 2008 19:45:31 +0200, "hwicht" <lob...@gmx.de> wrote:

>Er hatte eine Mission: mitten auf dem leeren Marktplatz in
>Sartene "Wau" sagen. Mitunter auch "WauWau". Mindestens eine halbe Stunde
>lang.

Wau! (Wauwau!) Gef�llt mir, warum war ich eigentlich nicht dort,
sondern habe mich im �u�ersten S�dwesten Europas herumgetrieben und
mein Motorrad auf meine Hand geworfen?

Mein Lieblingshund war �ber viele Jahre der Hund in Vivario, der vor
der �rtlichen Bar herumlag, gelegentlich aus dem Brunnen trank und
jeden, der eine Mahlzeit zu sich nahm, mit seinen gro�en, von
irgendwelchen Infektionen gezeichneten Augen begleitete - ohne je
aufdringlich zu sein. Das �u�erst h��liche Vieh war einfach nur da.
Inzwischen ist er tot, er verstarb im letzten Winter.

Ich glaube, wir nehmen hier bei uns die Arbeit, das Geld, den Erfolg,
reich werden, sch�n sein und ein Haus zu bauen viel zu wichtig. So ein
korsischer Hund zeigt einem dann, wie das Leben auch sein kann.
Sch�ner Bericht, aber Deine Sozia nimmt es einfach zu
wissenschaftlich...

Gr��e

-JJ

P.S.: Korsika ist sackteuer! Ich habe dort f�r eine Nacht auf dem
Zeltplatz schon mehr bezahlt, als in Portugal f�r ein Zweisternehotel,
dem eigentlich ein dritter Stern verliehen geh�rt.

Joerg Jonas

unread,
Oct 3, 2008, 7:08:05 AM10/3/08
to
On Tue, 30 Sep 2008 09:21:43 +0200, Hermann Gr�f <muella...@gmx.at>
wrote:

>Die Korsen versuchen ja seit Jahrhunderten sich der Franzosen zu
>entledigen, irgendwann im 17Jhdt. oder so ist ihnen das Mal gelungen,

>sie sind dann eine Art F�deration mit Italien eingegangen und Italien


>hat sie nach ein paar Jahren an Frankreich verkauft.

Wenn ich mich recht erinnere, hat Pascal Paoli die Korsen im 18.
Jahrhundert befreit und ihnen eine kurze Periode der Unabh�ngigkeit
beschert. Davon zeugen heute noch unz�hlige Denkm�ler, Schulen,
Altersheime, Stra�ennamen, Gedenktafeln, Pl�tze, Museen, Bars,
Restaurants und Hotels, aber keine Biersorten oder Cols. Die Korsen
sind ziemlich stolz auf ihn.

Gr��e

-JJ

Richie Stafflinger

unread,
Oct 6, 2008, 8:57:09 AM10/6/08
to
Am Sun, 28 Sep 2008 19:45:31 +0200 schrieb hwicht:

> Korsika
> (mit romanischen Zwischenüberschriften)

Danke für den Bericht, sehr amüsant!

[..da habe ich mich fast verlesen..]
> besten Kekse vor Ort buk, des Metzgers mit der besten Wurst, mit den dicksten Nüssen.

[..niemals zuvor habe ich jemals nachvollziehbarere Käsebeschreibungen
gelesen..]


> Weichkäse gefunden, der die Konsistenz und die Farbe von weichem Nasenpopel
> hatte (grüngelbblaubräunlichrosapastellfarben-schleimig), der uns grossen
> Genuss bereitete. Von Korsika erwarteten wir entsprechend Explosiveres,
> fanden jedoch nur ziemlich fade Hartkäse. Und einen Ziegenweichkäse, dessen
> Farbe und Textur (bräunlicher Talgdrüsenschmier, wie von eingebluteten
> Mitessern) zunächst verlockend erschien, der sich dann aber als völlig
> versalzender, entfernt nach Ziege schmeckender Langweiler erwies, selbst

Ich bekam in "La Piarre" einen Käse vorgesetzt, den der Wirt "Auf der
Flucht erschossen" nannte. Also sollte wirklich jemals ein Käse auf der
Flucht sein und dabei erschossen werden, dann muss er genau SO aussehen und
schmecken.

> irgendwer hat mal gesagt: "Das Essen ist der Sex des Alters." Wenn ich mir
> so den Inhalt des prallen Tankrucksackes und dann den meiner Unterhosen
> ansehe, dann muss ich zugeben: der Mann hatte recht.)

War das der Metzger mit der Wurst und den dicken Nüssen? ;-)

> Gelungener Urlaub also.

Sehe ich auch so...

> Sonst war nix auf 6tkm. Honda halt.

Besser ist das, sonst wäre da wieder so langweiliger Reparaturkrams zu
lesen. Das lasse mal lieber der NSU und der Guzzi über, die haben das auch
mehr verdient ;-)

Also wird deine Holdsozia das nächste Krad nach der finalen Packgröße und
Zuladungsfähigkeit aussuchen?

Richie

Ralf Kleineisel

unread,
Oct 6, 2008, 10:58:40 AM10/6/08
to
Richie Stafflinger wrote:

> Also wird deine Holdsozia das nächste Krad nach der finalen Packgröße und
> Zuladungsfähigkeit aussuchen?

Goldwing + Anhänger?

--
Ralf Kleineisel - http://www.kleineisel.de/ralf/motorrad (__)
-------------------------------------------------- ____(oo)
wts#247 rrr#247 Honda CJ 250 T BMW R 80 GS / \/
dlisugc#247 wd#42 Red Cow verleiht Flüüüüüügel! /||---||
------------------------------------------------- ^^ ^^

Wolfgang Decker

unread,
Oct 6, 2008, 10:57:12 AM10/6/08
to
Ralf Kleineisel <ra...@kleineisel.de> schrub:

>Richie Stafflinger wrote:
>
>> Also wird deine Holdsozia das nächste Krad nach der finalen Packgröße und
>> Zuladungsfähigkeit aussuchen?
>
>Goldwing + Anhänger?

Wer gibt sich mit solchem Kleinkram ab?
Wenn, muss es schon
<http://www.harley-uwe.de/assets/images/Lustiges3.jpg> sein.

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