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Retrospektive: "Lost Highway" (1997)

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Ralf Ramge

unread,
Jun 9, 1998, 3:00:00 AM6/9/98
to

Hi,

nachdem der Status der Retrospektiven in de.rec.film.misc geklärt
ist, krempeln wir uns die Ärmel hoch und sorgen für ein kleines
Comeback mit der 13. Folge. Passend zu dieser unheilsschwangeren
Zahl braucht man natürlich einen düsteren Film und ich habe daher
"Lost Highway" aus dem Schrank gezogen.

Ein Leser meinte zwar, eine Retrospektive über "Lost Highway" zu
schreiben würde bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen, ich sehe
das jedoch ziemlich genau andersrum. Ich erinnere mich noch gut
daran, daß ich gegen Bundesstart des Films auf eine oder mehrere
Kritiken zu diesem Film in de.rec.film.misc wartete - naja,
genaugenommen warte ich darauf heute noch ;) Es gab eine heftige
Diskussion über den Film (welche ich interessiert verfolgte, denn
zugegebenermaßen hatte ich den Film zu diesem Zeitpunkt noch
nicht gesehen, Asche auf mein Haupt) aber im großen und ganzen
bestehen Artikel zu diesem Film in erster Linie aus einem großen
"Häääääh?". Schon alleine das macht den Film zu einem heißen
Kandidaten für eine Retrospektive; hinzu kommt noch, daß die
Retrospektiven sich auf "den besonderen Film" konzentrieren und
in diese Kategorie gehört der Film auf jeden Fall.

Ich habe mir "Lost Highway" soeben nochmal angesehen und mir
sozusagen aufgrund Nervosität wegen des Schreibens dieser Retro
die Fingernägel abgeknabbert. Wer den Film kennt, wird das wohl
nachvollziehen können - immerhin haben wir es hier mit einem Film
zu tun, bei welchem selbst renommierte Kritiker wie Siskel&Ebert
unfreiwillig in ein Selbst-Outing schlitterten. Ich hoffe mal,
daß hier für mich die Zahl 13 nicht vom Aberglauben zur Realität
mutiert und ich den Kopf aus der Schlinge ziehen kann.

Ich habe auch lange überlegt, ob ich bei diesem Film die
Beschreibung der Handlung nicht skippen soll, eigentlich ist es
im Endeffekt nur Ballast, da eine Analyse als unumgänglich
erscheint. Habe sie dann jedoch trotzdem dringelassen, denn
letztendlich kriegt man hierdurch einen Eindruck davon, was man
als Zuschauer als Handlung unmittelbar vermittelt bekommt. Wie
üblich dient als Grundlage der Retro die Originalfassung, Zitate
können im Wortlaut also von der deutschen Synchro abweichen.

Den Anhang lasse ich in der drfm-Version weg, er wäre zu
umfangreich (Drehbuch, ca 160 KB). Sage ich hier, weil ich im
Text wohl auf das Drehbuch verweisen werde. Wer es haben will,
kann es bei der WWW-Version der Retrospektive finden
(voraussichtlich ab morgen abend).


---8<- SCHNIPP -8<---


"Ein Noir-Horror-Film des 21. Jahrhunderts. Eine graphische
Untersuchung in parallelen Identitätskrisen. Eine Welt, in
welcher die Zeit gefährlich außer Kontrolle geraten ist. Ein
erschreckender Ritt auf dem Lost Highway."

- David Lynch, 21. Juni 1995


Die Daten:

Titel: Lost Highway
Studio: Asymmetrical/CiBy 2000/Lost Highway Prod.
Jahr: 1997
Produktion: Deepak Nayar, Tom Sternberg, Mary Sweeney
Regie: David Lynch
Drehbuch: David Lynch, Barry Gifford
Kamera: Peter Deming
Musik: Angelo Badalamenti, Barry Adamson (mit Songs
von David Bowie, Rammstein, u.a.)
Laufzeit: 135 Minuten
Bildformat: 2.35:1


Die Handlung:

Fred Madison (Bill Pullman) wird durch ein Klingeln an seiner
Haustür aufgeschreckt. An der Wechselsprechanlage bekommt er nur
einen einzigen Satz zu hören: "Dick Laurent ist tot". Ein
prüfender Blick durch ein Fenster zeigt jedoch nur eine leere
Straße.

Der Jazz-Musiker Fred lebt mit seiner Frau Renée (Patricia
Arquette) in einer kargen, dunklen Wohnung. Ähnlich wie die
Wohung sieht auch ihre Partnerschaft aus: man hat sich nicht
allzuviel zu sagen, reagiert beinahe apathisch aufeinander. Als
Fred eines Abends wieder einen Auftritt in seiner lokalen
Jazz-Kneipe "Luna Lounge" hat und er Renée mitnehmen möchte,
lehnt sie ab, da sie sich nicht wohl fühlt. Angeblich jedenfalls,
denn als Fred später am Abend zuhause anruft, nimmt sie den Hörer
des Telefons nicht ab. Nach seiner Rückkehr findet Fred seine
Frau jedoch brav schlummernd im Bett vor. Die Eifersucht ist
allerdings gesät.

Am nächsten Morgen findet Renée in der Post einen Umschlag ohne
Absenderangabe vor, welcher ein Videoband beinhaltet. Fred und
Renée sehen es sich an. Es zeigt ihr Haus von außen, die Kamera
nähert sich der Eingangstür, Ende der Aufnahme.

Am Abend dieses Tages macht sich Fred nach dem Zubettgehen die
Mühe, Renée zu besteigen. Er bringt es jedoch überhaupt nicht,
der Flop des Tages. Anschließend erzählt er Renée von einem
Traum, den er ihn der Nacht zuvor hatte: Er sei im Haus gewesen,
er habe gehört, wie Renée ihn rufe. Er habe sie im Bett liegend
vorgefunden, doch sie sei es nicht gewesen. Nach dieser
Schilderung wendet er sich Renée zu, doch was er sieht, ist nicht
ihr Gesicht, sondern ein gänzlich fremdes. Er schaltet seine
Nachttischlampe ein, doch seine Sinne schienen ihn zu täuschen.


Am nächsten Morgen findet Renée wieder ein Videoband vor dem
Haus. Es scheint mit dem ersten identisch zu sein - doch an jener
Stelle, an welcher die erste Aufnahme ihr Ende erreicht hatte,
geht es hier noch weiter. Es zeigt das Innere der Wohnung bei
Nacht, die Kamera begibt sich über den Gang in ihr Schlafzimmer
und zeigt Fred und Renée schlafend. Die beiden rufen die Polizei,
doch es werden keine Anzeichen eines Einbruchs gefunden.

An diesem Abend sind Renée und Fred zu Gast auf einer Party,
welche von Andy (Michael Massee), einem Bekannten Renées, gegeben
wird. Fred wird auf einen kleinen, blassen und völlig in Schwarz
gekleideten Mann (Robert Blake, im folgenden "Mystery Man"
genannt) aufmerksam, welcher sich ihm umgehend nähert. Der
Mystery Man spricht Fred an und behauptet, man sei sich schonmal
begegnet. Fred möchte wissen, wo dies der Fall gewesen sei. Bei
ihm zu Hause, lautet die Antwort. Genauer gesagt sei er jetzt in
diesem Augenblick gerade in Freds Wohnung und Fred möge dort
anrufen, um sich zu vergewissern. Fred tut dies und prompt nimmt
der Mystery Man am anderen Ende der Leitung ab. Nach dem Ende
dieser Begegnung fragt Fred seinen Gastgeber Andy, wer der
mysteriöse Partygast gewesen sei. "Ein Freund von Dick Laurent."
Fred erwidert spontan, Laurent sei doch tot, was bei Andy
Verwunderung auslöst.

Auf dem Rückweg zum gemeinsamen Haus möchte Fred von seiner Frau
wissen, woher sie Andy kennt. Sie erwidert, er habe ihr einst
einen Job angeboten. Beim Haus angekommen, meint Fred darin einen
Einbrecher gesehen zu haben und betritt die Wohnung daher
alleine. Doch außer einem kurzzeitig läutendem Telefon findet er
nichts vor und kehrt zum Auto und Renée zurück.

Später am Abend macht sich Renée für's Bett fertig und begibt
sich danach auf die Suche nach Fred, den sie wider Erwarten nicht
im Schlafzimmer vorfindet. Sie ruft ihn, erhält keine Antwort. Im
Wohnzimmer ist er auch nicht, sie läuft den dunklen Flur in die
Schwärze hinein. Kurz danach taucht Fred aus dieser Schwärze auf.


Der nächste Morgen. Fred findet prompt ein weiteres Videoband
vor, sieht es sich dieses Mal alleine an. Wie gehabt: Das Haus
von außen, die Kamerafahrt über den dunklen Flur ins
Schlafzimmer, doch dann zeigt die Kamera erschreckende Bilder:
Fred kniet blutbesudelt über der zerstückelten Leiche von Renée.


Fred wird verhaftet und zum Tode auf dem elektrischen Stuhl
verurteilt. Im Todesstrakt wird Fred von Schlaflosigkeit und
heftigen Kopfschmerzen gepeinigt, er wird von Visionen regelrecht
überfallen.

Eines Morgens, während der üblichen Inspektion, macht ein
Gefängniswärter eine eigentümliche Entdeckung. In Freds Zelle
sitzt nicht mehr Fred, sondern ein unbekannter junger Mann. Er
wird als Pete Dayton (Balthazar Getty) identifiziert und mit
einem Schulterzucken wieder in die Obhut seiner Eltern (Gary
Busey und Lucy Butler) übergeben. Zwei Agenten heften sich
natürlich an seine Fersen.

Pete ist mit Sheila (Natasha Wagner) liiert und arbeitet als
Automechaniker in "Arnie's Garage". Er hat keine Ahnung, was mit
ihm passiert ist und es erscheint alles als schlechter Traum
- wäre da nicht die Kopfwunde übriggeblieben, welche ihn mit
Kopfschmerzen segnet. Pete ist der Stammechaniker von Mr. Eddy
(Robert Loggia), einem zwielichten Gangster und
Porno-Produzenten, den die beiden observierenden Beamten als Dick
Laurent identifizieren. Eines Tages fährt Mr. Eddy wieder in der
Werkstatt vor und Pete wird auf seine Begleitung aufmerksam: eine
sehr beeindruckende junge Blondine names Alice Wakefield
(Patricia Arquette). Pete und Alice bandeln miteinander an, was
von Mr. Eddy nicht unbemerkt bleibt. Ebenso wird Petes
eigentliche Freundin Sheila mißtrauisch und liefert Pete vor den
Augen seiner Eltern eine heftige Szene.

In einem Gespräch zwischen Pete und seinen Eltern stellt sich
heraus, daß in der Nacht von Petes Verschwinden etwas
grauenvolles passiert sein muß. Er kehrte in Begleitung von
Sheila und eines anderen Mannes nach Hause zurück, doch mehr
wollen ihm seine Eltern nicht erzählen.

Die Lage beginnt, stressig zu werden. Pete möchte in Erfahrung
bringen, was in jener Nacht mit ihm passiert ist, doch seine
Eltern weigern sich, es ihm zu erzählen. Seine Freundin ist ihm
davongelaufen, seine neue Bekanntschaft Alice provoziert Ärger
mit Mr. Eddy. Und ein nächtlicher Anruf von Mr. Eddy bringt das
Faß zum Überlaufen: Mr. Eddy reicht den Hörer an einen Freund
weiter, den Mystery Man. Dieser behauptet, er und Pete seien sich
schonmal begegnet, in seiner Wohnung.

Pete und Alice beschließen, miteinander abzuhauen. Alice hat
einen Plan: Sie lernte einst einen Mann namens Andy kennen,
welcher sie als Pornodarstellerin bei Mr. Eddy einführte. Sie und
Pete wollen in Andys Haus eindringen, ihn ausrauben, das
gestohlene Zeug bei einem Hehler in der Wüste loswerden und dann
das Weite suchen.

Gesagt, getan. Bei dem Einbruch geht eine Kleinigkeit schief,
Andy kommt zu Tode. Das bringt Pete ziemlich aus der Reihe, er
will ins Badezimmer. Der Flur vor dem Badezimmer erscheint ihm
jedoch endlos lang, die Türen sind mit Nummern versehen. Er
öffnet eine Tür und bekommt einen Mann zu sehen, der sich
schnaufend auf einer Art "Huren-Ausgabe" von Alice zu schaffen
macht. Pete schlägt die Tür wieder zu - der Flur hat wieder sein
normales Aussehen, die Zahlen an den Türen sind verschwunden. Er
kehrt zu Alice zurück, die beiden machen sich auf den Weg.

In der Wüste bei der Hütte des Hehlers angekommen stellen sie
fest, daß dieser noch nicht eingetroffen ist und sie warten
müssen. Alice und Pete beginnen, sich im Scheinwerferlicht zu
lieben. Pete wiederholt mehrfach "Ich will Dich", bis Alice sich
plötzlich erhebt, ihm sagt, er würde sie niemals haben und nackt
in die Hütte verschwindet.


Pete erhebt sich vom Boden - doch er ist nicht mehr Pete, er ist
Fred Madison. Fred folgt Alice, doch er findet in der Hütte nur
den Mystery Man vor, welcher mit einer Videokamera bewaffnet auf
Fred losgeht. Fred flieht - und begibt sich zum "Lost Highway
Hotel".

Im "Lost Highway Hotel" angekommen sieht er Renée, wie sie nach
einer Nummer mit Dick Laurent das Gebäude verläßt. Fred schlägt
Dick Laurent zusammen und verfrachtet seinen Körper in den
Kofferraum seines Wagen, heimlich beobachtet vom Mystery Man. In
der Wüste angekommen öffnet Fred den Kofferraum wieder und es
kommt zu einem Handgemenge zwischen ihm und Dick Laurent - einem
kurzen Handgemenge jedenfalls, denn der Mystery Man erscheint auf
dem Spielplan und drückt Fred ein Messer in die Hand, mit welchem
er Dick Laurent die Kehle durchschneidet. Der Mystery Man zeigt
dem Sterbenden einige Szenen aus einem Pornofilm, in welchem
Renée zu sehen ist und verschwindet wieder.


Es ist wieder Tag, vor dem Hause von Fred Madison. Fred nähert
sich der Eingangstür, klingelt und spricht die Worte "Dick
Laurent ist tot" in die Wechselsprechanlage. Er wird von den
beiden Polizeibeamten, welche die Morde an Renée und Andy
untersuchen gesehen, es kommt zu einer Verfolgungsjagd. Fred
flieht mit dem Auto in den Sonnenuntergang der Wüste, bis Blitze
durch den Innenraum des Wagens zucken, seine Haut Blasen zu
werfen beginnt und plötzliche Stille über den Highway
hereinbricht.


Der Kommentar:


"Besser man weiß nicht so viel über die Bedeutung der Dinge oder
wie man sie interpretieren könnte, denn sonst wird man zuviel
Angst haben, um sie einfach geschehen zu lassen. Psychologie
zerstört das Mysterium. Es kann auf bestimmte Neurosen oder
andere Dinge zurückgeführt werden, und sobald es definiert wurde
und einen Namen trägt, verliert es seine Mysteriösität und sein
Potential für eine beeindruckende, unendliche Erfahrung". Dieser
Ausspruch von David Lynch kann als Leitfaden für seine Arbeit als
Drehbuchautor und Regisseur angesehen werden, denn dieser Aspekt
ist in seinen Spielfilmen stets präsent. Der Workaholic
Allround-Künstler beschäftigt sich in seinen filmischen Arbeiten
bevorzugt mit den Abgründen der menschlichen Psyche und
überschreitet hier oftmals die Grenzen, welche durch das Kino der
jeweiligen Zeit gesteckt sind. Schon bei seinem ersten
abendfüllenden Film "Eraserhead" wurde dies überdeutlich. Der
Film war dermaßen "abgedreht", daß Lynch es schwer hatte, einen
Verleih zu finden, woraufhin Lynchs nächste Arbeiten "The
Elephant Man" und "Dune" diesen Aspekt zwar noch immer in sich
trugen, allerdings verhältnismäßig zahm zur Sache gingen. Die
beiden Filme brachten Lynch zwar das Eintrittsticket ins
Mainstream-Kino und sogar eine Oscarnominierung ein, aber
glücklich schien Lynch damit nicht zu sein - es scheint, als ob
er sich bei seinen folgenden Werken wieder langsam in seine
ursprünglich eigenschlagene Richtung vortasten würde. "Blue
Velvet" und "Wild at Heart" sorgten neben internationaler
Beachtung vor allem für handfeste Skandale. Mit der
verhältnismäßig kleinen Produktion "Lost Highway" erreichte Lynch
wieder jenen Level der Mysteriösität, auf welchem David Lynch
sich anscheinend am wohlsten fühlt: die erzählte Geschichte ist
nur vordergründig und damit zweitrangig, was zählt ist die
Erfahrung des Geheimnisvollen und des Abstiegs in die Niederungen
der Seele.

Bei "Lost Highway" wagt Lynch erstmals unverblümt, seine
künstlerischen Bestrebungen nicht nur auf die Leinwand zu
beschränken, sondern auch den Zuschauer zu einem Bestandteil
desselben zu machen. "Normale" Filme oder auch Kunstwerke aus der
Literatur oder der Malerei verfügen über eine gewisse
Eigenständigkeit - der Betrachter kann sie distanziert
begutachten, den Kunstgehalt alleine anhand des Werkes bestimmen.
Sozusagen aus einer göttlichen Perspektive. Bei "Lost Highway"
funktioniert das nicht; man muß sich mit dem Film uneingeschränkt
konfrontieren, ihn auf sich wirken lassen und die eigenen
Reaktionen und Empfindungen in die anschließende Betrachtung des
Werkes mit einfließen lassen. Ansonsten erscheint der Film in
künstlerischer Hinsicht wie ein edler Wein ohne eine schmeckende
Zunge. Lynch legte den ganzen Film daraufhin aus, daß die
Empfindungen des Zuschauers eine tragende Rolle in den 135
Minuten Laufzeit spielen - anstelle wie schon beispielsweise bei
"Wild at Heart", dessen Anreiz oftmals auch auf der provozierten
Reaktion des Zuschauers beruht, wobei dieser Aspekt jedoch in
eine geradlinig erzählte Geschichte eingewoben ist, sprent Lynch
bei "Lost Highway" diese Grenze und erzählt die Geschichte nicht
mehr auf der Leinwand, sondern in den Köpfen und den Herzen des
Publikums. Die von ihm erzählte Geschichte kann so überhaupt
nicht stattfinden, ja ist sogar paradox und nicht
nachvollziehbar. Ich fühle mich stets an die optisch verwirrenden
Zeichnungen von Escher erinnert - wo Escher mit einer unmöglichen
Perspektive arbeitete, vergreift sich Lynch am Fluß der Zeit und
verpackt die Handlung in ein gigantisches Paradoxon, wodurch man
sie nicht durch die gezeigten Bilder vermittelt bekommt, sondern
sie selbst erkennen muß. Hierdurch hat sich für den Zuschauer das
Thema nicht erledigt, sobald der Vorhang sich wieder geschlossen
hat und er das Kino verläßt - die absolute Verwirrung und die in
den Gesichtern ablesbaren Fragezeichen sind ein beabsichtigter
fester Bestandteil von Lynchs Werk. "Lost Highway" ist Kunstkino
in Reinstform - mit allen Konsequenzen.


Wenn man sich die obenstehende Handlungsbeschreibung durchliest,
ist dieser Effekt bereits spürbar. Die Handlung erscheint als
widersprüchlich, ja sogar zusammenhangslos. Vom eigentlichen
Inhalt des Films hat man hier noch nicht viel erfasst - ähnlich
wie der Kinogänger beim Ende des Films. Wenn ich nun behaupte,
Lynch erzähle eine Geschichte der Eifersucht eines schizophrenen
Geistes, dürfte dies sowohl für den Leser als auch den Kinogänger
als nicht sonderlich einleuchtend erscheinen. Wie ich schon
schrieb, muß man die eigentliche Handlung erstmal erkennen - und
da Lynch in fast jeder Einstellung seines Film entsprechende
Hinweise versteckte, stinkt das förmlich nach einer Analyse.
Einige Hinweise bringe ich hier, um den Einstieg in den Film zu
erleichtern - wer den Film vollständig ergründen möchte, dürfte
im Drehbuch eine gute Ausgangssituation vorfinden.

Ich schrieb bereits, daß Lynch in seinem Film ein Zeitparadoxon
schafft. Eine Grundvoraussetzung für das Verständnis ist daher,
den chronologischen Fluß der Zeit völlig außer acht zu lassen. Es
ist lohnender, sich am inneren Aufbau von "Lost Highway" zu
orientieren. Eine grobe Gliederung anhand der Verwandlung
jeweiligen Hauptfigur reicht hier für den Anfang bereits aus:

- Erster Teil: Fred Madison und Renée

- Zweiter Teil: Pete Dayton und Alice

- Dritter Teil: Fred Madison

Diese Gliederung weist der Film für den Zuschauer spürbar vor.
Sobald Fred von der Bildfläche verschwunden ist und Pete die
zentrale Rolle übernimmt, hat man den Verdacht, man säße
plötzlich in einem gänzlich anderen Film. Betrachten wir daher
die ersten beiden Teile genauer, kristallisieren sich erste
Gemeinsamkeiten heraus:

- Fred/Pete liebt eine Frau
- Fred/Pete hat Kontakt mit dem Mystery Man in Verbindung mit
einem Telefon
- Renée/Alice bekommt von Andy einen Job angeboten
- Fred/Pete hält sich einmal in Andys Haus auf
- Fred/Pete verliert die Frau, die er liebt
- Fred spricht von Dick Laurent, Pete kennt Mr. Eddy. Die
Polizisten identifizieren Laurent/Eddy als die gleiche
Person.

Es drängt sich der Gedanke auf, daß Fred und Pete sowie Renée und
Alice ebenfalls jeweils ein und diesselbe Person sind. Erzählt
Lynch daher vielleicht zweimal die gleiche Geschichte? Rein
vordergründig dürfte dies jedoch nicht möglich sein, schließlich
betritt Pete erst nach Freds Inhaftierung die Bühne, rein
chronologisch kann es daher nicht die gleiche Geschichte sein.
Doch da wir den zeitlichen Ablauf außer acht lassen, haben wir
keinen Grund, die ersten beiden Teile der Gliederung tiefergehend
zu betrachten und nach weiteren Indizien zu suchen.

Jetzt stoßen wir auf eine wahre Fundgrube von gut versteckten
Hinweisen:

- Das Gespräch zwischen Fred und dem Mystery Man während
Andys Party wird im wesentlichen wortgleich zwischen Pete
und dem Mystery Man wiederholt. Das gleiche Gespräch zum
gleichen Zeitpunkt?

- Renée wird am zweiten Tag durch das Bellen eines Hundes in
der Nachbarschaft geweckt. Fred will wissen, wem der Hund
gehört - nun, eigentlich sollte er es wissen, denn in der
Einstellung in welcher Pete im Garten herumliegt, sieht man
den Hund im Garten des Nachbars herumlaufen.

- Die Wohnung von Fred und Renée ist düster, weite Bereiche
werden von der Dunkelheit verschluckt, die Musik ist
bedrohlich. Petes Welt erstrahlt in hellem Licht, wie uns
die Gartenszene gleich vermittelt. Ein krasser Gegensatz,
wie die dunklen und hellen Aspekte der Psyche?

- Als Pete im Radio die Musik hört, welche Fred in der Bar
spielte, kann er sie nicht ertragen. "Gute" und "böse"
Seite der Psyche zum zweiten? Zumal die Musik jeweils am
Arbeitsplatz von Fred/Pete erschallt - übrigens haben auch
beide eine Begegnung mit Renée/Alice an diesem Ort, welche
durch Laurent/Eddy überschattet wird.

- Renée erscheint schon beinahe als dämlich und enervierend,
Alice ist dominant und begehrenswert. Wie schon die Umge-
bung von Fred und Pete finden wir auch hier einen krassen
Gegensatz, "Gut" und "Böse" zum dritten.

- Fred ist im Bett eine Niete, Pete eine Erfahrung. Jeder der
beiden bringt eine Bettszene hinter sich, beide sind exakt
gleich inszeniert.

Die Idee mit der gespaltenen Persönlichkeit einer Person anstelle
zweier voneinander unabhängiger Figuren wird beim Nachdenken
immer einleuchtender. Durch die Geschehnisse, die in jeder der
beiden Welten stattfinden, läßt sich sogar ein tatsächlicher
chronologischer Ablauf der Geschehnisse feststellen. Ich stelle
hier jetzt eine Behauptung auf die zur individuellen Überprüfung
geeignet ist: Fred und Pete halten sich zum Beispiel in Andys
Haus auf (dem "Lost Highway Hotel"), zum gleichen Zeitpunkt.
Logisch, denn Fred und Pete sind ja die gleiche Person. Wir
wissen, daß Fred und Renée im Rahmen einer Party dort eingeladen
waren, doch weshalb steht bei Petes Eintreffen das Haus ebenso
leer wie während Freds Aktivitäten im "Lost Highway Hotel" im
dritten Teil des Films? Hier erinnern wir uns an die Szene, in
welcher Fred seiner Frau von seinem Traum erzählt. Nach der
Rückkehr ins traute Heim wird dieser Traum zur Realität, Fred
sucht Renée. Er kehrt zu Andys Haus zurück (im dritten Teil des
Films findet man den Beleg, man vergleiche den Flur mit jenem, in
welchem Pete auf der Suche nach dem Badezimmer landet), die Party
ist beendet. Fred/Pete findet Renée und Laurent dort vor, Renée
verläßt nach dem Nümmerchen das Gebäude, Fred/Pete tötet Laurent
(den Pornoproduzenten) und Andy (brachte Renée/Alice zum
Pornofilm), ebenso tötet er seine Frau nach seiner Rückkehr in
die gemeinsame Wohnung. Hier beachte man auch die kleinsten
Details - Pete sieht Alice in dem Pornofilm mitwirken, in den
späteren Szenen mit Fred an seiner Stelle ist Renée zu sehen.
Bevor Pete das Haus betritt, schaut er kurz auf seine Uhr - man
vergleiche die Uhrzeit mit jener, welche man auf der Uhr in Freds
Zimmer des "Lost Highway Hotel" ablesen kann. Starker Tobak, und
auf dieser detailgenauen Basis arbeitet der ganze Film. So läßt
sich durch genaue Analyse sogar der genaue Zeitpunkt des Todes
von Renée/Alice bestimmen, die Furcht Freds vor der Videokamera
des Mystery Man, die Hinrichtung Freds auf dem elektrischen Stuhl
ist in dem Film zu sehen, usw. Lynch bombardiert uns mit Unmengen
von Querverweisen, die sich zu ergründen anbieten und welche mit
Red Herrings ineinander verwoben sind.

Ein totales Zerdröseln des Films strebe ich hier nicht an; ich
habe schon ein schlechtes Gewissen, weil ich hier Ansatzpunkte
geliefert habe - schließlich liegt das nicht im Interesse Lynchs.
Wie durch das den Kommentar einleitende Zitat schon deutlich
gemacht, zerstört eine Analyse leicht das eigentliche Anliegen
des Mysteriums, was er auch in einem späteren Interview bzgl.
"Lost Highway" betonte. Hier wird gerne seine Aussage zitiert, an
"Lost Highway" gäbe es nichts zu verstehen. Hier fehlt allerdings
der nachfolgende Satz des Interviews, in welchem er sagte, der
Versuch des Verstehens sei genau das, was er dem Zuschauer
schwermachen wolle, denn das Verstehen sei unwichtig. Gegenüber
der Zeitschrift "Rolling Stone" (6. März 1997) wurde er in dieser
Hinsicht noch etwas genauer und kritisierte das Publikum mit
seiner für die heutige Zeit typische Einstellung gegenüber dem
Medium Film: "Jedes einzelne Element eines Films muß auf Anhieb
verstanden werden - und zwar verstanden auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner. Es ist eine wahre Schande. Es gäbe so viele
Orte, an welche sich die Leute begeben könnten, wären sie nicht
so eng an diese Beschränkung gebunden."

Hier gebe ich David Lynch vollkommen recht. Das publikumswirksame
Kino der heutigen Zeit belegt seine These. Die erzählte
Geschichte und ihre Details sind oftmals wichtiger als der Film
als in sich geschlossenes Objekt, die Qualität eines Films wird
an Kleinigkeiten und Teilaspekten gemessen, grandiose Effekte und
bombastischer Soundmix machen aus dünnen Filmchen Meisterwerke
und kleine Fehler degradieren ein gelungenes Gesamtwerk zum Müll
- ganz als ob ein Gemälde von Turner Mist wäre, weil die
Darstellung der Sonne nicht hundertprozentig authentisch gelungen
ist. Die Gesamtheit eines Films ist nicht mehr viel wert und
Lynch gelang das Kunststück, diese Kritik mit "Lost Highway"
nicht nur zu äußern, sondern sie durch das Publikum auch noch
bestätigen zu lassen. Wahrscheinlich saß er grinsend in der Ecke,
als die ersten renommierten Kritiker wie Roger Ebert den Film
einstimmig niedermachten, weil er in sich nicht schlüssig sei und
sie sich von Lynch verarscht fühlten. Ich selbst war hier auch
keine Ausnahme, denn nach dem Kinobesuch lag ich nachts wach im
Bett und versuchte, die Handlung zu ergründen, anstelle den Film
als Ganzes zu betrachten.

Daß Lynch eine Analyse des Films ermöglicht, deutet darauf hin,
daß er zwar seine Kritik anbringen wollte aber keine Amibitionen
hat, diesbezüglich die Welt zu verändern. "Lost Highway" hat
seinen komplex-verdrehten Aufbau nicht, um die Zuschauer zum
Nachdenken anzuregen und das Lynch'sche Kunstverständnis unter
die Leute zu bringen. "Lost Highway" hat man dann erst wirklich
verstanden, wenn man zur Erkenntnis gelangt ist, daß man ihn zwar
verstehen *kann*, ihn jedoch nicht verstehen *soll*. Diese
hauptsächliche Aussage des Films bildet die Grundlage für den
Sachverhalt, den ich einleitend beschrieb: Der Film alleine kann
die Aussage nur dann bilden, wenn der Zuschauer zu einem Teil des
Gesamtwerkes wird, denn ansonsten würde der vorhergegangene Satz
mit den Worten "verstehen kann" enden. Es ist absolut
gerechtfertigt, im Falle von "Lost Highway" den Terminus
"Filmkunst" zu verwenden, denn hier handelt es sich um wesentlich
mehr als nur einen Film.


Betrachten wir nun abschließend den Film aus der handwerklichen
Sicht. Über das Drehbuch braucht man wohl nicht mehr viel zu
sagen, daß hier jedes einzelne Wort ausgefeilt wurde und seinen
festen Platz einnimmt, dürfte wohl klar sein. Lynch und Gifford
(mit welchem er bereits bei "Wild at Heart" zusammenarbeitete)
ließen sich auf keine Schnörkel ein, alles hat seinen Zweck und
dient dem Ziel des Films - angefangen von beiläufigen Sätzen wie
"Wem zur Hölle gehört dieser Hund" bis zu den vermeintlich
hahnebüchenen Dialogen zwischen Fred und Renée.

Die Regiearbeit Lynchs dient ebenso alleine dem Anliegen des
Films, es gibt keine Effekthascherei und Lynch drängt sich als
Regisseur nicht in den Vordergrund. So sollte es sein - mögen
sich Regisseure wie James Cameron oder Scorsese, welche Filmen
nicht nur ihre Optik aufdrücken, sondern oftmals auch
Kameramännern wie Ballhaus noch Gelegenheit bieten, deren
Markenzeichen im Film unterzubringen, davon eine Scheibe
abschneiden. Und die Art und Weise, wie er dem Zuschauer das
Geschehen näherbringt, hat mich zutiefst beeindruckt; vor allem
die erste halbe Stunde bringt mich stets zum Schwärmen. Wo er
Petes Welt vorwiegend konventionell inszeniert, schweift er bei
dunklen Gegenstück (Freds Wohnung) in eine Erzählweise ab, welche
so manchen Horrorfilm geehrt hätte. Das Zusammenspiel von Licht
und Schatten, die Übergänge zwischen Realität und Fiktion (wie
der kurze Einsatz der Nebelkanone in der Traumsequenz) und
natürlich die in Freds Gemäuer vorherrschende unheimliche
Soundkulisse mit ihren extremen Lautstärkeschwankungen und dem
lauten, tieffrequentem Grummeln als Soundkulisse - erstklassig.
Was ebenso auffällt ist sein Umgang mit der Musik, allen voran
natürlich die Schlüsselszenen, in denen die Musik von Rammstein
(die Titel "Heirate Mich" und "Rammstein") zum Einsatz kommt und
die Musik von der Stimmung bis zu Tonschnitt den Eindruck
erweckt, als sei sie extra für den Film komponiert worden. Der
Mann weiß, wie man eine heftige unterschwellige Stimmung erzeugt.
Der einzelne Regiefehler (als Pete und Mr. Eddy die Garage zu
einer Probefahrt verlassen) sei ihm verziehen, da dieser kleine
Ausrutscher keine Bedeutung mit sich bringt und auch nicht
ablenkt.


Was die Kameraarbeit betrifft, kann man ebenso zufrieden sein.
Die Bilder sind auf den ersten Blick nicht imposant
(beispielsweise kaum Einsatz von niedrigen Brennweiten) und
wirken eingangs auch verstörend ungewöhnlich. Der Film ist derart
düster, daß die Optik von Filmen wie "Blade Runner" schon beinahe
als himmlisches Freudenfest erscheint, was den Zugang zugunsten
der Stimmung wiederum erschwert. Lynchs eigenwillige Ausflüge wie
absichtliche Unschärfen oder verwackelte Langzeitbelichtungen mit
kleiner Blende und schnellen Schnittfolgen geben dem Zuschauer
erstmal den Rest, die Sehgewohnheiten werden auch hier
hemmungslos auf den Kopf gestellt. Daß es keine Amateurarbeit ist
wird erst dann richtig deutlich, wenn man sich die einzelnen
Frames betrachtet - man beseitigt so die Irritation und stellt
fest, daß die Bildkomposition umso eindrucksvoller ausfällt, je
ungewöhnlicher eine Einstellung auf Zelluloid gebannt wurde. Die
Beleuchtung so hinzukriegen muß ein wahrer Alptraum gewesen sein
- bildfüllende Farbkompositionen wie "dunkelgrau auf schwarzem
Grund" findet man im Filmbusiness nicht häufig als Leitmotiv. Ich
habe mir den Film noch nicht auf VHS-Video zu Gemüte geführt,
habe aber den Verdacht, daß die Farbgebung und die
Lichtverhältnisse dieses Medium oftmals überfordern dürften.

Auch an den Schauspielern gibt es nicht viel auszusetzen. Bill
Pullman hat den wohl außergewöhnlichsten Film seiner Karriere
gedreht und auch wenn er nicht zur Elite der Schauspielerkaste
gehört, wird er seiner Rolle völlig gerecht. Der Name Patricia
Arquette bereitete mir im Vorfeld etwas unbehagen aber nach dem
ersten Ansehen des Films kann ich ihn mir nur schwer ohne sie in
der weiblichen Hauptrolle vorstellen. Die Kurzauftritte von Henry
Rollins (brav im Rollkragenpullover verpackt, seine Tätowierungen
schwenkt er glücklicherweise nicht in die Kamera) und vor allem
Richard Pryor kommen auch nicht ungelegen - was ich allerdings
von Jack Nance nicht behaupten kann, seine Person lenkte mich vom
Film ab. Da er mittlerweile jedoch leider verstorben ist, möchte
ich auf seinem übertriebenen Auftritt jedoch nicht weiter
herumhacken. Äußerst überrascht war ich jedoch von Robert Loggia.
Aus mittelmäßigen TV-Produktionen bekannt und durch sein nicht
sonderlich beeindruckendes Schauspiel in "Independence Day" habe
ich hier mit dem schlimmsten gerechnet, aber seine Verkörperung
des notgeilen, schräg grinsenden Fieslings Dick Laurent/Mr. Eddy
beeindruckte mich sehr. Bei ihm unterliege ich bereits dem "Jack
Nicholson"-Effekt: Wann auch immer ich seitdem Robert Loggia
irgendwo sehe, vergleiche ich die von ihm verkörperte Rolle
prompt mit jener aus "Lost Highway".


Eine Empfehlung für "Lost Highway" auszusprechen ist gar nicht so
leicht. Auf der einen Seite haben wir es hier mit Lynchs
eindeutig bestem Werk zu tun, welches den Zuschauer auch zum
Ping-Pong-Ball der Emotionen macht und gegen welches auch ehemals
skandalöse Produktionen wie "Wild at Heart" wie ein erholsames
Balsam wirken. Wenn ein Film den Zuschauer im Kino derart unter
Druck setzt wie "Lost Highway", ist das normalerweise eine
uneingeschränkte Empfehlung wert. Es ist schwer, einen Film in
den letzten 10 Jahren Kinogeschichte zu finden, der "Lost
Highway" in qualitativer Hinsicht überlegen ist. Auf der anderen
Seite ist es aber ein Film, der gegenüber dem Publikum rotzfrech
ist und es darauf anlegt, daß man sich danach vorkommt wie der
dümmste Mensch auf Erden. Der Joe Average des Popcorn-Kinos würde
schon bei Erwähnung des Filmtitels hysterisch kreischend
wegrennen. "Lost Highway" ist eine visuelle und geistige Orgie,
und da solche Filme schwer einzuordnen sind, hat man letztendlich
keine andere Wahl, als das Kino auf eigenes Risiko zu betreten.
Vielleicht möchte man sich danach gleich wieder an der Kasse
anstellen, vielleicht langweilt man sich aber auch zu Tode. Falls
letzteres eintritt bleibt dazu noch der schale Nachgeschmack, daß
man mit dieser Reaktion dem kreativen Geist von David Lynch
applaudiert.


Wer sich den Film ansehen möchte, sollte dies wegen der
Lichtverhältnisse entweder in einem Kino tun oder zuhause das
Zimmer möglichst vollständig abdunkeln und den Ton nach
Möglichkeit auf die HiFi-Anlage legen, diese ein wenig aufdrehen
und bis zum Filmende die Finger vom Lautstärkeregler lassen. Ein
aktiver Subwoofer kann bei diesem Film auch richtig Spaß machen.
Ich habe es noch nicht überprüft, verbinde jedoch mit der
VHS-Version sowie einer eventuellen Fernsehausstrahlung keine
allzu großen Hoffnung, was ich mit den extremen
Lichtverhältnissen und den starken Änderungen der Dynamik im
Sound begründe. Benutzer von optischen Medien haben hier freie
Bahn und müssen sich kaum Sorgen machen - von den LD-Besitzern
mal abgesehen, diese sollten nach Möglichkeit von dem US-Release
Abstand nehmen und ihre Fühler nach dem japanischen Release
ausstrecken. Erstens ist die Bildqualität der US-Pressung eher
schlecht und, was schlimmer ist, es handelt sich um eine Pressung
aus dem Hause Sony DADC (mit sozusagen integriertem
Verfalldatum). Der Film hat sich jedoch schon schnell nach seiner
Erstaufführung zu einem Kultfilm gemausert und es ist nicht
schwer, den Film im Programmkino um die Ecke zu erwischen
(sowieso nur dort; aufgrund des antikommerziellen Charakters ging
der Film in den USA auch nur mit 13 und in Deutschland mit 26
Kopien an den Start).


Bewertung:

qualitativ | quantitativ
-------------------------------+---------------------------------
Regie: **** | Anspruch: *****
Buch: ***** | Action: ***
Darsteller: **** | Spannung: ***
Musik: ***** | Humor: *
Kamera: ***** | Erotik: ***
Tonschnitt: ***** | Spezial: ***** (Mystery)
-----------------------------------------------------------------

Gesamteindruck: 4.5 Psychotrips (von 5)

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Legende: | 5 Sterne: Meisterwerk |
| 4 Sterne: sehr gut |
| 3 Sterne: gut |
| 2 Sterne: befriedigend |
| 1 Stern : eher schlecht |
| 0 Sterne: Zeitverschwendung |


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Eine Sammlung aller bisher erschienenen Retrospektiven mit
stellenweise weiterführenden Informationen und Links ist online
im "Retro Park - Das Forum für den besonderen Film" unter der URL
http://www.inka.de/sites/humpty/retros/index.html verfügbar.
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Diese Filmkritik ist © by Ralf Ramge. Publikation durch Dritte,
egal welcher Art, nur nach schriftlichem Einverständnis des
Autors.

- Ralf Ramge, Voice: +49-631-3100455 -

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