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Prof. Dr. Harald Marx: „Rechtschreibung wur de erschwert“

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Elke Philburn

unread,
Aug 25, 2004, 1:05:44 PM8/25/04
to
Neue Osnabrücker Zeitung, 21. 8. 2004

„Rechtschreibung wurde erschwert“

Schriftsprachforscher Prof. Harald Marx: Negative Effekte durch Studien
in Grundschulen belegt

350000 Abc-Schützen, die heute in Niedersachsen eingeschult werden,
sollen auch die neue Rechtschreibung erlernen, über die erneut heftig
gestritten wird. Der Sprachschriftforscher an der Universität Leipzig,
Prof. Dr. Harald Marx, hat in Vergleichsstudien die Rechtschreibleistung
von Grundschülern vor und nach der Rechtschreibreform untersucht und kam
zu interessanten Ergebnissen. Die Fragen stellte Waltraud Messmann. [...]

Mehr dazu hier:

http://www.fds-sprachforschung.de/index.php?show=news&id=86

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 25, 2004, 1:18:48 PM8/25/04
to
Elke Philburn schrieb:

> „Rechtschreibung wurde erschwert“
>
> Schriftsprachforscher Prof. Harald Marx: Negative Effekte durch Studien
> in Grundschulen belegt

In dem Fall empfiehlt es sich, über die Überschrift hinauszulesen:

> Marx:
> [...]Aber insgesamt sind die Rechtschreibleistungen heute schlechter
> als beispielsweise noch vor zwanzig Jahren.
>
> Führen Sie das auch auf die Reform zurück?
>
> Marx:
> Das kann man eben nicht. Es gibt viele Gründe. So ist die Bedeutung
> der Rechtschreibleistung in den Lehrplänen an den Schulen
> zurückgefahren worden. Wir wissen, dass heute ein Drittklässler
> ungefähr so gut rechtschreiben kann wie ein Zweitklässler vor zwanzig
> Jahren. Wir haben eine Verzögerung von einem Jahr, je nach Schultyp
> auch von zwei Jahren.
>
> Ist nicht auch zu erwarten, dass sich die geschriebene Sprache durch
> SMS und E-Mail und die dort üblichen Kurzbotschaften weiter erheblich
> verändern wird?
>
> Marx:
> Das ist sicher eine Erschwernis, dass sich diese Entwicklung
> zeitgleich mit der Rechtschreibreform vollzieht. [...]

Langer Rede kurzer Sinn: die Leute schreiben schlechter als früher, es
ist aber nicht einfach und ausschließlich auf die Rechtschreibreform
zurückführbar.

Philipp

Rüdiger Silberer

unread,
Aug 25, 2004, 5:57:28 PM8/25/04
to
Philipp Reichmuth schrieb:


>Langer Rede kurzer Sinn: die Leute schreiben schlechter als früher, es
>ist aber nicht einfach und ausschließlich auf die Rechtschreibreform
>zurückführbar.

Und auch: die Reform ist schlecht gemacht, von Leuten die keine Ahnung
haben wie gelesen wird.

Und: es werden im Bereich der ß-ss-Schreibung mehr Fehler gemacht als
vorher.

--
ade, Rüdiger

"Die Portugiesen werden gewinnen. Allein schon, weil sie rot-grüne Trikots tragen."
-Franz Müntefering-

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 26, 2004, 5:17:57 AM8/26/04
to
Rüdiger Silberer schrieb:

> Philipp Reichmuth schrieb:
>
>>Langer Rede kurzer Sinn: die Leute schreiben schlechter als früher, es
>>ist aber nicht einfach und ausschließlich auf die Rechtschreibreform
>>zurückführbar.
>
> Und auch: die Reform ist schlecht gemacht, von Leuten die keine Ahnung
> haben wie gelesen wird.

Das steht da nicht. Da steht, daß die Macher der RSR zuwenig
berücksichtigt haben, wie Lesen und Schreiben *gelernt* wird - daß man
nämlich in einer Übergangsphase internalisiert, daß es beide
Schreibungen "daß" und "dass" gibt, und dann nach dem Zufallsprinzip
eine auswählt. Und zwei Absätze vorher steht, daß eben dieses
Auswahlproblem hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß diejenigen,
die die öffentliche Textproduktion dominieren, sich weder konsequent für
die eine noch für die andere Variante entscheiden konnten, hauptsächlich
weil die neue Rechtschreibung ihnen aus irgendwelchen ästhetischen
Gründen nicht gefiel. Zitat: "Weil aber auch die Medien nur teilweise
umgestellt haben, die FAZ zum Beispiel überhaupt nicht, bestand auch aus
der Sicht der erwachsenen Bundesbürger und kritischer Lehrer nicht
wirklich ein hundertprozentiger Zwang zur Umstellung."

Ich verstehe das so, daß die Macher der Rechtschreibreform darauf
vertraut haben, daß es genügt, Rechtschreibung in der Schule zu
vermitteln, und nicht bedacht haben, daß es einen Haufen Leute gab, die
die Rechtschreibreform ablehnen und/oder ignorieren und nach den alten
Regeln weiterschreiben würden. Dadurch, daß es so im öffentlichen
Diskurs zu einem stärkeren Nebeneinander der Varianten kam, als die
Macher der Rechtschreibreform einkalkuliert hatten, führte dieser
Lerneffekt eben nicht zu einer Übernahme der neuen Regeln, sondern zur
Übernahme dieses Nebeneinanders. Das Problem sind nach dem Text weniger
die neuen Regeln an sich als die sichtbare Vielfalt der verschiedenen
Schreibungen derselben Wörter.

Danach kannst du den Machern der Rechtschreibreform ebensoviel "Schuld"
geben wie denen, die es vorgezogen haben, sie zu ignorieren, wozu ich
ja, wie dir zweifellos aufgefallen sein wird, selbst gehöre.

> Und: es werden im Bereich der ß-ss-Schreibung mehr Fehler gemacht als
> vorher.

Was, wie ebenfalls im Text gesagt, weniger auf die Rechtschreibreform an
sich zurückzuführen ist als auf die Ablehnung der Rechtschreibreform
durch große Teile der Autorenschaft öffentlich sichtbarer Texte.

Philipp

Carsten Thumulla

unread,
Aug 26, 2004, 7:32:39 AM8/26/04
to

> Und auch: die Reform ist schlecht gemacht, von Leuten die keine Ahnung
> haben wie gelesen wird.

schlechtgemacht?


*scnr*


Gruß, Carsten cPUNKTthuATarcor.de

--
Gemeine Lüge, politischer Sachzwang, Statistik

Elke Philburn

unread,
Aug 26, 2004, 7:14:52 AM8/26/04
to

Philipp Reichmuth wrote:

> Danach kannst du den Machern der Rechtschreibreform ebensoviel "Schuld"
> geben wie denen, die es vorgezogen haben, sie zu ignorieren, wozu ich
> ja, wie dir zweifellos aufgefallen sein wird, selbst gehöre.

Von "Schuld" auf seiten der schreibenden Bevölkerung kann man im Grunde
nicht reden, denn es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß
außerhalb von Schule und Behörden jeder so weiterschreiben könne, wie er
wolle. Das Nebeneinander von neu und alt mit all seinen Folgen war
vollkommen unvermeidbar, und man hat es bewußt in Kauf genommen.

E. P.

Message has been deleted

Andreas Prilop

unread,
Aug 26, 2004, 9:23:07 AM8/26/04
to
On Wed, 25 Aug 2004, Elke Philburn wrote:

> Subject: Prof. Dr. Harald Marx: =?windows-1252?Q?=84Rechtschreibung_wur?=
> =?windows-1252?Q?de_erschwert=93_?=

Keine Windows-spezifischen Sonderzeichen im Subject!
Nach zwei, drei Antworten kommt der größte Blödsinn dabei raus.

Schreib' die Anführungszeichen im Usenet bitte so: " '
erst recht im Subject.

--
SCHLECKER bringt Gravis
http://de.schlecker.com/channels/SCHLECKERbringts/bilder/header.gif

Rüdiger Silberer

unread,
Aug 26, 2004, 2:15:07 PM8/26/04
to
Philipp Reichmuth schrieb:

>Rüdiger Silberer schrieb:
>> Philipp Reichmuth schrieb:
>>
>>>Langer Rede kurzer Sinn: die Leute schreiben schlechter als früher, es
>>>ist aber nicht einfach und ausschließlich auf die Rechtschreibreform
>>>zurückführbar.
>>
>> Und auch: die Reform ist schlecht gemacht, von Leuten die keine Ahnung
>> haben wie gelesen wird.
>
>Das steht da nicht.

Natürlich steht das nicht wörtlich da, ich brauche ja nicht zu
wiederholen, was jeder über den Link selbst lesen kann.

>Da steht, daß die Macher der RSR zuwenig
>berücksichtigt haben, wie Lesen und Schreiben *gelernt* wird - daß man
>nämlich in einer Übergangsphase internalisiert, daß es beide
>Schreibungen "daß" und "dass" gibt, und dann nach dem Zufallsprinzip
>eine auswählt. Und zwei Absätze vorher steht, daß eben dieses
>Auswahlproblem hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß diejenigen,
>die die öffentliche Textproduktion dominieren, sich weder konsequent für
>die eine noch für die andere Variante entscheiden konnten, hauptsächlich
>weil die neue Rechtschreibung ihnen aus irgendwelchen ästhetischen
>Gründen nicht gefiel.

Was ist jetzt nun wichtig oder ursächlich. Einmal betonst Du das
*lernen*, und dann sind wieder die schlimmen Verweigerer schuld, die
nicht so schreiben wie es die sogenannte Reform will. Jene die Lesen
und Schreiben *lernen*, tun dies aber nicht mit Hilfe der FAZ.

>Zitat: "Weil aber auch die Medien nur teilweise
>umgestellt haben, die FAZ zum Beispiel überhaupt nicht, bestand auch aus
>der Sicht der erwachsenen Bundesbürger und kritischer Lehrer nicht
>wirklich ein hundertprozentiger Zwang zur Umstellung."

Einzelne Zitate rauszureißen hat wohl wenig Sinn. Ich möchte nicht
einzelne Sätze bewerten, sondern den Tenor des ganzen Interviews.

>Ich verstehe das so, daß die Macher der Rechtschreibreform darauf
>vertraut haben, daß es genügt, Rechtschreibung in der Schule zu
>vermitteln, und nicht bedacht haben, daß es einen Haufen Leute gab, die
>die Rechtschreibreform ablehnen und/oder ignorieren und nach den alten
>Regeln weiterschreiben würden. Dadurch, daß es so im öffentlichen
>Diskurs zu einem stärkeren Nebeneinander der Varianten kam, als die
>Macher der Rechtschreibreform einkalkuliert hatten, führte dieser
>Lerneffekt eben nicht zu einer Übernahme der neuen Regeln, sondern zur
>Übernahme dieses Nebeneinanders. Das Problem sind nach dem Text weniger
>die neuen Regeln an sich als die sichtbare Vielfalt der verschiedenen
>Schreibungen derselben Wörter.

Das liegt daran, daß die sogenannte Reform in der Bevölkerung nicht
anerkannt wurde. Das hat aber die verantwortlichen Politiker nicht
gestört und sie haben sich darüber hinweggesetzt.

>Danach kannst du den Machern der Rechtschreibreform ebensoviel "Schuld"
>geben wie denen, die es vorgezogen haben, sie zu ignorieren, wozu ich
>ja, wie dir zweifellos aufgefallen sein wird, selbst gehöre.
>
>> Und: es werden im Bereich der ß-ss-Schreibung mehr Fehler gemacht als
>> vorher.
>
>Was, wie ebenfalls im Text gesagt, weniger auf die Rechtschreibreform an
>sich zurückzuführen ist als auf die Ablehnung der Rechtschreibreform
>durch große Teile der Autorenschaft öffentlich sichtbarer Texte.

Worauf es zurückzuführen ist, ist egal. Es reicht das Faktum , daß es
so ist. Ursache ist auf jeden Fall diese sogenannte Reform, ohne sie
gäbe es keine Differenz.

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 4:12:19 AM8/27/04
to
Rüdiger Silberer schrieb:

> Was ist jetzt nun wichtig oder ursächlich. Einmal betonst Du das
> *lernen*, und dann sind wieder die schlimmen Verweigerer schuld, die
> nicht so schreiben wie es die sogenannte Reform will. Jene die Lesen
> und Schreiben *lernen*, tun dies aber nicht mit Hilfe der FAZ.

Ich weiß nicht, wie du zu lesen gelernt hast, aber ich habe dadurch
lesen gelernt, daß ich gelesen habe. Klar lernt man in der Schule die
Schrift, aber den allergrößten Teil der Lesekompetenz erwirbt man
dadurch, daß man größere Mengen Text liest. Wenn da dann die
Rechtschreibungen durcheinandergehen, internalisiert man diese
Uneinheitlichkeit. Du kannst den Lernprozeß und die in den Medien
gebräuchlichen Rechtschreibnormen nicht voneinander trennen, was ja
schließlich in besagtem Interview auch lang und breit erläutert wurde.

Was die FAZ betrifft, die war zwar das bei weitem auffälligste Medium,
das die Rechtschreibreform nicht übernommen hat, aber lange nicht das
einzige. Ebenfalls in dem Interview heißt es: "Lern- und
gedächtnispsychologisch ist genau das das Problem bei der neuen
Rechtschreibung: Es bleibt vieles, wie es war, und nur einiges verändert
sich. Weil aber auch die Medien nur teilweise umgestellt haben, die FAZ

zum Beispiel überhaupt nicht, bestand auch aus der Sicht der erwachsenen
Bundesbürger und kritischer Lehrer nicht wirklich ein hundertprozentiger

Zwang zur Umstellung." Jetzt kannst du dich mal fragen, was für eine
öffentlich sichtbare Rechtschreibung auch jenseits der FAZ rauskommt,
wenn "aus Sicht der erwachsenen Bundesbürger und kritischen Lehrer nicht
wirkklich ein hundertprozentiger Zwang zur Umstellung" besteht. Also?
Richtig: ein Durcheinander. Ohne mir besondere pädagogische Kompetenz
anmaßen zu wollen, möchte ich bezweifeln, ob das dann lernpsychologisch
vorteilhaft ist.

>>Zitat: "Weil aber auch die Medien nur teilweise
>>umgestellt haben, die FAZ zum Beispiel überhaupt nicht, bestand auch aus
>>der Sicht der erwachsenen Bundesbürger und kritischer Lehrer nicht
>>wirklich ein hundertprozentiger Zwang zur Umstellung."
>
> Einzelne Zitate rauszureißen hat wohl wenig Sinn. Ich möchte nicht
> einzelne Sätze bewerten, sondern den Tenor des ganzen Interviews.

Einzelne Zitate rauszureißen hat dann wenig Sinn, wenn durch den
fehlenden Kontext der Sinn entstellt wird. Wenn sie den Tenor des
Textes treffen, wird exemplarisches Zitieren ja wohl noch erlaubt sein.
Da sich immerhin die Absätze 2, 3, 4, 5 und 9 des Interviews mit dem
Phänomen beschäftigen, um das es in dem Zitat geht, und seinen
Auswirkungen auf das Rechtschreibverhalten der Leute, die diese Medien
anschließend rezipieren, sehe ich hier kein großes Problem und die
Gepflogenheiten des Zitierens auch nicht gefährdet.

>>Das Problem sind nach dem Text weniger
>>die neuen Regeln an sich als die sichtbare Vielfalt der verschiedenen
>>Schreibungen derselben Wörter.
>
> Das liegt daran, daß die sogenannte Reform in der Bevölkerung nicht
> anerkannt wurde. Das hat aber die verantwortlichen Politiker nicht
> gestört und sie haben sich darüber hinweggesetzt.

Richtig. Wobei die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Akzeptanz in
den Medien verschiedene Bedeutung haben. Medienvertreter sollten sich
im allgemeinen ihrer besonderen Rolle am Erhalt und der Entwicklung
sprachlicher Ausdrucksformen bewußt sein. Eine Reihe von
Medienvertretern haben diese Rolle dann ausgenutzt, um eine Reform zu
torpedieren, die ihnen nicht paßte, im vollen Bewußtsein dessen, daß die
über ihr Medium und über die Schule rezipierten Rechtschreibnormen sich
dann unterscheiden würden. Das war ihr gutes Recht, aber damit kommt
ihnen dann eben auch eine Mitverantwortung am öffentlichen Durcheinander zu.

>>Was, wie ebenfalls im Text gesagt, weniger auf die Rechtschreibreform an
>>sich zurückzuführen ist als auf die Ablehnung der Rechtschreibreform
>>durch große Teile der Autorenschaft öffentlich sichtbarer Texte.
>
> Worauf es zurückzuführen ist, ist egal. Es reicht das Faktum , daß es
> so ist. Ursache ist auf jeden Fall diese sogenannte Reform, ohne sie
> gäbe es keine Differenz.

Du hast nur insofern recht, als es ohne Rechtschreibreform gäbe es keine
Differenz zwischen "vorher" und "nachher" gäbe. Bloß weil diese Reform
Murks war, sind Rechtschreibreformen nicht prinzipiell böse, und die
alte deutsche Rechtschreibung war und ist weder systematisch, noch ein
Zuckerschlecken für den Lernenden, noch in sich sprachwissenschaftlich
100% logisch. Unabhängig davon, ob man Rechtschreibreformen an sich
jetzt für gut oder schlecht hält oder diese konkreten Reformen das
eigene ästhetische Empfinden mehr oder weniger stören (meins eher mehr):
wäre es so gelaufen wie in Griechenland, wo alle öffentlichen Medien
von Kathareousa auf Dimotiki umstellen mußten, wäre es weitgehend bei
dieser zeitlichen Differenz geblieben. Das scheiterte an der Ablehnung
der Reform durch prominente Kreise aufgrund eines gewissen
Rechtschreibkonservativismus und daran, daß die Rechtschreibreform nicht
kraß genug war, als daß die Unterschiede beim Großteil der Leserschaft
jenseits dieser rechtschreibkonservativen Kreise besonders auffällig
gewesen wären.

Daß es zu dieser starken *parallelen* Verbreitung konkurrierender
Schreibweisen kam, die nach besagtem Interview ja für einen guten Teil
der Lernschwierigkeiten direkt verantwortlich ist, ist natürlich ohne
Rechtschreibreform undenkbar, aber die Verantwortung dafür tragen zu
einem beträchtlichen Maß die Leute, die diese parallele Verbreitung in
Kauf genommen und propagiert haben.

Philipp

Message has been deleted

Gerd Thieme

unread,
Aug 27, 2004, 5:00:43 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth wrote:

> Eine Reihe von Medienvertretern haben diese Rolle dann ausgenutzt, um
> eine Reform zu torpedieren, die ihnen nicht paßte, im vollen
> Bewußtsein dessen, daß die über ihr Medium und über die Schule
> rezipierten Rechtschreibnormen sich dann unterscheiden würden. Das
> war ihr gutes Recht, aber damit kommt ihnen dann eben auch eine
> Mitverantwortung am öffentlichen Durcheinander zu.

Welche Medienvertreter, bitteschön, haben die Reform *nicht* torpediert?

Meines Wissens wurde die Rechtschreibreform von *keinem* Medium in ihrer
amtlichen Form übernommen. *Alle* haben das eine oder andere daran
herumgefummelt, nicht nur die »Zeit«.

So ist das Durcheinander entstanden. Die einzigen, die nicht zum
Durcheinander beigetragen haben, sind die, die unbeirrt bei der
herkömmlichen Schreibung geblieben sind.

Und diejenigen, die zur Einheitsschreibung zurückkehren, vergrößern das
Durcheinander nur dann, wenn sie irgendwelche Lieblingsversatzstücke der
Reformer beibehalten.

Gerd

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 5:25:34 AM8/27/04
to
Astrid Schleicher schrieb:

>> Medienvertreter sollten sich im allgemeinen ihrer besonderen Rolle
>> am Erhalt und der Entwicklung sprachlicher Ausdrucksformen bewußt
>> sein. Eine Reihe von Medienvertretern haben diese Rolle dann
>> ausgenutzt, um eine Reform zu torpedieren, die ihnen nicht paßte,
>> im vollen Bewußtsein dessen, daß die über ihr Medium und über die
>> Schule rezipierten Rechtschreibnormen sich dann unterscheiden
>> würden. Das war ihr gutes Recht, aber damit kommt ihnen dann eben
>> auch eine Mitverantwortung am öffentlichen Durcheinander zu.
>
> Wenn sie also ihre Verantwortung für den Erhalt sprachlicher
> Ausdrucksformen wahrnehmen und deshalb die Sprachverstümmelung nicht
> mitmachen, kommt ihnen automatisch eine Mitverantwortung am
> öffentlichen Durcheinander zu.
>
> Das erscheint mir so logisch wie die Behauptung einer
> Mitverantwortung eines Vergewaltigungsopfers durch seine bloße
> Anwesenheit. Es hätte verantwortungsbewußt gehandelt, wenn es zum
> Tatzeitpunkt an einem andern Ort gewesen wäre. Ich finde eine solche
> Argumentation perfide.

Im Fall des Vergewaltigungsopfers ist sie das auch, aber die Analogie
funktioniert nicht, weil die Medien nicht nur in einer reinen Opferrolle
sind und m.E. auch die Vergewaltigungmetapher in dieser konkreten Form
ein *wenig* unpassend ist, meinst du nicht auch? Um in der unpassenden
Metapher zu bleiben: wenn das Vergewaltigungsopfer anschließend selbst
andere Leute vergewaltigt (oder auch nur verbreitet, daß bestimmte
Formen von Vergewaltigung OK sind, andere nicht, wie es die Zeit tut)
und sich dann darauf beruft, daß es ja schließlich Vergewaltigungsopfer
ist, dann darf man das wohl hinterfragen. Wenn ich das sprachliche
Durcheinander propagiere und fördere, indem ich Mischformen gebrauche,
bin ich dann nur deswegen am Durcheinander nicht mitverantwortlich, weil
die Regeln oder Rahmenbedingungen der Reform meinem Sprachempfinden
nicht entgegenkommen?

Stell dir vor, jemand steckt eine Bank in Brand und du rennst rein,
holst Geld raus und verteilst es anschließend vor der Bank unter den
zusehenden Leuten. Da kannst du dich noch so oft drauf berufen, daß die
Bank ohnehin brannte, daß du es nur gut gemeint hast oder daß eigentlich
der Brandstifter schuld ist: geklaut hast du's.

Philipp

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 5:37:24 AM8/27/04
to
Gerd Thieme schrieb:

>>Eine Reihe von Medienvertretern haben diese Rolle dann ausgenutzt, um
>>eine Reform zu torpedieren, die ihnen nicht paßte, im vollen
>>Bewußtsein dessen, daß die über ihr Medium und über die Schule
>>rezipierten Rechtschreibnormen sich dann unterscheiden würden. Das
>>war ihr gutes Recht, aber damit kommt ihnen dann eben auch eine
>>Mitverantwortung am öffentlichen Durcheinander zu.
>
> Welche Medienvertreter, bitteschön, haben die Reform *nicht* torpediert?

Macht es das gut und richtig?

> Meines Wissens wurde die Rechtschreibreform von *keinem* Medium in ihrer
> amtlichen Form übernommen. *Alle* haben das eine oder andere daran
> herumgefummelt, nicht nur die »Zeit«.

Das sehe ich schon eher als ein Problem der Rechtschreibreform. Wäre
bei der Reform der Unterschied zwischen "alt" und "neu" deutlicher
erkennbar gewesen, hätte es vermutlich

> Und diejenigen, die zur Einheitsschreibung zurückkehren, vergrößern das
> Durcheinander nur dann, wenn sie irgendwelche Lieblingsversatzstücke der
> Reformer beibehalten.

Ach komm. In öffentlichen Medien haben sich eine Menge Dinge
mittlerweile durchgesetzt, die früher so nicht dringewesen wären und die
nicht zur Rechtschreibreform gehören. Die deutschen Schreibkonventionen
haben sich allgemein auf einigen Gebieten verändert ("Konventionen" hier
nicht im Sinn eines normativ-präskriptiven Regelwerks, sondern im Sinne
des tatsächlichen Sprachgebrauchs). Da sehe ich die Rechtschreibreform
eher als Teil eines allgemeinen Prozesses, der mit Veränderungen des
Gebrauchs von Text allgemein in der Gesellschaft einhergeht, etwa durch
die Durchsetzung neuer Textsorten, in denen Rechtschreibregeln einen
niedrigeren Stellenwert haben, oder durch die steigende Verbreitung des
Englischen als Verkehrssprache in der Geschäftswelt oder als
Statussymbol. Deppen Leerzeichen zum Beispiel sieht man in den Medien
überall, wenn auch vielleicht nicht gerade auf Seite 1 der FAZ, und die
gleichen Leute schreiben dann, wenn sie englische Texte verfassen, sowas
wie "spelling-problem".

Philipp

Gerd Thieme

unread,
Aug 27, 2004, 6:45:23 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth wrote:

>>> Eine Reihe von Medienvertretern haben diese Rolle dann ausgenutzt,
>>> um eine Reform zu torpedieren, die ihnen nicht paßte, im vollen
>>> Bewußtsein dessen, daß die über ihr Medium und über die Schule
>>> rezipierten Rechtschreibnormen sich dann unterscheiden würden. Das
>>> war ihr gutes Recht, aber damit kommt ihnen dann eben auch eine
>>> Mitverantwortung am öffentlichen Durcheinander zu.
>> Welche Medienvertreter, bitteschön, haben die Reform *nicht* torpediert?
>
> Macht es das gut und richtig?

Warum soll es falsch sein? Die Reform war für die Medien ohnehin
juristisch irrelevant. Es geht Beamte nichts an, wie Privatleute
schreiben.

Falsch ist allein, daß sich Beamte und deren Vorlagenschreiber dreist
Dinge anmaßen, von denen sie keine Ahnung haben und für die sie nicht
zuständig sind.

Dreist ist es auch, Medienvertretern, die nicht vollständig
widerspruchslos diese Anmaßung unterstützten, nun vorzuwerfen, sie
hätten die Anmaßung »torpediert«, nur weil sie aus ihrer Sachkenntnis
heraus dem allergröbsten Unfug von vornherein ausgewichen sind. Das
Gegenteil ist wahr. Sie waren gutwillig genug, zu versuchen, sich mit
der Mißgeburt zu arrangieren.

> Wäre bei der Reform der Unterschied zwischen "alt" und "neu" deutlicher
> erkennbar gewesen, hätte es vermutlich

... gleich so geendet wie die I. Orthographische Konferenz 1876.

Eine erfolgreiche Reform setzt Reformbedarf voraus. Daran mangelt es;
ganz abgesehen davon, daß sachunkundiges Herumfummeln an dieser oder
jener orthographischen Erscheinung ohnehin nichts verbessert.

> Deppen Leerzeichen zum Beispiel sieht man in den Medien überall

Fällt grob ungleichmäßige Spationierung auch in diese Kategorie
(beispielsweise doppelter Wortzwischenraum zwischen Sätzen)? ;-)

Gerd

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 7:05:09 AM8/27/04
to
Gerd Thieme schrieb:

> Falsch ist allein, daß sich Beamte und deren Vorlagenschreiber dreist
> Dinge anmaßen, von denen sie keine Ahnung haben und für die sie nicht
> zuständig sind.

Wieso? Die wissen schon selbst, daß sie dafür juristisch nicht
zuständig sind. Klar schreibt dir niemand unter Strafandrohung vor, wie
du zu schreiben hast. Das Ergebnis ist halt dann das angesprochene
Durcheinander, für die die Beamten eben *wegen* ihrer beschränkten
rechtlichen Kompetenzen weniger verantwortlich sind als die, die
durcheinander schreiben, und das sich lernpsychologisch ungünstig auswirkt.

> Dreist ist es auch, Medienvertretern, die nicht vollständig
> widerspruchslos diese Anmaßung unterstützten, nun vorzuwerfen, sie
> hätten die Anmaßung »torpediert«, nur weil sie aus ihrer Sachkenntnis
> heraus dem allergröbsten Unfug von vornherein ausgewichen sind. Das
> Gegenteil ist wahr. Sie waren gutwillig genug, zu versuchen, sich mit
> der Mißgeburt zu arrangieren.

OK, unterscheiden wir zwischen Fällen. Fall 1: Medien, die à la FAZ die
Reform komplett ablehnen. Da finde ich, der Ausdruck, sie "torpedieren"
die Rechtschreibreform, ist nicht unangebracht, unabhängig davon, ob mir
persönlich die Rechtschreibreform paßt oder nicht, was sie nicht tut und
was man meiner Orthographie wohl auch anmerkt, wodurch ich mich nach
meiner eigenen Definition schuldig mache. Pech für mich. Fall 2:
Medien, die irgendein individuelles Kuddelmuddel aus neuen und alten
Regeln verwenden, das sie sprachwissenschaftlich oder ästhetisch dann
irgendwie begründen. Die torpedieren zumindest die Einheitlichkeit der
Rechtschreibung, die im öffentlichen Diskurs unzweifelhaft wünschenswert
wäre und die so *noch weniger* gegeben ist, als wenn sie sich einfach
für die neue *oder* die alte Rechtschreibung entschieden hätten.

>>Wäre bei der Reform der Unterschied zwischen "alt" und "neu" deutlicher
>>erkennbar gewesen, hätte es vermutlich
>
> ... gleich so geendet wie die I. Orthographische Konferenz 1876.
>
> Eine erfolgreiche Reform setzt Reformbedarf voraus. Daran mangelt es;

Das ist eine Diskussion, die nicht nur hier zur Genüge und ohne Ergebnis
geführt worden ist. Es gibt eine Menge Leute, die prinzipiell
Reformbedarf sehen, auch unter denen, die diese konkrete Reform für
Murks halten. Findest du die alte Rechtschreibung nicht kompliziert?
Ein Musterbeispiel an Systematik oder leichter Lernbarkeit ist sie nicht
gerade.

> ganz abgesehen davon, daß sachunkundiges Herumfummeln an dieser oder
> jener orthographischen Erscheinung ohnehin nichts verbessert.

Richtig. Reformen sind aber nicht per se schlecht, wenn sie nur
handwerklich gut gemacht sind. Diese war's nicht.

>>Deppen Leerzeichen zum Beispiel sieht man in den Medien überall
>
> Fällt grob ungleichmäßige Spationierung auch in diese Kategorie
> (beispielsweise doppelter Wortzwischenraum zwischen Sätzen)? ;-)

Ich bin es gerade gewohnt, doppelte Leerzeichen an Satzgrenzen zu
setzen, weil ich zur Zeit ziemlich viel TeX-Dokumente in Emacs schreibe
und es da einige Features sehr erleichtert, ohne im Druckbild
aufzutauchen. Wenn ich einen Text in Word schreibe, mache ich's nicht.
Bewertest du Newsgroup-Postings nach typographischen Kriterien, wo du
doch überhaupt keine Kontrolle darüber hast, wie die tatsächliche
Darstellung beim Leser ist?

Oh, Smiley zu spät gesehen. OK :)

Philipp

Message has been deleted

Gerd Thieme

unread,
Aug 27, 2004, 8:36:36 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth wrote:

> Es gibt eine Menge Leute, die prinzipiell Reformbedarf sehen, auch
> unter denen, die diese konkrete Reform für Murks halten.

Ziehen wir zunächst die Lehrer ab. Die vergessen leider, daß die
Rechtschreibung nicht zum Lehren und Lernen da ist und auch nicht zum
Schreiben, sondern zum Lesen.

Die übrigen Freunde einer Reform haben Mühe, auch nur ein einziges
Detail zu finden, über das sie sich einig wären.

> Findest du die alte Rechtschreibung nicht kompliziert?

Eigentlich nicht. Im Vergleich zur »neuen« ist sie geradezu simpel
(niemand mußte riesige, willkürlich zusammengeworfene,
alleinseligmachende Partikellisten auswendiglernen, die alle paar Monate
geändert werden).

Nur ein wenig breitgewalzt sind deutsche Wörter.

Shriebe man statt /sch/ einfach /sh/, dann könnte man ein winziges
bißchen shneller lesen. Der Rückweg zum /h/ anstelle des aufgeblähten
oberdeutshen /ch/ ist allerdings durch die neuhochdeutshen Dehnungs- und
Fugenzeichen blockiert. Weiterhin könnte man mit Gewinn nach
lateinischem Vorbild /gs/, /cks/ und /chs/ zu /x/ vereinfachen sowie
alle /ä/ durch /e/ ersetzen.

Natürlich sind diese Änderungen überflüssig wie ein Kropf. Oder wie jede
Fummelei am Bewährten.

Alle »Vereinfachungen«, die nicht ausschließlich der besseren Lesbarkeit
dienen, drohen, die Ausdrucksmöglichkeiten der Schriftsprache zu
beschädigen. Eine primitive Orthographie taugt nur für eine primitive
Kultur.

> Ein Musterbeispiel an Systematik oder leichter Lernbarkeit ist sie
> nicht gerade.

Sie ist ein Musterbeispiel an leichter Lesbarkeit. Und nur darauf kommt
es an.

Wirklich systematisieren könnte man nur die Orthographie einer toten
Sprache. Eine lebende Sprache sorgt ganz ohne Eingriffe von selbst für
das richtige Austarieren von Systematik und Komplexität.

Die richtige Schreibung der Muttersprache lernt man ohnehin nicht in der
Schule, sondern durch Lesen. Für Systematik mag dann Latein herhalten.

Ich fïnde übrigens auch die englische Orthographie nicht besonders
kompliziert. Sie ist durch fleißiges Lesen ebensoleicht zu erlernen wie
die deutsche - und ebensowenig reformbedürftig. Polyglotte Mitleser
mögen mir widersprechen, falls ich irre - mir scheint die
Verallgemeinerung zulässig, daß die traditionellen orthographischen
Systeme aller lebenden Sprachen durch Lesen kinderleicht erlernbar sind.

Gerd

Rüdiger Silberer

unread,
Aug 27, 2004, 8:31:35 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth schrieb:

>Rüdiger Silberer schrieb:
>
>> Was ist jetzt nun wichtig oder ursächlich. Einmal betonst Du das
>> *lernen*, und dann sind wieder die schlimmen Verweigerer schuld, die
>> nicht so schreiben wie es die sogenannte Reform will. Jene die Lesen
>> und Schreiben *lernen*, tun dies aber nicht mit Hilfe der FAZ.
>
>Ich weiß nicht, wie du zu lesen gelernt hast, aber ich habe dadurch
>lesen gelernt, daß ich gelesen habe. Klar lernt man in der Schule die
>Schrift, aber den allergrößten Teil der Lesekompetenz erwirbt man
>dadurch, daß man größere Mengen Text liest. Wenn da dann die
>Rechtschreibungen durcheinandergehen, internalisiert man diese
>Uneinheitlichkeit. Du kannst den Lernprozeß und die in den Medien
>gebräuchlichen Rechtschreibnormen nicht voneinander trennen, was ja
>schließlich in besagtem Interview auch lang und breit erläutert wurde.

Natürlich lernt man so lesen, aber doch nicht mit der FAZ. Der Schluß
den Du herzustellen versuchst, ist unzuläsig. Die Zeitungen sind nicht
schuld an schlechten Ergebnissen beim Lesen lernen. Kinder lernen
*nicht* mit der Zeitung das Lesen.

[FAZ]
>
[..]


>> Das liegt daran, daß die sogenannte Reform in der Bevölkerung nicht
>> anerkannt wurde. Das hat aber die verantwortlichen Politiker nicht
>> gestört und sie haben sich darüber hinweggesetzt.
>
>Richtig. Wobei die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Akzeptanz in
>den Medien verschiedene Bedeutung haben. Medienvertreter sollten sich
>im allgemeinen ihrer besonderen Rolle am Erhalt und der Entwicklung
>sprachlicher Ausdrucksformen bewußt sein. Eine Reihe von
>Medienvertretern haben diese Rolle dann ausgenutzt, um eine Reform zu
>torpedieren, die ihnen nicht paßte, im vollen Bewußtsein dessen, daß die
>über ihr Medium und über die Schule rezipierten Rechtschreibnormen sich
>dann unterscheiden würden. Das war ihr gutes Recht, aber damit kommt
>ihnen dann eben auch eine Mitverantwortung am öffentlichen Durcheinander zu.

Nein, das ist falsch. Nur weil sie nicht bereit waren, diesen Unfug
mitzumachen, sind nicht für das Durcheinander verantwortlich.
Verantwortlich ist der, der es auslöst.


>Du hast nur insofern recht, als es ohne Rechtschreibreform gäbe es keine
>Differenz zwischen "vorher" und "nachher" gäbe. Bloß weil diese Reform
>Murks war, sind Rechtschreibreformen nicht prinzipiell böse, und die
>alte deutsche Rechtschreibung war und ist weder systematisch, noch ein
>Zuckerschlecken für den Lernenden, noch in sich sprachwissenschaftlich
>100% logisch.

Keines davon hat hier irgend jemand behauptet.

>Unabhängig davon, ob man Rechtschreibreformen an sich
>jetzt für gut oder schlecht hält oder diese konkreten Reformen das
>eigene ästhetische Empfinden mehr oder weniger stören (meins eher mehr):
>wäre es so gelaufen wie in Griechenland, wo alle öffentlichen Medien
>von Kathareousa auf Dimotiki umstellen mußten, wäre es weitgehend bei
>dieser zeitlichen Differenz geblieben. Das scheiterte an der Ablehnung
>der Reform durch prominente Kreise aufgrund eines gewissen
>Rechtschreibkonservativismus und daran, daß die Rechtschreibreform nicht
>kraß genug war, als daß die Unterschiede beim Großteil der Leserschaft
>jenseits dieser rechtschreibkonservativen Kreise besonders auffällig
>gewesen wären.

Nein, es scheitert auch daran, daß die Mehrheit der Bevölkerung diese
"Reform" ablehnt.

>Daß es zu dieser starken *parallelen* Verbreitung konkurrierender
>Schreibweisen kam, die nach besagtem Interview ja für einen guten Teil
>der Lernschwierigkeiten direkt verantwortlich ist, ist natürlich ohne
>Rechtschreibreform undenkbar, aber die Verantwortung dafür tragen zu
>einem beträchtlichen Maß die Leute, die diese parallele Verbreitung in
>Kauf genommen und propagiert haben.

Nein, wer nicht der sogenannten Rechtschreibreform folgt, ist nicht
für das Chaos verantwortlich. Du verdrehst völlig die Zuständigkeiten
und Verantwortlichkeiten.

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 8:43:28 AM8/27/04
to
Astrid Schleicher schrieb:

>>Im Fall des Vergewaltigungsopfers ist sie das auch, aber die Analogie
>>funktioniert nicht, weil die Medien nicht nur in einer reinen Opferrolle
>>sind und m.E. auch die Vergewaltigungmetapher in dieser konkreten Form
>>ein *wenig* unpassend ist, meinst du nicht auch?
>
> Nein, das meine ich überhaupt nicht. Es ist das klassische Beispiel
> für Schuldzuweisung ans Opfer. Die Medien, die sich irgendwie mit der
> mutwillig eingesetzten Reform arrangieren mußten, einerseits die
> Kinder als Geiseln im Blick, anderseits den Lesern verpflichtet, sind
> Opfer.

*Das* hat niemand bestritten. Opfer zu sein schließt nur nicht
automatisch aus, auch Täter zu sein. Außerdem haben wir verschiedene
Kategorien von Opfern, nämlich die Medien, ihrerseits in einer
Täterrolle, andererseits die von dir so schön vorgebrachten "Kinder als
Geiseln", eine Zweiteilung, die dein Beispiel ebenfalls nicht
berücksichtigt. Insofern ist es tatsächlich eine Zuweisung von
Mitverantwortung an einen Teil der Opfer, wenn ich sage, daß die Medien,
die den öffentlichen Sprachgebrauch ja schließlich zu einem wesentlichen
Teil bestimmen. Für Durcheinander sind sie ganz bestimmt nicht, nur
weil sie sich die Rechtschreibreform nicht selbst ausgedacht haben.

Also, um in bedingt passenden Metaphern und Beispielen zu bleiben: der
Schießbefehl an der Mauer. Meines Erachtens ebenso wie die
Vergewaltigung in einer anderen Gewichtsklasse als die
Rechtschreibreform, aber wenn du das anders siehst, ist das ja super,
weil das Beispiel dann ja nur gewinnt. Die Regierung eines Staats
verbietet die Republikflucht und zwingt seine Grenzposten, auf alle zu
schießen, die fliehen wollen. Da stehst du nun als Grenzposten und mußt
dich mit dem mutwillig eingesetzten Schießbefehl arrangieren, einerseits
dein eigenes Wohl und das deiner Familie im Blick, andererseits den
Flüchtigen menschlich verpflichtet. Klar bist du Opfer, und du mußt
dich da dann durchwurschteln, entweder auf die FAZ-Methode ("Fahrt zur
Hölle! Ich schieße nicht!"), oder auf die Zeit-Methode ("Ich schieße ein
bißchen und hoffe, daß ich ihn dabei wenigstens nicht umbringe"). Aber
deswegen bist du trotzdem mitverantwortlich, wenn du jemanden erschießt,
anschießt oder deine Familie Ärger deinetwegen bekommt, und diese Leute
sind dann doppelt Opfer: Opfer der Regierung - und deins. Du kannst
zwar nicht viel daran ändern, und *darin* besteht das Perfide an der
Situation - aber verantwortlich bist du trotzdem.

Philipp

Gerd Thieme

unread,
Aug 27, 2004, 9:06:28 AM8/27/04
to
Rüdiger Silberer wrote:

> Kinder lernen *nicht* mit der Zeitung das Lesen.

Vorsicht mit solchen Behauptungen! Ich habe mir, nachdem ich die
Buchstaben (a, be, tse, ...) längst kannte, das Wörterlesen mit den
größten erreichbaren Lettern beigebracht - das Blatt hieß »Sächsische
Zeitung« -, und ich bin heut noch stolz, daß ich tse-ha-es, es-tse-ha
und e-i als Codes für völlig andere Laute entschlüsselt habe.

Das Bücherfressen kam erst viel später, als ich groß genug für die
Leihbücherei war. Da konnte ich längst zeitunglesen.

Gerd

Message has been deleted

Michael Hemmer

unread,
Aug 27, 2004, 9:24:02 AM8/27/04
to

Ditto. Dass man sich, auf der durch die Eltern vermittelten Kenntnis der
einzelnen Buchstaben aufbauend, bereits vor der Einschulung an Wörtern,
Sätzen und Texten versucht, dürfte nicht gerade selten sein. Textlänge,
Aktualität und Aufmachung sprechen natürlich dafür, es zuerst mit der
Zeitung zu probieren, wenn man seine Zeit nicht mit irgendwelchen
Leselernbüchern verplempern will :-)

Gruß,

Michael

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 9:26:34 AM8/27/04
to
Gerd Thieme schrieb:

>>Kinder lernen *nicht* mit der Zeitung das Lesen.
>
> Das Bücherfressen kam erst viel später, als ich groß genug für die
> Leihbücherei war. Da konnte ich längst zeitunglesen.

Ich hab Lesen erst über die Buchstabennamen gelernt, erkennbar z.B. am
Wort "XPRSZOCH", das ich als eisenbahnbegeisterter Vierjähriger in
Berlin stolz geschrieben habe. Anschließend über Straßenschilder
(Vorsicht! Neue Rechtschreibung), dann über Bücher und dann über
Zeitungen. :)

Philipp

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 9:31:35 AM8/27/04
to
Rüdiger Silberer schrieb:

> Nein, es scheitert auch daran, daß die Mehrheit der Bevölkerung diese
> "Reform" ablehnt.

Und im Alltag munter "dass" schreibt, weil sie zu bequem sind.

> Nein, das ist falsch. Nur weil sie nicht bereit waren, diesen Unfug

> mitzumachen, sind nicht für das Durcheinander verantwortlich. [...]

> Nein, wer nicht der sogenannten Rechtschreibreform folgt, ist nicht
> für das Chaos verantwortlich. Du verdrehst völlig die Zuständigkeiten
> und Verantwortlichkeiten.

Wie ich das mit der Verantwortung und Verantwortungsfreiheit und
Schuldzuweisung an die eigentlichen Urheber sehe, habe ich gerade Astrid
in <cgnaa6$gt8$1...@f1node01.rhrz.uni-bonn.de> geantwortet, ich will das
Ganze nicht zweimal posten.

Philipp

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 9:41:30 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth schrieb, kopierte und las hinterher nicht noch mal:

> Für Durcheinander sind sie ganz bestimmt nicht, nur
nicht nicht mitverantwortlich ^^^^^

> weil sie sich die Rechtschreibreform nicht selbst ausgedacht haben.

Den Satz lieber nochmal neu: "Für das Durcheinander tragen sie ganz
bestimmt nicht nur deswegen keine Mitverantwortung, nur weil die
Rechtschreibreform nicht auf ihrem Mist gewachsen ist."

Das kommt davon, wenn man schnell schreibt und flüchtig drüberliest. :)

Philipp

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Michael Hemmer

unread,
Aug 27, 2004, 9:49:36 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth wrote:
> Du hast von der Lehrerzunft keine hohe Meinung, warum auch immer; mir
> tun sie angesichts der RSR eher ein bißchen leid, weil sie im Gegensatz
> zu den meisten anderen Bevölkerungsgruppen *tatsächlich* vorgeschrieben
> bekommen dürfen, was sie zu schreiben und zu lehren haben, auch wenn sie
> damit nicht einverstanden sind.

Das haben sie auch in mannigfacher anderer Hinsicht. Insofern ist die
NRS nur das Tüpfelchen auf dem i (bei Deutschlehrern zugegebenermaßen
ein recht großes).

Gruß,

Michael

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Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 9:52:36 AM8/27/04
to
Gerd Thieme schrieb:

>> Es gibt eine Menge Leute, die prinzipiell Reformbedarf sehen, auch
>> unter denen, die diese konkrete Reform für Murks halten.
>
> Ziehen wir zunächst die Lehrer ab. Die vergessen leider, daß die
> Rechtschreibung nicht zum Lehren und Lernen da ist und auch nicht zum
> Schreiben, sondern zum Lesen.

Du hast von der Lehrerzunft keine hohe Meinung, warum auch immer; mir


tun sie angesichts der RSR eher ein bißchen leid, weil sie im Gegensatz
zu den meisten anderen Bevölkerungsgruppen *tatsächlich* vorgeschrieben
bekommen dürfen, was sie zu schreiben und zu lehren haben, auch wenn sie
damit nicht einverstanden sind.

>> Findest du die alte Rechtschreibung nicht kompliziert?


>
> Eigentlich nicht. Im Vergleich zur »neuen« ist sie geradezu simpel

Ich rede jetzt nicht von einem Vergleich mit der neuen Rechtschreibung,
bei der die alte automatisch besser wegkommt. Ich rede von der
Orthographie an sich. Ist die systematisch? Keine einheitliche
Unterscheidung der Vokallängen im Schriftbild? Festkleben an
orthographischen Regeln für Fremdwörter, die weder der Phonetik der
eigenen Sprache noch den orthographischen Regeln der Ursprungssprache
entsprechen? Nicht, daß ich das irgendwie ändern wollte, ich liebe
meine Sprache und ihre Orthographie in der Form, wie ich sie gelernt
habe, aber man muß schon den Grad an Selbsterkenntnis besitzen, zu
erkennen, daß sie eins nicht ist: systematisch. Die neue ist nicht
besser, aber die ist ja auch nicht der einzige Vergleichsmaßstab. Ich
liebe sie hauptsächlich deshalb, weil ich

> Alle »Vereinfachungen«, die nicht ausschließlich der besseren
> Lesbarkeit dienen, drohen, die Ausdrucksmöglichkeiten der
> Schriftsprache zu beschädigen. Eine primitive Orthographie taugt nur
> für eine primitive Kultur.

Was ist denn eine "primitive Orthographie"? Eine, die einfachen,
unmittelbar aus der Phonetik der Sprache ableitbaren Regeln folgt?
Klasse, Gerd! Die primitiven Finnen, Türken und Tschechen werden dich
lieben für diese Aussage! Oder eine, die durch Vereinfachung aus einem
komplexen Vorgängerzustand entstanden ist? Yep, die Russen schreien vor
Begeisterung, denn als sie im 16. Jahrhundert noch mit kirchenslavischer
Orthographie schrieben, waren sie ja schließlich weniger primitiv, als
sie es mit ihrer primitiven Orthographie heute sind.

>> Ein Musterbeispiel an Systematik oder leichter Lernbarkeit ist sie
>> nicht gerade.
>
> Sie ist ein Musterbeispiel an leichter Lesbarkeit. Und nur darauf
> kommt es an.

Das ist sie für dich hauptsächlich, weil du dein Leben lang diese
deutsche Orthographie und keine andere zu lesen gelernt hast. Es gibt
eine Menge Sprachen, deren Orthographie unter einer Reihe von
Gesichtspunkten unsystematisch ist und deren Sprecher sie trotzdem für
ein Musterbeispiel an leichter Lesbarkeit und/oder die einzig ware
Orthographie unter historischen Gesichtspunkten halten: Englisch,
Französisch, Irisch, meinetwegen auch Polnisch oder Russisch (vor 1917),
die man beide ganz gut lesen kann, die aber mit ihren Diakritika
(Polnisch) oder ihren Mehrfachbuchstaben (и, і, ы; е, э, ѣ) in sich auch
unkomplizierter strukturiert sein könnten.

> Wirklich systematisieren könnte man nur die Orthographie einer toten
> Sprache.

Ach, ich weiß nicht. Finnisch z.B. ist eine relativ lebendige Sprache.
Türkisch auch.

Die Finnen haben z.B. die Lockerheit in ihrer Orthographie,
fremdsprachliche Namen weitgehend in der Originalorthographie zu
belassen. Hältst du es nicht für eine Anmaßung, den braven
tschechischen Soldaten Švejk im Deutschen seines schönen diakritischen
Zeichens zu berauben? Oder sollten wir dann nicht auch "Woschingten"
schreiben? Wie unkompliziert unsere Orthographie doch ist!

> Eine lebende Sprache sorgt ganz ohne Eingriffe von selbst für das
> richtige Austarieren von Systematik und Komplexität.

Sie sorgt für *ein* Austarieren von Systematik und Komplexität nach
sprachökonomischen Gesichtspunkten. "Das richtige" ist, wenn du von
natürlicher Sprache redest, *immer* eine normative Anmaßung.

Ansonsten müßtest du z.B. sagen, daß das gegenwärtige Durcheinander
zwischen alter und neuer Rechtschreibung im Deutschen Teil dieses
Austarierungsprozesses zugunsten eines neuen Zustands ist, bei dem
jetzt schon erkennbar ist, daß zumindest während der nächsten zehn Jahre
die ß-ss-Schreibung nie wieder den Regeln entweder der alten oder der
neuen Rechtschreibung allein Anwendung finden werden. Nach der Logik
dieses einen Satzes von dir müßtest du das für richtig halten, weil es
ja das Ergebnis eines Austarierungsprozesses zwischen Systematik und
Komplexität (und Faulheit, aber darum geht es ja bei Sprachökonomie) ist.

> Die richtige Schreibung der Muttersprache lernt man ohnehin nicht in
> der Schule, sondern durch Lesen. Für Systematik mag dann Latein
> herhalten.

Latein ist keine speziell systematische Sprache, sie hat nur eine
relativ komplexe Morphosyntax, die der Sprache eine relativ hohe
Ausdruckskraft verleiht. Die Orthographie ist noch das Systematischste
am Latein. Wenn du eine systematische Sprache willst, lern Türkisch,
dann kriegst du eine *richtig* unkomplizierte Orthographie quasi gratis
(und das ohne Verzicht auf Ausdruckskraft) - wie auch bei den meisten
Sprachen, die erst nach etwa 1850 in größerem Stil in ihrem derzeitigen
Alphabet gedruckt worden sind. Bei den Türken gibt es auch Leute, die
ihrem arabischen Alphabet hinterherjammern, bei dem es drei Zeichen für
stimmloses und vier für simmhaftes S gab und von den acht bis neun
Vokalen gerade mal einer im Schriftbild eindeutig erkennbar war.

> Ich fïnde übrigens auch die englische Orthographie nicht besonders
> kompliziert. Sie ist durch fleißiges Lesen ebensoleicht zu erlernen
> wie die deutsche - und ebensowenig reformbedürftig.

Findest du so seltsame Paare wie "though"-"rough", "show"-"how" und
Konsorten von denen das Englische Unmengen bereitstellt, unkompliziert?
Was für Kriterien legst du denn an eine unkomplizierte Orthographie an?
Warum müssen englische Kinder in der Schule dann jahrelang spellings
büffeln?

> Polyglotte Mitleser mögen mir widersprechen, falls ich irre - mir
> scheint die Verallgemeinerung zulässig, daß die traditionellen
> orthographischen Systeme aller lebenden Sprachen durch Lesen
> kinderleicht erlernbar sind.

Als polyglotter Mitleser widerspreche ich dir. Die Frage ist nur, wie
lange du dafür lesen mußt. Um die finnische Orthographie zu lernen,
reicht es in der Regel, eine DIN-A4-Seite zu lesen, wenn überhaupt. Das
mußt du bei Französisch erst mal schaffen.

Philipp

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Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 10:03:18 AM8/27/04
to
Martin Gerdes schrieb:

>>Ich liebe sie hauptsächlich deshalb, weil ich
>
> Gibt es eigentlich einen speziellen Grund dafür, daß Du Deine Sätze
> Das fällt mir heute schon zum zweiten Mal

Das liegt wohl daran, daß ich im Moment ziemlich unter Zeitdruck
und nur nebenher mal Zeit zum Posten
Darunter leiden meine Ausdrucksformen gerade etwas.

Ich versuche, drauf zu achten. Wenn's sinnentstellend wird, versuche
ich mich entweder in einem Nachfolgeposting oder per Repost zu
korrigieren, wobei mir bewußt ist, daß letzteres kein guter Stil ist;
das mache ich dann auch nicht, wenn es schon ein Antwortposting gibt
oder sich gravierende Änderungen ergeben.

Philipp

Wolf Busch

unread,
Aug 27, 2004, 10:00:09 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth schrieb:

> Ich verstehe das so, daß die Macher der Rechtschreibreform darauf
> vertraut haben, daß es genügt, Rechtschreibung in der Schule zu
> vermitteln, und nicht bedacht haben, daß es einen Haufen Leute gab, die
> die Rechtschreibreform ablehnen und/oder ignorieren und nach den alten
> Regeln weiterschreiben würden.

Das hätten sie aber bedenken müssen, schließlich sind das Fachleute,
von denen man verlangen kann, daß sie die Folgen ihres Tuns richtig
einschätzen können. Wenn sie das nicht können, dann haben sie versagt.

| Marx:
| Also mich ärgert es schon, wenn die Kultusminister sagen, das jetzt
| an den Schulen besser rechtgeschrieben wird. Denn das ist ja nur
| Meinungsmache und beruht nicht auf empirischen Tatsachen.
[Stand der s-Fehler wirklich so in der Zeitung? ;)]

Es nützt eben überhaupt nichts, davon zu träumen, daß in einer anderen,
besseren Welt die Reform funktioniert hätte. Die Reformer werden nun
mit der Realität konfrontiert.

Harald Marx weist auch auf folgendes hin:

| Statt die Rechtschreibreform offiziell zu verkünden, wäre es
| wesentlich sinnvoller gewesen, man hätte, wie in der Vergangenheit
| schon geschehen, die Änderungsvorschläge als Alternativen zu der
| bisherigen Schreibweise in einen neuen Duden eingearbeitet. Dann
| hätte man schauen können, wie sie angenommen werden.

Man hätte die Rechtschreibung durchaus vereinfachen können, ohne
alte Schreibungen (jedesmal, des öfteren, behende) für normwidrig
zu erklären. Es ist ja ein großer Vorteil des Icklerschen Wörterbuches,
daß es die GZS deutlich vereinfacht, ohne daß Schreibungen, die der
der alten Dudennorm entsprechen, ungültig werden. Wer so weiterschreibt
wie bisher, produziert dann nicht plötzlich lauter Rechtschreibfehler.

Friedrich Blatz schrieb in seiner Grammatik (noch vor der
Orthographischen Konferenz von 1901):

| Die vielberufenden "Mängel" der heutigen deutschen Rechtschreibung
| sind also so erheblich nicht, als sie häufig dargestellt werden;
| dennoch aber ist nicht zu verkennen, daß unsere Orthographie einer
| Vervollkommnung fähig ist. Die Verbesserungsversuche müssen aber,
| wenn sie Aussicht auf Erfolg haben wollen, auf die bestehende und
| allgemein anerkannte Schreibung sich gründen, dem Grundcharakter
| der deutschen Schreibung, dem phonetischen Princip, getreu bleiben,
| müssen sehr allmählich und behutsam vorgenommen werden und von
| allgemein anerkannten Autoritäten ausgehen.
(Friedrich Blatz: Neuhochdeutsche Grammatik. Erster Band. 3. Aufl.
Karlsruhe: Lang, 1900. S. 173)

Das Wort "behutsam" ist ja im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform
mittlerweile zur leeren Floskel herabgesunken. Die Reformer haben bewußt
nicht den Weg der sehr allmählichen und behutsamen Veränderung gewählt,
den nicht nur Blatz, sondern auch Marx (siehe oben) für sinnvoller
gehalten hätte.

Ein sehr wichtiger Punkt ist die "allgemein anerkannte Autorität",
von der Blatz spricht. Die Reformer haben sich immer recht hochnäsig
über alle Umfrageergebnisse hinweggesetzt; die Kommissionsmitglieder
wollten am liebsten unbeobachtet von der Öffentlichkeit tagen. Man
schreibt irgendwelche Normen vor und die Leute sollen dem dann
gefälligst folgen -- so geht das eben nicht.

Schöne Grüße,
Wolf

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 10:06:29 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth schrieb überhastet:

> Nicht, daß ich das irgendwie ändern wollte, ich liebe meine Sprache
> und ihre Orthographie in der Form, wie ich sie gelernt habe, aber man
> muß schon den Grad an Selbsterkenntnis besitzen, zu erkennen, daß sie
> eins nicht ist: systematisch. Die neue ist nicht besser, aber die
> ist ja auch nicht der einzige Vergleichsmaßstab. Ich liebe sie
> hauptsächlich deshalb, weil ich
^
sie lieb*gewonnen* habe, nicht, weil
sie so toll oder unkompliziert oder ein Musterbeispiel leichter
Lesbarkeit wäre.

Philipp

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 10:31:42 AM8/27/04
to
Martin Gerdes schrieb:
> Nein, aber bis zu einem gewissen Grad sucht sich Sprache selbst ihren
> Weg.
>
> Es heißt alt wie neu "des Nachts". Warum? Keiner weiß es. Sonst ist
> "Nacht" ein Femininum.

Ich denke, daß für Orthographie hier andere Entwicklungsgesetze gelten
als für Sprache allgemein, weil das geschriebene Wort länger haltbar ist
als das gesprochene und insofern schriftsprachlichen Normen, seien sie
nun Konventionen oder normative Setzungen, ein höheres Gewicht zukommt.
Echte Entwicklungsprozesse sieht man da eher in Situationen wie der
jetzigen, wo angesichts des Reformchaos die ß-ss-Schreibung keinen
allgemein erkennbaren Regeln folgt, sondern ungeregelt zwischen beiden
Polen der alten und neuen Rechtschreibung folgt.

Formen wie "des Nachts" haben ja nichts mit Orthographie zu tun,
sondern mit Grammatik.

>>wäre es so gelaufen wie in Griechenland, wo alle öffentlichen Medien
>>von Kathareousa auf Dimotiki umstellen mußten, wäre es weitgehend bei
>>dieser zeitlichen Differenz geblieben.
>

> Ich weiß nicht, was in Griechenland gelaufen ist. Wo kann man mehr
> darüber lesen?

Die Situation in Griechenland war schwer vergleichbar: man hatte eine
Diglossie zwischen einer schriftsprachlichen Norm (Καθαρεύουσα
"Reinsprache"), die eine aus dem beginnenden griechischen Nationalismus
im 19. Jahrhundert stammende, sich sehr stark am Altgriechischen
orientierende künstliche Literatursprache war, und einer ursprünglich
mündlichen, jedoch immer stärker auch verschriftlichten Form (Δημοτική
"Volkssprache"). Auffällig ist etwa das Wort "er/sie/es ist", das in
der alten Variante eine eigene morphologische Form hat, die aus dem
Altgriechischen kommt, und das in der neuen mit dem Infinitiv identisch
ist. 1976 wurde dann per Dekret der Gebrauch der alten Norm in den
öffentlichen Medien verboten und die Volkssprache zum Standard erhoben,
ein Akt, der bis heute nicht unumstritten ist. Dadurch, daß sich beide
Formen erheblich unterschieden, war ein Durcheinander weitgehend
ausgeschlossen. Das Dekret von 1976 hatte teilweise eher den Charakter
einer Sprach- als einer Rechtschreibreform; eher
Rechtschreibreformcharakter hatte die Abschaffung der altgriechischen
Akzente 1982, wieder eine Maßnahme, die im Schriftbild auf den ersten
Blick sichtbar ist und eine eindeutige Vorher-Nachher-Zuordnung erlaubt,
auch ohne griechische Sprachkenntnisse.

Ganz knapp gibt es was (in einer anderen Sprache als Griechisch) unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Sprache oder unter
http://encyclopedia.thefreedictionary.com/Katharevousa, ansonsten gibt
es vermutlich eine Reihe Veröffentlichungen in Buch- oder Artikelform
zum Thema.

> Wie hättest Du Dir angesichts unserer gesellschaftlichen Situation
> eine ruckartige Umstellung vorgestellt?

Unabhängig davon, ob ich eine derartige Reform gutgeheißen oder für
wünschenswert gehalten hätte: wären die Änderungen radikal genug
gewesen, daß der Unterschied zwischen den Regeln "vorher" und den Regeln
"nachher" auffällig genug gewesen wäre (z.B. durch vollständige
Kleinschreibung, konsequente Durchführung des phonetischen Prinzips
o.ä.), hätten zwar vielleicht eine Zeitlang Texte in alter und neuer
Rechtschreibung parallel existiert, die beiden Standards wären aber
unverwechselbar gewesen, und eine Situation, daß etwa die
ß-ss-Schreibung in den Köpfen der Leute durcheinandergeht, wäre weit
unwahrscheinlicher gewesen, weil man sofort die jeweilige
Rechtschreibenorm erkannt hätte.

Philipp

Gerd Thieme

unread,
Aug 27, 2004, 10:35:15 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth wrote:

> Du hast von der Lehrerzunft keine hohe Meinung, warum auch immer;

Seit rund 200 Jahren kämpfen lererferaine für Kleinschreibung und gegen
Dehnungszeichen.

> Nicht, daß ich das irgendwie ändern wollte, ich liebe meine Sprache
> und ihre Orthographie in der Form, wie ich sie gelernt habe, aber
> man muß schon den Grad an Selbsterkenntnis besitzen, zu erkennen,
> daß sie eins nicht ist: systematisch.

Ja. Und? Warum sollte sie? Für eine homophonreiche Sprache taugt
phonetische Schreibung nicht.

Die Schrift muß irgendwie die Zusatzinformation codieren, die beim
Sprechen per Stimmführung, Gestik, Kontext, ... übertragen werden.

> Was ist denn eine "primitive Orthographie"? Eine, die einfachen,
> unmittelbar aus der Phonetik der Sprache ableitbaren Regeln folgt?

Eine, die nur diesen Regeln folgen will und ignoriert, daß Schrift mehr
als nur Lautung zu transportieren hat.

Eine Schrift, die nur zum Vorgelesenwerden taugt, deren Sinn man nicht
unmittelbar ohne [wenigstens stilles] Mitsprechen aufnehmen kann, ist
primitiv.

> Die primitiven Finnen, Türken und Tschechen werden dich lieben für
> diese Aussage!

Ich nehme an, Ungarn und Italiener passen auch auf diese Liste. Da ich
keine der genannten Sprachen beherrsche, kann ich nur vermuten, daß
homophone Wortformen nicht allzu häufig sind, jedenfalls nicht in
denjenigen dieser Sprachen, die ihre aktuelle Schrift schon länger
besitzen.

> Es gibt eine Menge Sprachen, deren Orthographie unter einer Reihe von
> Gesichtspunkten unsystematisch ist und deren Sprecher sie trotzdem

> für die ein Musterbeispiel an leichter Lesbarkeit ... halten

Könnte das daran liegen, daß systematische oder unsystematische
Orthographie für die Lesbarkeit gar keine Rolle spielt?

> Hältst du es nicht für eine Anmaßung, den braven tschechischen
> Soldaten Švejk im Deutschen seines schönen diakritischen Zeichens zu
> berauben?

Nein. Das ist normale Transkription, auch Laotses Name wird im Deutschen
nicht mit den Zeichen der eigenen Sprache geschrieben.

> Oder sollten wir dann nicht auch "Woschingten" schreiben?

Warum? Es wird doch ganz normal deutsch ["vaSINtOn] oder allenfalls
geringfügig anglisiert ["vOSINt@n] ausgesprochen. Das paßt recht gut zur
Schreibung.

> Die Orthographie ist noch das Systematischste am Latein.

Vor allem die klare Unterscheidung langer und kurzer Vokale.

>> Ich fïnde übrigens auch die englische Orthographie nicht besonders
>> kompliziert. Sie ist durch fleißiges Lesen ebensoleicht zu erlernen wie
>> die deutsche - und ebensowenig reformbedürftig.
>

> Findest du so seltsame Paare wie "though"-"rough", "show"-"how" und

> Konsorten von denen das Englische Unmengen bereitstellt, systematisch?

Warum sollte das systematisch sein? Man lernt die Wörter einfach, eins
nach dem andern. Orthographie ist zum Lesen da, nicht zum Lernen.

> Was für Kriterien legst du denn an eine systematische Orthographie an?

Gar keins. Soweit Systematik erstrebenswert ist, hat sie sich bereits
durchgesetzt. Orthographie hat lesbar zu sein, nicht systematisch.

> Warum müssen englische Kinder in der Schule dann jahrelang spellings
> büffeln?

Möglicherweise lesen sie zu wenig. Wer einen großen Teil seines
Wortschatzes nur als Lautfolge lernt und nicht auch in geschriebener
Form, hat wohl in allen Sprachen Schwierigkeiten.

> Als polyglotter Mitleser widerspreche ich dir. Die Frage ist nur, wie
> lange du dafür lesen mußt. Um die finnische Orthographie zu lernen,
> reicht es in der Regel, eine DIN-A4-Seite zu lesen, wenn überhaupt.

Vorausgesetzt, Du kennst die der Verschriftung zugrundeliegende
Normalaussprache jedes Worts und nicht nur die regional abgeschliffene
Form, die in Deiner Umgebung üblich ist.

> Das mußt du bei Französisch erst mal schaffen.

Mir will scheinen, daß die französische Orthographie sehr lautgetreu
ist, besser als die deutsche. Wer sein Begriffsvokabular primär optisch
mit dem Schriftbild assoziiert (wie ich das in allerdings nur zwei
Sprachen tu) und die akustische Form nur bei Bedarf rekonstruiert, hält
auch die deutsche Rechtschreibung für ziemlich lautgetreu. Den
umgekehrten Weg, aus der akustischen Form das Schriftbild zu
rekonstruieren, benötigt der optische Typ allenfalls bei noch
unbekannten Wörtern.

Aus Deiner Argumentationsweise entnehme ich, daß Du weniger optisch
denkst, vielleicht eher akustisch. Sollte die Orthographie nicht beiden
Typen dienen?

Gerd

Gerd Thieme

unread,
Aug 27, 2004, 10:52:12 AM8/27/04
to
Philipp Reichmuth wrote:

> Ich hab Lesen erst über die Buchstabennamen gelernt, erkennbar z.B. am
> Wort "XPRSZOCH", das ich als eisenbahnbegeisterter Vierjähriger in
> Berlin stolz geschrieben habe.

Dieses, im Vergleich zu mir, umgekehrte Vorgehen scheint unsere
unterschiedlichen Vorstellungen von wünschenswerten und irrelevanten
Eigenschaften einer idealen Orthographie zu beeinflussen.

Gerd

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 11:14:55 AM8/27/04
to
Gerd Thieme schrieb:

> Seit rund 200 Jahren kämpfen lererferaine für Kleinschreibung und gegen
> Dehnungszeichen.

Gegen Dehnungszeichen zu kämpfen halte ich für verfehlt, weil danach von
den 14 bis 16 deutschen Vokalphonemen nur noch 8 erkennbar wären. Bei
Kleinschreibung gibt es eine Menge Sprachen, die damit ganz gut
klarkommen, auch Sprachen mit ausgeprägtem Nominalcharakter, insofern
kann ich verstehen, daß jemand auf die Idee kommt, ohne auszukommen,
auch wenn ich mich da nicht zurechnen würde.

> Die Schrift muß irgendwie die Zusatzinformation codieren, die beim
> Sprechen per Stimmführung, Gestik, Kontext, ... übertragen werden.

Tun eine Menge Alphabete oder Schriften nicht. Die arabische Schrift
zum Beispiel kodiert nicht mal die kurzen Vokale, was für Arabisch
aufgrund seiner Sprachstruktur auch ganz gut geht (für praktisch alle
anderen damit geschriebenen Sprachen allerdings zugegebenermaßen
katastrophal ist.)

>>Die primitiven Finnen, Türken und Tschechen werden dich lieben für
>>diese Aussage!
>
> Ich nehme an, Ungarn und Italiener passen auch auf diese Liste. Da ich
> keine der genannten Sprachen beherrsche, kann ich nur vermuten, daß
> homophone Wortformen nicht allzu häufig sind, jedenfalls nicht in
> denjenigen dieser Sprachen, die ihre aktuelle Schrift schon länger
> besitzen.

In der Praxis gibt es eine Menge Sprachen, die da wenig Differenzierung
betreiben. Russisch zum Beispiel unterscheidet im Schriftbild nicht
zwischen Betonungsminimalpaaren wie города im Genitiv Singular, vorn
betont, und города, Nominativ Plural, hinten betont, oder писать
"schreiben" hinten und писать "pissen" vorn betont. Das sind zwar keine
homophonen Wortformen, aber der phonetische Unterschied geht aus dem
Schriftbild nicht hervor, für das Lesen sind sie also Homophonen
äquivalent. Während man sie beim Hören problemlos unterscheiden kann,
geht das beim bloßen Lesen nicht, was also eher ein Problem für den
"optisch" als den "akustisch" denkenden Leser wäre, aber in der Praxis
eben keins ist.

>>Hältst du es nicht für eine Anmaßung, den braven tschechischen
>>Soldaten Švejk im Deutschen seines schönen diakritischen Zeichens zu
>>berauben?
>
> Nein. Das ist normale Transkription, auch Laotses Name wird im Deutschen
> nicht mit den Zeichen der eigenen Sprache geschrieben.

Das kannst du nicht vergleichen, es ist ein anderes Schriftsystem bei
Laotse. Bleiben wir bei der Lateinschrift: warum wird Švejks Name
transkribiert, aber Bushs Name nicht? Weil die Tradition nun mal ist,
daß tschechische Namen transkribiert werden, aber englische nicht. Aber
wo ist da die Logik? Höchstens, daß die Deutschen bereit sind, in ihrer
Schriftsprache bestimmte Diakritika eher zu tolerieren (Akut, Gravis,
Zirkumflex, unter Umständen skandinavische Akzente und und Cedille),
andere weniger (Haček, Ogonek, türkisches ğ und ı und ähnliches). Aber
warum? Und warum kriegt François Mitterand sein ç dann weit häufiger,
als Tansu Çiller ihrs bekam? Wieder keine wirkliche Logik erkennbar,
höchstens irgendwelche historischen Zusammenhänge, mehr oder weniger
zufällig.

>>Oder sollten wir dann nicht auch "Woschingten" schreiben?
>
> Warum? Es wird doch ganz normal deutsch ["vaSINtOn] oder allenfalls
> geringfügig anglisiert ["vOSINt@n] ausgesprochen. Das paßt recht gut zur
> Schreibung.

OK. Wie ist es mit dem "Nju" in "Nju Jork"? Daß ich das letzte Mal
"Neuyork" gelesen habe, ist eine Weile her :)

>>>Ich fïnde übrigens auch die englische Orthographie nicht besonders
>>>kompliziert. Sie ist durch fleißiges Lesen ebensoleicht zu erlernen wie
>>>die deutsche - und ebensowenig reformbedürftig.
>>
>>Findest du so seltsame Paare wie "though"-"rough", "show"-"how" und
>>Konsorten von denen das Englische Unmengen bereitstellt, systematisch?
>
> Warum sollte das systematisch sein? Man lernt die Wörter einfach, eins
> nach dem andern. Orthographie ist zum Lesen da, nicht zum Lernen.

Nach *der* Logik wäre es wirklich *vollkommen* wurscht, wie eine
Orthographie beschaffen ist, schließlich muß man die Wörter ja so oder
so eins nach dem anderen lernen. Und homophonreich, um bei dem
Kriterium zu bleiben, ist Englisch auch lange nicht so wie Deutsch.

>>Was für Kriterien legst du denn an eine systematische Orthographie an?
>
> Gar keins. Soweit Systematik erstrebenswert ist, hat sie sich bereits
> durchgesetzt. Orthographie hat lesbar zu sein, nicht systematisch.

Rechtschreibung unterliegt nicht denselben Entwicklungskriterien für
Sprache. Im Moment ist es so, daß Rechtschreibenormen weit häufiger bei
Sprachen systematisch sind, deren schriftsprachliche Norm ab der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhundert mit dem Nationalismus feste Formen annahm, im
Gegensatz etwa zu Deutsch, Französisch, Englisch oder Polnisch.
Deswegen hat Polnisch eine Orthographie, die mit ihren Diakritika
relativ unsystematisch ist, das sehr nah verwandte Slowakisch dagegen nicht.

>>Warum müssen englische Kinder in der Schule dann jahrelang spellings
>>büffeln?
>
> Möglicherweise lesen sie zu wenig. Wer einen großen Teil seines
> Wortschatzes nur als Lautfolge lernt und nicht auch in geschriebener
> Form, hat wohl in allen Sprachen Schwierigkeiten.

Kommt auf die Sprache an. Wer hypothetischermaßen die finnische
Hochsprache ausschließlich sprechen kann, kann sie auch mit minimalem
Aufwand richtig schreiben lernen, etwas, das du vom Englischen wohl kaum
wirst behaupten können.

>>Als polyglotter Mitleser widerspreche ich dir. Die Frage ist nur, wie
>>lange du dafür lesen mußt. Um die finnische Orthographie zu lernen,
>>reicht es in der Regel, eine DIN-A4-Seite zu lesen, wenn überhaupt.
>
> Vorausgesetzt, Du kennst die der Verschriftung zugrundeliegende
> Normalaussprache jedes Worts und nicht nur die regional abgeschliffene
> Form, die in Deiner Umgebung üblich ist.

Da ich kein finnischer Muttersprachler bin, sehe ich das sowieso unter
der Perspektive des Erwerbs als Zweitsprache und kann die Komplexität
der Orthographie ja nicht anders beurteilen als aus der Perspektive
eines linguistisch vorgebildeten Ausländers. In vielen Sprachen lernt
der Lernende ja in der Schule ohnehin die Hochsprache als ein mehr oder
weniger eigenes Sprachsystem neben seinem Dialekt. Manche Sprachen
machen dem Leser nur den Schrifterwerb parallel zum Erwerb der
Hochsprache leichter und manche schwerer, und das auch unabhängig davon,
wie nah die Hochsprache am Dialekt ist.

>>Das mußt du bei Französisch erst mal schaffen.
>
> Mir will scheinen, daß die französische Orthographie sehr lautgetreu
> ist, besser als die deutsche.

Na ja, "peu" vs. "yeux" und Konsorten, und davon gibt es ebenfalls Hunderte.

> Aus Deiner Argumentationsweise entnehme ich, daß Du weniger optisch
> denkst, vielleicht eher akustisch. Sollte die Orthographie nicht beiden
> Typen dienen?

Sollte sie. Ich bin zugegebenermaßen vorbelastet, weil ich ein
Phonetikstudium (im Nebenfach) hinter mir habe, wo ich unter anderem
einige Arbeiten über Systematik von Orthographien im Kontext der
Entwicklung von Alphabeten für unverschriftlichte Sprachen hinter mir habe.

Auf der anderen Seite kann man die Komplexität eines Schriftsystems m.E.
nach visuellen Gesichtspunkten schwer beurteilen, weil der Maßstab der
Nähe zur Aussprache fehlt und du auf andere, schwerer faßbare, weil
weniger eindeutige Kriterien zurückgreifen mußt, etwa die Häufigkeit von
Homophonen oder, m.E. einflußreicher, das Maß, zu dem sich Schreiber
(von Sprechern reden wir da ja nicht) Traditionen verhaftet fühlen.

Philipp

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 11:15:24 AM8/27/04
to
Gerd Thieme schrieb:

Ganz gut möglich :)

Philipp

Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 11:29:34 AM8/27/04
to
Wolf Busch <tei...@web.de> schrieb:

>Philipp Reichmuth schrieb:
>
>> Ich verstehe das so, daß die Macher der Rechtschreibreform darauf
>> vertraut haben, daß es genügt, Rechtschreibung in der Schule zu
>> vermitteln, und nicht bedacht haben, daß es einen Haufen Leute gab, die
>> die Rechtschreibreform ablehnen und/oder ignorieren und nach den alten
>> Regeln weiterschreiben würden.
>
>Das hätten sie aber bedenken müssen, schließlich sind das Fachleute,
>von denen man verlangen kann, daß sie die Folgen ihres Tuns richtig
>einschätzen können. Wenn sie das nicht können, dann haben sie versagt.

Das ist eben der Unterschied zwischen Theorie und Praxis und leider
sind Personen selten, die in beidem Leuchten sind. Derartige Leute
wirst du in allen Bereichen finden, die eine Lösung fabrizieren, die
auf dem Papier gut aussieht, jedoch schwierig in die Tat umzusetzen
ist.

Gruß
Manfred.

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 11:40:40 AM8/27/04
to
Manfred Hoß schrieb:

> Das ist eben der Unterschied zwischen Theorie und Praxis und leider
> sind Personen selten, die in beidem Leuchten sind. Derartige Leute
> wirst du in allen Bereichen finden, die eine Lösung fabrizieren, die
> auf dem Papier gut aussieht, jedoch schwierig in die Tat umzusetzen
> ist.

Deswegen sollte in so einer Kommission ja immer mehr als einer sitzen :)

Philipp

Yvonne Steiner

unread,
Aug 27, 2004, 12:08:59 PM8/27/04
to
Gerd Thieme <gerdt...@spamcop.net> wrote:

> Nur ein wenig breitgewalzt sind deutsche Wörter.
>
> Shriebe man statt /sch/ einfach /sh/, dann könnte man ein winziges
> bißchen shneller lesen.

Wie schnell liest du : Nussshale; Reisshüssel; Kiesshleuder; ausshaben?

[...]
> Natürlich sind diese Änderungen überflüssig wie ein Kropf. Oder wie jede
> Fummelei am Bewährten.
>
Wie gut, wenn man es selbst schon eingesehen hast. ;-)

--
Yvonne Steiner

Yvonne Steiner

unread,
Aug 27, 2004, 12:14:41 PM8/27/04
to
Gerd Thieme <gerdt...@spamcop.net> wrote:

Wie gut, wenn man es selbst schon eingesehen hat. ;-)

--
Yvonne Steiner

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 12:29:50 PM8/27/04
to
Yvonne Steiner schrieb:

>>Shriebe man statt /sch/ einfach /sh/, dann könnte man ein winziges
>>bißchen shneller lesen.
>
> Wie schnell liest du : Nussshale; Reisshüssel; Kiesshleuder; ausshaben?

Langsam, aber nur, weil ich etwas anderes gewohnt bin. Da wir fast alle
mehr oder weniger ausschließlich an bisherige deutsche Rechtschreibung
alte Rechtschreibung mit ein paar minimalen Änderungen gewöhnt sind,
brauchen wir uns auf Experimente zur Lesegeschwindigkeit bei neuen
Varianten gar nicht einzulassen.

Philipp

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Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 1:22:18 PM8/27/04
to
Oliver Cromm <lispa...@internet.uqam.ca> schrieb:

>Für das Durcheinander verantwortlich ist die Existenz zweier Normen,
>und dafür verantwortlich sind die, die ohne Not eine zweite Norm
>eingeführt haben.

Ich kann dem obigen Satz fast zustimmen, bis auf "ohne Not", denn in
der deutschen Schriftsprache haben sich im Lauf der Zeit so viele
Ungereimtheiten und Widersprüche eingenistet, daß eine Veränderung
notwendig war bzw. ist.

Gruß
Manfred.

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Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 2:14:21 PM8/27/04
to
Oliver Cromm schrieb:
> Philipp Reichmuth wrote:
>
>>Den Satz lieber nochmal neu: "Für das Durcheinander tragen sie
>>ganz bestimmt nicht nur deswegen keine Mitverantwortung, nur weil
>>die Rechtschreibreform nicht auf ihrem Mist gewachsen ist."
>
> "... sondern auch deswegen, weil sie ihre eigene Schreibweise sorgsam
> durchdacht haben."? Das wolltest Du aber nicht sagen.

Da gibt es dann wieder die FAZ-Variante, die ich unter
Durcheinandervermeidungsgesichtspunkten für die sinnvollste halte, wenn
man schon nicht neue Rechtschreibung schreiben will, oder die
Zeit-Variante, die bei allem Durchdenken bewußt darauf verzichtet, mit
irgendwelchen anderen Medien Einheitlichkeit im Sprachgebrauch pflegen
zu wollen, und insofern das Durcheinander billigend in Kauf nimmt, und
zwar eins, das noch größer als das von der Rechtschreibreform ja
durchaus konzedierte Nebeneinander von *entweder* alter *oder* neuer
Rechtschreibung ist.

Und es gibt die große Anzahl von Leuten, die im Alltag ein Mischmasch
aus alter und neuer Rechtschreibung gebrauchen, weil sie ihre eigene
Schreibweise *nicht* sorgsam durchdenken, und so zur Vermischung der
Normen beitragen, so daß jetzt eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung
auch nicht mehr möglich ist.

Philipp

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Rüdiger Silberer

unread,
Aug 27, 2004, 2:25:39 PM8/27/04
to
Philipp Reichmuth schrieb:
[..]

>Wie ich das mit der Verantwortung und Verantwortungsfreiheit und
>Schuldzuweisung an die eigentlichen Urheber sehe, habe ich gerade Astrid
>in <cgnaa6$gt8$1...@f1node01.rhrz.uni-bonn.de> geantwortet, ich will das
>Ganze nicht zweimal posten.

Ist schon recht, der Faden ist sowieso schon etwas unübersichtlich.

--
ade, Rüdiger

"Die Portugiesen werden gewinnen. Allein schon, weil sie rot-grüne Trikots tragen."
-Franz Müntefering-

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Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 2:53:16 PM8/27/04
to
r...@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram) schrieb:

>Manfred Hoß <manfre...@t-online.de> writes:
>>Ich kann dem obigen Satz fast zustimmen, bis auf "ohne Not",
>>denn in der deutschen Schriftsprache haben sich im Lauf der
>>Zeit so viele Ungereimtheiten und Widersprüche eingenistet, daß
>>eine Veränderung notwendig war bzw. ist.
>

> Ein Widerspruch ist eine Aussage der Form "A und nicht A".
> Solche Aussagen gibt es in der deutschen Schriftsprache nicht.
> Die "Widersprüche", die Du darin siehst, sind Konstruktionen
> Deiner Wahrnehmung.

Wieso schrieb man "irgendwas" aber "irgend etwas"? Wieso schrieb man
"radfahren" aber "Auto fahren"? Konstruiert meine Wahrnehmung hier
Widersprüche, wo keine sind, oder gibt es sie? Ich will nicht
behaupten, daß die Neuregelung alle Widersprüche beseitigt hätte oder
nicht neue Widersprüche bzw. Unklarheiten aufgetaucht sind, doch
wurden immerhin einige beseitigt.

Gruß
Manfred.

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Lueko Willms

unread,
Aug 27, 2004, 2:26:00 PM8/27/04
to
. Am 26.08.04
schrieb reic...@caesar.de (Philipp Reichmuth)
auf /DE/ETC/SPRACHE/DEUTSCH
in 2p5o5vF...@uni-berlin.de
ueber Re: Prof. Dr. Harald Marx: =?windows-1252?Q?=84Rechtschreibung_?= =?wi

PR> Zitat: "Weil [...]
PR> bestand auch aus der Sicht der erwachsenen Bundesbürger und
PR> kritischer Lehrer nicht wirklich ein hundertprozentiger Zwang zur
PR> Umstellung."

Das für mich bedeutsame Wort darin ist der _Zwang._

Wenn Zwang für eine Änderung der Schreibung nötig ist, dann ist die
Änderung nicht in Ordnung.


PR> Ich verstehe das so, daß die Macher der Rechtschreibreform darauf
PR> vertraut haben, daß es genügt, Rechtschreibung in der Schule zu
PR> vermitteln, und nicht bedacht haben, daß es einen Haufen Leute gab,
PR> die die Rechtschreibreform ablehnen und/oder ignorieren und nach den
PR> alten Regeln weiterschreiben würden.

Ich glaube viel mehr, daß die davon ausgehen, daß alle Welt beim
Schreiben immer alle Rechtschreibregeln konsultiert, und dabei eben
durch eine schematische "Vereinfachung" eine Erleichterung erfährt.

Aber dem ist nicht so.

Auch die Sprache lernt man nicht durch Auswendiglernen einer
Grammatik, sondern umgekehrt, die Grammatik findet man erst später
heraus.

Die "Reformer" wollten vor allem, so habe ich das immer verstanden,
und dies vor allem bei Medienfirmen wie der dpa, die Sprache
computergerecht gestalten, damit man automatisierte
Rechtschreibprüfung machen kann, ohne auf den Sinn der Worte zu
achten. Aber damit haben sie sowohl die Menschen als auch die
Computer, bzw. die von Menschen für Computer entwickelte Programme,
unterschätzt.

mfG,
Lüko Willms http://www.mlwerke.de
/--------- L.WI...@jpberlin.de -- Alle Rechte vorbehalten --

"Das Volk, das ein anderes Volk unterjocht, schmiedet seine eigenen
Ketten." - Karl Marx (1. Januar 1870)

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Mathias Hiller

unread,
Aug 27, 2004, 3:18:04 PM8/27/04
to
On 27 Aug 2004 18:16:19 GMT, r...@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram)
wrote:

> - Die viel zu komplizierte menschliche DNA, die viele

In deutschen Texten bitte DNS --> S = Säure

--
Gruß
Mathias +++ m...@snafu.de +++ http://home.snafu.de/mat/
+++ Disclaimer: My opinions are my own +++ and mine only +++
+++ Willst Du früh zur Arbeitsstelle: +++
+++ nimm' die S-Bahn - pünktlich - schnelle! +++

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 3:18:14 PM8/27/04
to
Oliver Cromm schrieb:

>> Bleiben wir bei der Lateinschrift: warum wird Švejks Name
>> transkribiert, aber Bushs Name nicht? Weil die Tradition nun mal
>> ist, daß tschechische Namen transkribiert werden, aber englische
>> nicht. Aber wo ist da die Logik? Höchstens, daß die Deutschen
>> bereit sind, in ihrer Schriftsprache bestimmte Diakritika eher zu
>> tolerieren (Akut, Gravis, Zirkumflex, unter Umständen

>> skandinavische Akzente und und Cedille), andere weniger (Ha?ek,
>> Ogonek, türkisches ? und ? und ähnliches). Aber warum?
>
> Wegen der technischen Ausstattung, die wiederum mit der
> (historischen) Bedeutung der jeweiligen Sprachen _für Deutsche_
> zusammenhängt.

Selbst das gilt nur eingeschränkt und hat weniger was mit praktischer
Bedeutung als mit Sozialprestige und/oder Chauvinismus zu tun, etwa beim
Französischen. Es wäre vor 1918 kaum einem Deutschen eingefallen, nur
deswegen polnische Diakritika zu verwenden, nur weil man über ein paar
Millionen Polen herrschte. Die Bedeutung der schwedischen Sprache für
Deutsche war auch eher gering, vermutlich sogar durchgehend geringer als
etwa die des Polnischen in Preußen oder des Ungarischen in
Österreich-Ungarn, trotzdem findest du im deutschsprachigen Schriftsatz
wesentlich häufiger die korrekte Wiedergabe von å in
Originalorthographie als die von ą oder ő, und der Durchschnittsdeutsche
ungefähr zu wissen glaubt, wie er ersteres zu lesen hat, während es ihm
bei den letzteren beiden umständlich erklärt werden muß.

Gleichzeitig sind wir in Deutschland da bemerkenswert wenig
anpassungsbereit. Obwohl wir einige Millionen "Türken" im Land haben,
von denen ein nicht unbeträchtlicher Anteil deutsche Staatsbürger sind,
und Türkisch (neben Russisch) in Deutschland die Sprache mit bei weitem
den meisten Muttersprachlern ist, würdest du im deutschen Zeitungssatz
praktisch nie einen Türken finden, dessen Diakritika im Namen richtig
wiedergegeben werden; dabei wäre es mittlerweile überhaupt kein
technisches Problem mehr und entspräche eigentlich den elementaren
Regeln der Höflichkeit. Eine Situation, bei der ich mir nebenbei, wenn
man schon eine staatlich verordnete Rechtschreibreform macht, was auch
immer man von der letzten halten mag, ein Umdenken gewünscht hätte.

> Bei halbwegs häufigen Wörtern kommt für den Muttersprachler nur eine
> Aussprache in Frage, weil die anderen von der Schrift her denkbaren
> keine existierenden Wörter sind.

Stimmt für eine ganze Reihe von Sprachen und Alphabeten nicht, hatten
[s.u.] deren Ahnen jetzt weniger praktische Intelligenz?

> Ich habe nicht den Eindruck, daß Forschung und systematisches
> Nachdenken für das Deutsche bisher eine Schreibweise hervorgebracht
> hat, die besser ist als die herkömmliche, und bewundere dafür die
> praktische Intelligenz unserer Ahnen.

Das hat wohl nicht viel mit praktischer Intelligenz zu tun, eher mit
der Übernahme bestimmter Dialekteigenschaften in die Hochsprache bei der
Ausbreitung des Buchdrucks und ansonsten einfach mit Zufälligkeiten und
mit Geschmäckern der Zeit. Das merkst du z.B. bei Fremdwörtern: warum
man zum Beispiel "Rhythmus" mit zwei H schreibt, ist einzig und allein
einer bestimmten Latinisierung eines griechischen Wortes zu verdanken,
wo im Geist des Humanismus bestimmte Latinisierungskonventionen galten,
und die sind im Deutschen anschließend versteinert. Das hat nicht viel
mit praktischer Intelligenz zu tun; den Italienern tut es auch nicht
weh, daß sie genau dasselbe Wort eben anders übernommen haben. Im
Polnischen gibt es diverse Möglichkeiten, die weiche Aussprache eines
Konsonanten anzuzeigen, im Slovakischen nicht; das macht Slovakisch
nicht schlechter lesbar, aber die Orthographie viel leichter lernbar,
und ist nur schwer durch praktische Intelligenz erklärbar. Das gleiche
gilt für å und ą; daß dem Deutschen heute eins vertraut, eins unvertraut
vorkommt, scheint mir auch schwer durch praktische Intelligenz unserer
Ahnen erklärlich.

Oder nimm im Deutschen die Längung von Vokalen: ein praktisch
intelligenter Mensch würde sich dafür vermutlich eine geringere Anzahl
verschiedener Varianten ausdenken, während ein die praktische
Intelligenz gegenüber der Traditionstreue zurückstellender Mensch da
eine größere Anzahl aus einer älteren sprachlichen Entwicklungsstufe
stammende Varianten beibehalten hat.

Die deutsche Orthographie hat einen längeren Entwicklungsprozeß hinter
sich als diverse anderen; das bedeutet im Gegensatz zu einer Menge
populärer an die Evolutionstheorie angelehnten linguistischen Theorien à
la "Sprachökonomie und Lautwandel" aber nicht notwendig, daß diese
Entwicklung sich immer automatisch in Richtung auf etwas bewegt, was für
den jeweiligen Zustand der deutschen Sprache immer besser geeignet ist.
Für die Entwicklung von Orthographie gibt es nun mal eine Reihe
Rahmenbedingungen, die für die Sprachentwicklung so sonst nicht gelten.

Insofern haben unsere Ahnen in der Tat einiges geleistet, und sie haben
ein orthographisches System geschaffen, das ganz brauchbar ist.

Aber wenn jemand etwa die ß-ss-Regeln der deutschen Rechtschreibung aus
sprachsystematischen Gründen ("Vielfalt sprachlicher
Ausdruchsmöglichkeiten") ablehnt und es ihm ausnahmsweise tatsächlich
*nicht* um ästhetische Gründe ("es gefällt mir nicht anders, und
außerdem war es schon immer so"), dann muß er sich auch die Frage
gefallen lassen, wo nach dem Stand des Deutschen von 2004 die
Sprachsystematik hinter der Wahl etwa der oben genannten Längung von
Vokalen ist: Dehnungs-E ("Bier"), Doppelschreibung ("Paar"),
Einfachschreibung ("Tor"), Dehnungs-h ("Wehr"); wo ist die praktische
Intelligenz dabei? Da fallen mir nicht viel mögliche Antworten ein,
außer: eine Rechtschreibreform hätte es dann ohnehin nicht gebraucht.
An der Stelle sind wir uns dann wieder einig.

> Phonetische Schrift ist gar nicht erstrebenswert, weil die Phonetik
> vermutlich nicht mal der Repräsentation der Lautbilder im Gehirn
> entspricht, sondern dieser Repräsentation plus physiologischen und
> akustischen Begrenzungen. Auch Phoneme sind noch nicht der Weisheit
> letzter Schluß. Da ist vielleicht noch etwas Forschung vonnöten.

Das ist selbst in der Phonetik anerkannt, etwa bei phonologischen
Phänomenen an Morphemgrenzen (offene Junktur, Kuhchen vs. Kuchen).
Abgesehen davon käme sie der Repräsentation im Gehirn vermutlich näher
als willkürliche historisch bedingte Formen. Insofern steht uns im
Moment zumindest für neuentwickelte Orthographien bis auf weiteres kein
besseres Konstruktionsprinzip zur Verfügung.

>> Sollte sie. Ich bin zugegebenermaßen vorbelastet, weil ich ein
>> Phonetikstudium (im Nebenfach) hinter mir habe, wo ich unter
>> anderem einige Arbeiten über Systematik von Orthographien im
>> Kontext der Entwicklung von Alphabeten für unverschriftlichte
>> Sprachen hinter mir habe.
>

> Dann ist es erst recht gut, dass ich oben mal auf die Ungeeignetheit
> dieses Maßstabs hingewiesen habe.

"Ungeeignetheit"? Findest du das nicht ein bißchen stark? Willst du da
nicht zumindest auf bestimmte Sprachen einschränken und dann vielleicht
noch ein Kriterium angeben, warum du für genau diese Sprachen genau so
einschränkst? Da müßte ich wieder auf die guten alten Finnen und Türken
hinweisen, deren jeweilige Orthographien praktisch vollständig
(Finnisch) oder sehr weitgehend (Türkisch) dem Phoneminventar
entsprechen; hältst du die für ungeeignet? Jedenfalls beschwert sich
kaum ein finnischer Typograph, daß sein Alphabet schwer zu lesen sei,
und die Orthographie lernt sich für Finnen wie für Ausländer erheblich
leichter als die manch anderer Sprache.

Philipp

Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 3:28:30 PM8/27/04
to
r...@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram) schrieb:

[irgendwas, irgend etwas]

> Dann erkläre doch bitte einmal, worin hier der
> Widerspruch besteht.

In einem Fall mußte ich es zusammenschreiben, im anderen getrennt.
Wieso? Weißt du irgendwas darüber? Weißt du irgend etwas darüber?
Bemerkst du eine Unstimmigkeit?

[Auto fahren, radfahren]

> Das wird auch heute oft noch so geschrieben.

Von Reformern oder Reformverweigerern oder von beiden?

> Einen Widerspruch sehe ich hier auch nicht.

Ich sehe hier eine unsinnige Einzelfallregelung, die für mich
widersprüchlich ist, da sie keinen Sinn ergibt. Wenn du mir erklären
kannst, weshalb es richtig ist, "radfahren" zu schreiben, doch "Auto
fahren", so erkläre es mir bitte.

Gruß
Manfred.

Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 3:39:04 PM8/27/04
to
Astrid Schleicher <astrid.s...@gmx.de> schrieb:

>Warum? Aus deutscher Ordnungsliebe allein? Mit eben dieser
>Schriftsprache hatten wir mal einen recht hohen Alphabetisierungsgrad.
>Wenn der deutlich zurückgegangen ist, während die Schriftsprache
>dieselbe geblieben ist, muß man sie dann ändern?

Hast du Zahlen, die belegen, daß der Alphabetisierungsgrad zurückging?
Hängt der Rückgang, so es ihn gibt, mit der Rechtschreibreform
zusammen? Oder gibt es andere Ursachen dafür?

>Man kann ja hübsch übersichtliche Alternativen entwickeln. Wenn diese
>tauglich sind, also das Leseverständnis nicht beeinträchtigen, werden
>sie auch benutzt werden. Aber erst müssen die Texte dasein, sich am
>Markt bewähren, und dann müssen die Schulen ihrem Auftrag gerecht
>werden. Nämlich das lehren, was schließlich benötigt wird.

Hier taucht das Problem auf, daß es eine Institution geben müßte, die
dies überprüft, wobei die Objektivität und Nachvollziehbarkeit
gewährleistet sein müßte.

>Jede Veränderung im großen Stil, jedes Aufräumen, ist ein
>Informationsverlust, weil der Zugang zu alten Texten dann mangels
>Gewöhnung schwieriger wird. Die sogenannte Informationsgesellschaft
>muß wissen, ob sie sich das leisten will.

Ich habe alte Texte gelesen, ohne Schwierigkeiten mit dem Zugang zu
diesen zu haben. In einem deutschsprachigen Buch zu lesen, das im 18.
oder 19. Jahrhundert erschien, ist für mich nicht schwer. Lediglich
völlig unbekannte Begriffe stellen mich vor Probleme. Daher kann ich
deine Bedenken bezüglich Informationsverlust nicht teilen.

Gruß
Manfred.

Philipp Reichmuth

unread,
Aug 27, 2004, 3:40:12 PM8/27/04
to
Astrid Schleicher schrieb:

>>Und es gibt die große Anzahl von Leuten, die im Alltag ein Mischmasch
>>aus alter und neuer Rechtschreibung gebrauchen, weil sie ihre eigene
>>Schreibweise *nicht* sorgsam durchdenken, und so zur Vermischung der
>>Normen beitragen, so daß jetzt eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung
>>auch nicht mehr möglich ist.

> Wie solche Leute im Alltag schreiben, ist doch völlig irrelevant.

Nicht, wenn du weiter unten von Lebendigkeit und Sprachwandel sprichst,
denn der geht schließlich von der Sprechergemeinschaft aus.

> Da ist neben dem Mischmasch von alt und neu manches ein recht eigener
> Standart.

Wohl wahr. ;)

> Neu ist in den letzten Jahren nur unter Gebildetsein-
> wollenden dieselbe orthographische Wurschtigkeit, wie ich sie seit
> jeher aus dezidiert bildungsfernen Kreisen gewohnt bin.

Die Unterscheidung zwischen Gebildeten und Gebildetseinwollenden, die du
andeutest, ist, mit Verlaub, m.E. nur ein künstliches Kriterium, um
Menschen voneinander abzugrenzen, deren Meinung einem paßt oder nicht
paßt und wo einem kein besseres Kriterium einfällt.

> Wichtig sind Massenpublikationen als Multiplikator

Yep, deswegen sind Dienste wie Spiegel Online auch so eine Katastrophe.

> und anspruchsvolle
> Texte, die mit einem ganz anderen Bewußtsein gelesen werden, mit einem
> gewissen Vertrauen in ihre sprachliche Verbindlichkeit.

Bei denen die Alte-Orthographie-Quote auch noch mit am höchsten ist, zum
Teil jedenfalls, und bei denen die von Oliver angesprochene bewußte Wahl
der sprachlichen Norm auch noch am ehesten gegeben ist. Das im
Original-Interview angesprochene Nebeneinander, das laut dem dort
Interviewten für die Rechtschreibprobleme mit verantwortlich ist, wird
allerdings bis auf weiteres weiterbestehen, solange überhaupt zwei
konkurrierende Rechtschreibnormen in der Öffentlichkeit bestehen, und ob
es danach besser wird, steht doch ziemlich in den Sternen.

Philipp

Philipp

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Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 4:49:26 PM8/27/04
to
r...@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram) schrieb:

> Kannst Du mir erklären, warum ein Hund "Hund" genannt wird,
> aber die Katze "Katze"? Das sind doch ganz sinnlose
> Einzelfallfestlegungen! "Vierfußbell" und "Vierfußmiau" wäre
> schon eine gewisse Verbesserung hin zu mehr Systematik, das
> wäre gerade für die Kinder auch leichter zu erlernen.

<Ironie>
Doppelplusgut, das ist alles, was ich dazu sage. Allerdings fehlt
Vierfußwieher, Vierfußgrunz und Zweifußgacker.
</Ironie>

Entschuldige, aber es geht mir nicht um Bezeichnungen für Tiere und
die Systematik, die sich dahinter versteckt. Was mich interessiert
ist, ob jemand eine nachvollziehbare Erklärung dafür hat, welche
Notwendigkeit hinter diesen Regelungen besteht oder ob hier eine
willkürliche Normierung vorliegt.

Gruß
Manfred.

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Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 4:54:13 PM8/27/04
to
Oliver Cromm <lispa...@internet.uqam.ca> schrieb:

>Naja, das wurde hier ja schon oft genug diskutiert.
>- Es sind nicht besonders viele

Da stimme ich dir zu.

>- [Schrittweise] Veränderung gab es und hätte man vielleicht nur etwas
>fördern sollen

Einige Veränderungen, die mir sinnvoll zu sein scheinen, hat die RSR
gebracht. Daher lehne ich diese nicht grundlegend ab.

>- Eine Verbesserung, deren Vorzüge (in der Wahrnehmung einer Mehrheit)
>den Nachteil von 20 Jahren Unsicherheit aufwiegen, erscheint unmöglich.

Wäre eine Liberalisierung der Rechtschreibung, im konkreten Fall also
das Nichtanstreichen solcher Fehler in Diktaten und Aufsätzen besser
gewesen als eine Reform?

Gruß
Manfred.

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Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 5:58:50 PM8/27/04
to
Oliver Cromm <lispa...@internet.uqam.ca> schrieb:

[irgendwas, irgend etwas]

>Es entspricht der Aussprache. Ich glaube schon. Ich glaube schon. Nein.

Für mich klang es immer so, als würde es zusammengeschrieben. Ob das
jetzt an der Aussprache hier in Süddeutschland liegt, oder ob es auch
in anderen Gegenden so ausgesprochen wird, weiß ich nicht.

Gruß
Manfred.

Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 6:15:30 PM8/27/04
to
Ralf Kusmierz <m...@privacy.net> schrieb:

>Können wir mal kurz darüber nachdenken, welchen Sinn das "Anstreichen"
>hat? Danke.

Können wir. Bitte.

>Bei Diktaten und Aufsätzen handelt es sich um Leistungskontrollen,
>also Feststellungen des Lernerfolgs. Natürlich kann man auch ohne
>Leistungskontrollen lernen, aber die Prüfung des Erlernten scheint
>doch allgemein akzeptiert zu sein. Ein Verzicht würde also doch wohl
>bedeuten, auf den Lerninhalt zu verzichten. Und nun wäre die Frage:
>wäre es besser, auf das Erlernen der üblichen Schreibweisen durch
>jeden zu verzichten?

Eine generelle Bejahung bzw. Verneinung ist hier nicht möglich. Ich
hätte keine Probleme zu akzeptieren, wenn ein Schüler in einem Aufsatz
z.B. "Geograhf" schreibt, denn in diesem Fall käme es mir vielmehr
darauf an, ob er es schafft, einen nachvollziehbaren Gedankengang zu
entwickeln und nicht, ob er in letzter Konsequenz die Rechtschreibung
beherrscht. In diesem Fall ginge der Rechtschreibfehler nicht in die
Bewertung ein. Ich bin jedoch kein Lehrer und weiß nicht, ob und wie
die Fehlerquote bei Aufsätzen in die Endnote eingeht und wie dies
begründet wird. Das ist hier, in dieser Newsgroup, auch nicht das
Thema.

>Es hätte doch wohl zur Konsequenz, daß allgemein die Lesbarkeit von
>Texten verschlechtert würde, u. U. bis zur Unverständlichkeit. Eben
>wegen dieser Unverständlichkeit werden professionelle Medienagenten
>sicher nicht bereit sein, in ihren Publikationen eine "liberale"
>Rechtschreibung in dem Sinn, daß beliebige, also auch im selben Text
>unterschiedliche Schreibweisen verwendet werden, zuzulassen. Und
>logischerweise wird denjenigen, die die Schreibung nicht beherrschen,
>dadurch der Weg in die Medien sicher erschwert.

Wäre durch eine falsche Schreibweise der Sinn des Texts nicht mehr
erkennbar, so müßte dies wohl in eine Note eingehen. Was ich jedoch
lästig fand war die Androhung einzelner Lehrer, bei Rechtschreib-
fehlern in einem Aufsatz die erzielte Note herabzusetzen. Ich hatte
und habe keine größeren Probleme mit der Rechtschreibung, doch hielt
ich eine derartige Drohung für unangebracht, da Schüler, denen die RS
Probleme bereitet, verunsichert(er) werden.

>Was Du forderst, ist natürlich der Traum des nachlässigen und
>unwilligen Schülers von der Befreiung von der Rotstiftknute des
>Lehrers. Tendenziell gibt es die Tendenz zu dieser "Befreiung"
>natürlich schon. Aber man darf sie nicht als begrüßenswerte
>Liberalisierung verstehen, sondern muß sie ganz klar als das
>bezeichnen, was sie ist: eine beschämende Vernachlässigung der Jugend
>mit der Folge der Verwahrlosung. Pädagogische Strenge und der Zwang
>zur Leistung sind nämlich keine grausame Folter, sondern notwendige
>Hilfe dazu, an Anforderungen zu wachsen und zu reifen, um
>Selbständigkeit und Lebenstüchtigkeit zu erreichen.

Inwiefern eine Liberalisierung der Rechtschreibung gleichbedeutend mit
einer Vernachlässigung der Schüler ist, müßte wohl in einer Newsgroup,
die sich mit Pädagogik beschäftigt, thematisiert werden. Vermutlich
wurde diese Diskussion aber bereits geführt.

Gruß
Manfred.

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Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 6:45:20 PM8/27/04
to
Oliver Cromm <lispa...@internet.uqam.ca> schrieb:

>Aha. Und wer in Mathe den Lösungsweg richtig darlegt, sich aber bei den
>konkreten Zahlen verrechnet, der sollte auch nicht verunsichert werden,
>indem das die Note beeinflußt? Den Gedankengang hat er schließlich
>verstanden, was ja wichtiger ist.

Inwiefern Mathematik und Rechtschreibung zusammenhängen weiß ich zwar
nicht genau, doch ist für mich das Verständnis um die Lösung eines
Problems wichtiger als die Lösung selbst.

Wahrscheinlich wäre ich der Traum vieler Schüler. ;-)

Gruß
Manfred.

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Rüdiger Silberer

unread,
Aug 27, 2004, 7:11:39 PM8/27/04
to
Manfred Hoß schrieb:

>r...@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram) schrieb:
>
>>Manfred Hoß <manfre...@t-online.de> writes:
>>>Ich kann dem obigen Satz fast zustimmen, bis auf "ohne Not",
>>>denn in der deutschen Schriftsprache haben sich im Lauf der
>>>Zeit so viele Ungereimtheiten und Widersprüche eingenistet, daß
>>>eine Veränderung notwendig war bzw. ist.
>>
>> Ein Widerspruch ist eine Aussage der Form "A und nicht A".
>> Solche Aussagen gibt es in der deutschen Schriftsprache nicht.
>> Die "Widersprüche", die Du darin siehst, sind Konstruktionen
>> Deiner Wahrnehmung.
>
>Wieso schrieb man "irgendwas" aber "irgend etwas"? Wieso schrieb man
>"radfahren" aber "Auto fahren"?

Gähn. Immer wieder diese alten Kalauer. Und deswegen der ganze
Aufstand mit der sogenannten Reform?

>Konstruiert meine Wahrnehmung hier
>Widersprüche, wo keine sind, oder gibt es sie? Ich will nicht
>behaupten, daß die Neuregelung alle Widersprüche beseitigt hätte oder
>nicht neue Widersprüche bzw. Unklarheiten aufgetaucht sind, doch
>wurden immerhin einige beseitigt.

Ach ja, dann lies doch einmal die Rezension von Ickler über die neue
Duden-Ausgabe. Da wird so richtig deutlich mit welch heißer Nadel die
sogenannte Reform gestrickt ist und welche neue Ausnahmen und
Unklarheiten sie geschaffen hat.

--
ade, Rüdiger

"Die Portugiesen werden gewinnen. Allein schon, weil sie rot-grüne Trikots tragen."
-Franz Müntefering-

Manfred Hoß

unread,
Aug 27, 2004, 7:26:12 PM8/27/04
to
Rüdiger Silberer <Silberer...@lycos.de> schrieb:

>Manfred Hoß schrieb:

>>Wieso schrieb man "irgendwas" aber "irgend etwas"? Wieso schrieb man
>>"radfahren" aber "Auto fahren"?
>
>Gähn.

Gute Nacht.

>Immer wieder diese alten Kalauer. Und deswegen der ganze
>Aufstand mit der sogenannten Reform?

Mir geht es nicht darum, die RSR an sich zu verteidigen. Ich will nur
erklären, warum ich nicht die gesamte Reform in die Tonne trete,
sondern versuche, die Sache etwas differenzierter zu betrachten, als
dies einige Leute hier tun.

Gruß
Manfred.

Helmut Richter

unread,
Aug 28, 2004, 1:29:12 AM8/28/04
to
In article <Xns9552BCA8...@ocromm.my-fqdn.de>, Oliver Cromm wrote:

> Dabei ist die phonematische Hangul-Schrift ein
> Musterbeispiel an Systematizität und Einfachheit.

... wegen der nicht allzu weit zurückliegenden Rechtschreibreformen, siehe
den Beitrag <37029C53...@cs.unc.edu>. Ich habe daraus gelernt, dass
wir mit unserer Schreibug, die ganz anständig phonemisch ist - wenn sie
auch keineswegs Lautschrift ersetzt, wozu auch? - und dabei ausreichend
konservativ um Kontinuität zu wahren, ganz zufrieden sein können.

Helmut Richter

Helmut Richter

unread,
Aug 28, 2004, 1:47:53 AM8/28/04
to
Manfred Hoß schrieb:

> Rüdiger Silberer <Silberer...@lycos.de> schrieb:

>>Manfred Hoß schrieb:

>>>Wieso schrieb man "irgendwas" aber "irgend etwas"? Wieso schrieb man
>>>"radfahren" aber "Auto fahren"?

>>Gähn.

>>Immer wieder diese alten Kalauer. Und deswegen der ganze


>>Aufstand mit der sogenannten Reform?

> Mir geht es nicht darum, die RSR an sich zu verteidigen. Ich will nur
> erklären, warum ich nicht die gesamte Reform in die Tonne trete,
> sondern versuche, die Sache etwas differenzierter zu betrachten, als
> dies einige Leute hier tun.

Dass diese Beispiele (fehlt noch "mit Bezug" und "in bezug") reformfähig
waren oder sind, kann man doch kaum bestreiten. Eine Reform hätte etwa
ao aussehen können:

- solche Ungereimtheiten finden

- Grundsätze (nicht Regeln!) finden, wie man zu einer vernünftigen
Schreibung kommt

- wo diese Grundsätze eine andere Schreibung nahelegen als die bisherige,
die neue Schreibung neben der alten zulassen, künftig in der Schule
als Normalform lehren und abwarten, ob sie sich durchsetzt

Von einem "Grundsatz" im Gegensatz zu einer "Regel" fordere ich eine
gewisse Allgemeingültigkeit (z.B. Hinweise, was ein Wort und was
zwei Wörter sind), von einer "Regel" fordere ich mechanische
Anwendbarkeit (z.B. Listen trennbarer Partikel).

Wären nun auf eine solche Weise die Schreibungen "in Bezug" und
"autofahren" künftig zugelassen und empfohlen worden, hätte sich
vermutlich kaum jemand erregt. Was die Leute geärgert hat, ist
das plötzliche Außerkraftsetzen der allein richtigen Schreibung
von "Stengel" oder "einbleuen", im ersten Fall wegen plötzlicher
Einführung, im zweiten Fall wegen plötzlicher Aufgabe des
Stammprinzips.

Helmut Richter

Manfred Hoß

unread,
Aug 28, 2004, 2:25:28 AM8/28/04
to
Helmut Richter <a28...@mail.lrz-muenchen.de> schrieb:

>Wären nun auf eine solche Weise die Schreibungen "in Bezug" und
>"autofahren" künftig zugelassen und empfohlen worden, hätte sich
>vermutlich kaum jemand erregt. Was die Leute geärgert hat, ist
>das plötzliche Außerkraftsetzen der allein richtigen Schreibung
>von "Stengel" oder "einbleuen", im ersten Fall wegen plötzlicher
>Einführung, im zweiten Fall wegen plötzlicher Aufgabe des
>Stammprinzips.

Wer weiß? Möglicherweise haben sich die Reformer überlegt, lediglich
solche Schreibweisen wie die obigen, sowie "im Voraus" usw.
vorzuschlagen, dann jedoch gedacht, dies sei nicht genug, um den
Begriff "Reform" zu rechtfertigen, weshalb sie dann noch das
sogenannte "Stammprinzip" und ein paar andere Dinge (ß->ss)
einführten.

Gruß
Manfred.

Yvonne Steiner

unread,
Aug 28, 2004, 2:31:31 AM8/28/04
to
Oliver Cromm <lispa...@internet.uqam.ca> wrote:

> Wir kamen auch bisher gut aus, ohne den Knacklaut
> zu schreiben; bei Mess'ergebnis mag er aber hinfort notwendig werden.
>
Man könnte auch "Messresultat" gebrauchen.

--
Yvonne Steiner

Christian Seidl

unread,
Aug 28, 2004, 3:37:55 AM8/28/04
to
"Ralf Kusmierz" <m...@privacy.net> wrote in message
news:2p9mu6F...@uni-berlin.de

> > Wäre eine Liberalisierung der Rechtschreibung, im konkreten Fall also
> > das Nichtanstreichen solcher Fehler in Diktaten und Aufsätzen besser
> > gewesen als eine Reform?
>

> Können wir mal kurz darüber nachdenken, welchen Sinn das "Anstreichen"
> hat? Danke.

Ja, gute Idee! Tu das bitte mal!

> Bei Diktaten und Aufsätzen handelt es sich um Leistungskontrollen,
> also Feststellungen des Lernerfolgs.

Wäre also die Rechtschreibung nur deshalb eingeführt worden, damit die
Lehrer ein praktisches Instrument zur Leistungskontrolle haben?

Wie schon die alten Römer sagten: Non vitae, sed scholae discimus.

Denk bitte selber mal nach! Es ging ja nicht um das Durchgehenlassen
sämtlicher Normabweichungen, sondern darum, gewisse "Fehler" nicht
mehr als solche zu werten.

> Es hätte doch wohl zur Konsequenz, daß allgemein die Lesbarkeit von
> Texten verschlechtert würde, u. U. bis zur Unverständlichkeit.

Ach, diese Angst, dass plötzlich Texte unverständlich werden, nur
weil ein paar Bestimmungen abgeschafft sind...


> Was Du forderst, ist natürlich der Traum des nachlässigen und
> unwilligen Schülers von der Befreiung von der Rotstiftknute des
> Lehrers. Tendenziell gibt es die Tendenz zu dieser "Befreiung"
> natürlich schon. Aber man darf sie nicht als begrüßenswerte
> Liberalisierung verstehen, sondern muß sie ganz klar als das
> bezeichnen, was sie ist: eine beschämende Vernachlässigung der Jugend
> mit der Folge der Verwahrlosung.

Aha. Drogenkonsum und gescheiterte Ehen der Eltern sind durch die NRS
bedingt. Na toll! Weiter so!

Wer sein Kind liebt, züchtigt es beizeiten.

> Pädagogische Strenge und der Zwang
> zur Leistung sind nämlich keine grausame Folter, sondern notwendige
> Hilfe dazu, an Anforderungen zu wachsen und zu reifen, um
> Selbständigkeit und Lebenstüchtigkeit zu erreichen.

Genau. Und darum sind ja alle heutigen Erwachsenen, die noch mit der
ARS aufgezogen wurden, so lebenstüchtig und selbständig.

Ist es nicht so, dass du dein generelles Unbehagen an der modernen
Gesellschaft ("Liberalisierung") an der NRS festmachst und wähnst,
die Goldenen Zeiten würden mit der Rücknahme der Reform wiederkehren?
Wie an den Montagsdemos...

Wenn das so ist, dann kann man gerne *darüber* diskutieren.

Christian


--
Posted via Mailgate.ORG Server - http://www.Mailgate.ORG

Gerd Thieme

unread,
Aug 28, 2004, 5:29:37 AM8/28/04
to
Philipp Reichmuth wrote:

> warum wird Švejks Name transkribiert, aber Bushs Name nicht? Weil
> die Tradition nun mal ist, daß tschechische Namen transkribiert
> werden, aber englische nicht.

Sollte es vielleicht daran liegen, daß Englisches untranskribiert
Zeichen für Zeichen übernommen werden kann, während selbst der
gutwillige Deutsche spätestens beim böhmischen Jíři versagt: Das ř
kriegt er nicht über die Zunge, aber er pinselt es immerhin noch brav ab
- daß es auch am í etwas zu bemerken gäbe, entgeht ihm. Aber er spielt
den aufrechten politisch korrekten Ritter, wenn jemand die verballhornte
Form Jiři durch einen anständigen Georg ersetzt.

Als praktische Übung: Zähle nahe der böhmischen Grenze, wie oft korrekt
Außig und wie oft falsch Ústi auf den Verkehrsschildern steht.
Zusatzaufgabe: Finde diesseits der Grenze ein Verkehrschild mit der
richtigen Schreibung Ústí.

Jede andere nicht-richtig-lateinisch-schreibende Sprache hat andere
Feinheiten, die im Deutschen mangels Unkenntnis zwangsläufig
verlorengehen (etwa die Unterscheidung von İ/i und I/ı). Akzente, deren
Bedeutung dem deutschen Gebrauch entgegenstehen, gehen verloren oder
werden fehlinterpretiert (/Citroën/ = [tsItrø:n]).

Das ist ganz normal und gar nicht besonders deutsch. Wer die
unvermeidliche lautliche Vergewaltigung auf ein erträglicheres Maß
mildern will, muß transkribieren. Ganz vermeiden lassen sich
Veränderungen nicht, denn fremde Wörter werden immer der
Artikulationsbasis der eigenen Sprache angepaßt.

Ausgenommen vom Transkriptionsgebot sind Sprachen, die auf ihre
nichtlateinischen Sonderzeichen verzichten können, etwa Deutsch oder
wohl auch Polnisch. Dagegen haben die Ungarn gar keine Chance, ihre
langen ő und ű in deutschem Kontext zu retten, solange sie nicht die
finnische Orthographie übernehmen, was nicht heißen soll, daß kurze
finnische Vokale oder lange finnische Konsonanten im Deutschen eine
Chance hätten (der Name des Präsidenten müßte zu Tarrja Hállonnen
transkribiert werden, damit die Aussprache klappt).

Gerd

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Gerd Thieme

unread,
Aug 28, 2004, 5:45:27 AM8/28/04
to
Yvonne Steiner wrote:

> Wie schnell liest du : Nussshale
^
Kenn ich nicht. Mit Nußshale gibt's kein Problem.

Auch die anderen Beispiele sind, wenn man nicht den selektierenden
schweizerischen Blick für absichtlichfalsche ss statt ß hat, kein
Ärgernis.

Gerd

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Wolf Busch

unread,
Aug 28, 2004, 5:48:01 AM8/28/04
to
Manfred Hoß schrieb:

> r...@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram) schrieb:
>
> [irgendwas, irgend etwas]
>
> > Dann erkläre doch bitte einmal, worin hier der
> > Widerspruch besteht.
>
> In einem Fall mußte ich es zusammenschreiben, im anderen getrennt.

Das ÖWB (35. Aufl. 1979) hat auch die Zusammenschreibung "irgendetwas"
zugelassen.

> Wieso? Weißt du irgendwas darüber? Weißt du irgend etwas darüber?
> Bemerkst du eine Unstimmigkeit?

Wörter wachsen zusammen. Die Dudenredaktion hat eben offenbar
festgestellt, daß "irgendwas" meist zusammen, "irgend etwas" meist
getrennt geschrieben wird.

Was könnten die Gründe dafür sein? Nun, das liegt an der Reihenbildung;
wenn man "irgendwer", "irgendwie", "irgendwo", "irgendwann" usw.
schreibt, dann liegt es natürlich auch nahe, "irgendwas" zu schreiben.

Wenn "irgend_etwas" seltener zusammengeschrieben wird, dann
könnte man das damit erklären, daß "etwas" eine größere
Eigenständigkeit hat. Man kann ja auch "irgend so etwas" sagen und
schreiben. Wenn ich das "so" weglasse, dann steht da eben
"irgend etwas". Wieso sollte man also die Getrenntschreibung
verbieten?

Am einfachsten löst man das Problem so wie in Icklers Wörterbuch:

| Zusammenschreibung üblich mit ...ein, ...wann, ...wer, ...wie,
| ...wo, ...woher usw.; seltener mit ...etwas, ...jemand

Hätte man eine entsprechende Änderung im Duden vorgenommen, wäre
sie von den meisten Schreibern vermutlich noch nicht einmal bemerkt
worden.

Diese Details würden übrigens auf der Orthographischen
Konferenz von 1901 gar nicht behandelt. In den Wörterverzeichnissen
der preußischen und bayerischen Regelbücher kommt das Stichwort
"irgend" nicht vor.

[Auto fahren, radfahren]
> Ich sehe hier eine unsinnige Einzelfallregelung, die für mich
> widersprüchlich ist, da sie keinen Sinn ergibt. Wenn du mir erklären
> kannst, weshalb es richtig ist, "radfahren" zu schreiben, doch "Auto
> fahren", so erkläre es mir bitte.

Das Problem "radfahren/Rad fahren" haben wir hier schon ausführlich
diskutiert.

Warum heißt es eigentlich "Anteil nehmen", aber nicht "Teil nehmen"?
Warum wird laut Duden die Konjunktion "sosehr" zusammengeschrieben,
aber nicht "wiesehr"? Wieso ist es in Österreich anders? Hach, ist
das alles unlogisch! ;)

Schöne Grüße,
Wolf

Gerd Thieme

unread,
Aug 28, 2004, 6:43:56 AM8/28/04
to
Oliver Cromm wrote:

> (offene Junktur, Kuhchen vs. Kuchen).
>
> Das Beispiel sehe ich zum zweiten Mal, gibt's das wirklich? Ich würde
> auf alle Fälle Kühchen sagen. Und ein überzeugenderes Beispiel ist
> mir noch nicht eingefallen.

Paßt nicht ganz: Brentanos Prinzessin Willwischen (in gebrochener
Schrift durch das Schluß-s eindeutig).

Gerd

Mathias Hiller

unread,
Aug 28, 2004, 6:59:20 AM8/28/04
to
On Sat, 28 Aug 2004 11:52:50 +0200, Gerd Thieme
<gerdt...@spamcop.net> wrote:

>Und Washington ist die Hauptstadt der VSA.

VSA? VSvA!

--
Gruß
Mathias +++ m...@snafu.de +++ http://home.snafu.de/mat/
+++ Disclaimer: My opinions are my own +++ and mine only +++
+++ Willst Du früh zur Arbeitsstelle: +++
+++ nimm' die S-Bahn - pünktlich - schnelle! +++

Lueko Willms

unread,
Aug 28, 2004, 3:13:00 AM8/28/04
to
. Am 27.08.04
schrieb reic...@web.de (Philipp Reichmuth)
auf /DE/ETC/SPRACHE/DEUTSCH
in cgnebu$gog$7...@f1node01.rhrz.uni-bonn.de
ueber Re: Prof. Dr. Harald Marx: =?UTF-8?B?4oCeUmVjaHRzY2hyZWlidW5nIHd1?= =?

PR> Wenn du eine systematische Sprache willst, lern Türkisch,
PR> dann kriegst du eine *richtig* unkomplizierte Orthographie quasi
PR> gratis

Wobei die m.E. mit der phonetischen Schreibweise da zu weit gegangen
sind, wo die Große und Kleine Vokalharmonie mit ihrer konkreten
Aussprache geschrieben werden, anstatt als die Variable, die sie ja
eigentlich sind, deren aktueller Wert dann von den vorhergehenden
Stammvariablen bestimmt wird. Eine von der Grammatik statt von der
Phonetik bestimmte Schreibung würde m.E. das Verständnis für die
grammatische Struktur des Wortes erleichtern.

Und statt dem "e" das "ä", was dann eine Systematik der acht
geschriebenen Vokale mit sich gebracht hätte, mit einer Reihe mit und
eine Reihe ohne Trema. Dann hätte man das "e" in normaler und in
gespiegelter Schreibweise (das sieht man z.B. im Azeri, wenn es in
Lateinschrift wiedergegeben wird) für die Große bzw. die Kleine
Vokalharmonie verwenden können.

Tja, was wäre wenn .... aber es war nicht.

PR> Bei den Türken gibt es auch Leute,
PR> die ihrem arabischen Alphabet hinterherjammern,

war das nicht auch erweitert wie das persische?

Das Problem taucht v.a. auf, wenn jemand alte Dokumente aus der Zeit
des Osmanischen Reiches studieren will, oder sogar alte Inschriften an
Gebäuden etc. ABer nicht nur wegen der Schrift, sondern auch weil die
Sprache stark zu einem Reintürkisch (Öztürk) verändert wurde.

MfG,
Lüko Willms http://www.mlwerke.de
/--------- L.WI...@jpberlin.de -- Alle Rechte vorbehalten --

"Nach meiner Ansicht besitzt die Presse _das_ _Recht_,
Schriftsteller, Politiker, Komödianten und andere öffentliche
Charaktere zu _beleidigen_. Achtete ich [so einen Angriff gegen mich]
einer Notiz wert, so galt mir in solchen Fällen der Wahlspruch: à
corsaire, corsaire et demi [auf einen Schelmen anderthalben]."
- Karl Marx 17.11.1860 (Herr Vogt, Kapitel XI)

Lueko Willms

unread,
Aug 28, 2004, 3:13:00 AM8/28/04
to
. Am 27.08.04
schrieb yste...@swissonline.ch (Yvonne Steiner)
auf /DE/ETC/SPRACHE/DEUTSCH
in 1gj6w09.oenebd1ksrx4zN%yste...@swissonline.ch
ueber Re: Prof. Dr. Harald Marx: "Rechtschreibung wurde erschwert"

>> Nur ein wenig breitgewalzt sind deutsche Wörter.
>>
>> Shriebe man statt /sch/ einfach /sh/, dann könnte man ein winziges
>> bißchen shneller lesen.

YS> Wie schnell liest du : Nussshale; Reisshüssel; Kiesshleuder;
YS> ausshaben?

Wenn schon, denn schon sollte man die drei Buchstaben "sch" durch
ein S-Karon (Buchstaben LS21 und LS22) wie im Serbokroatischen oder
durch ein S-Cedille (Buchstaben LS41 und LS42) wie im Türkischen
ersetzen.


MfG,
Lüko Willms http://www.mlwerke.de
/--------- L.WI...@jpberlin.de -- Alle Rechte vorbehalten --

"Kein Land kann seine Probleme in dieser globalisierten Welt allein
auf sich gestellt lösen. Entweder wir retten uns alle zusammen oder
wir gehen zusammen unter. Heute mehr denn je gilt das Wort von José
Martí: Das Vaterland ist die ganze Menschheit."
- Fidel Castro, Caracas (Veneuzuela), 3. Februar 1999

Christian Seidl

unread,
Aug 28, 2004, 7:11:29 AM8/28/04
to
"Ralf Kusmierz" <m...@privacy.net> wrote in message
news:2pb261F...@uni-berlin.de

> Polemik ist ja gelegentlich ganz lustig, sollte aber ein gewisses
> Niveau nicht unterschreiten.

Dann drück dich halt unmissverständlich aus. Wenn du dich in
Andeutungen ergehst, solltest du dich nicht wundern, wenn man deine
Gedanken zugespitzt formuliert, um ihre suboptimale Sinnhaftigkeit
zu entlarven.

> > Denk bitte selber mal nach! Es ging ja nicht um das Durchgehenlassen
> > sämtlicher Normabweichungen, sondern darum, gewisse "Fehler" nicht
> > mehr als solche zu werten.
>

> Principiis obsta! Wo sind die Grenzen?

Und schon wieder diese Angst, dass da eine Pandorabüchse aufgetan
werden könnte, wenn in einer Rechtschreibung mal mehr als eine
Lösung als richtig gelten würde...

> >> Es hätte doch wohl zur Konsequenz, daß allgemein die Lesbarkeit von
> >> Texten verschlechtert würde, u. U. bis zur Unverständlichkeit.
> > Ach, diese Angst, dass plötzlich Texte unverständlich werden, nur
> > weil ein paar Bestimmungen abgeschafft sind...
>

> Bitte übe verstehendes Lesen. Mein Text ist nämlich gar nicht so
> unverständlich.

Ich sehe nicht, was du anderes behauptet haben solltest.

> >> Aber man darf sie nicht als begrüßenswerte
> >> Liberalisierung verstehen, sondern muß sie ganz klar als das
> >> bezeichnen, was sie ist: eine beschämende Vernachlässigung der Jugend
> >> mit der Folge der Verwahrlosung.
> > Aha. Drogenkonsum und gescheiterte Ehen der Eltern sind durch die NRS
> > bedingt. Na toll! Weiter so!
>

> Du redest irre.

Wer hat von der Verwahrlosung der Jugend angefangen?

> >> Pädagogische Strenge und der Zwang
> >> zur Leistung sind nämlich keine grausame Folter, sondern notwendige
> >> Hilfe dazu, an Anforderungen zu wachsen und zu reifen, um
> >> Selbständigkeit und Lebenstüchtigkeit zu erreichen.
> > Genau. Und darum sind ja alle heutigen Erwachsenen, die noch mit der
> > ARS aufgezogen wurden, so lebenstüchtig und selbständig.
>

> Sie sind im Durchschnitt nicht so verblödet wie heutige Absolventen.

Denkfehler: *Du* hattest nicht von "verblödet" gesprochen, sondern
von "Selbständigkeit" und "Lebenstüchtigkeit", was nicht dasselbe
ist. Und zudem wäre dann nach dir erst die Generation verblödet,
die die neuen Regeln anzuwenden gezwungen wurde, ein Jahrgang, der
z.B. 1998 das Abi gemacht hat, also noch nicht?

> > Ist es nicht so, dass du dein generelles Unbehagen an der modernen
> > Gesellschaft ("Liberalisierung") an der NRS festmachst und wähnst,
> > die Goldenen Zeiten würden mit der Rücknahme der Reform wiederkehren?
>

> Nein, ist es nicht und tue ich nicht.

Schön. Weshalb warnst du dann vor den Gefahren der Liberalisierung
und meinst, bei Kleinigkeiten gleich ein "principiis obsta!" ausrufen
zu müssen?

Helmut Richter

unread,
Aug 28, 2004, 7:20:10 AM8/28/04
to
Oliver Cromm wrote:

>> Das ist selbst in der Phonetik anerkannt, etwa bei phonologischen
>> Phänomenen an Morphemgrenzen (offene Junktur, Kuhchen vs. Kuchen).

> Das Beispiel sehe ich zum zweiten Mal, gibt's das wirklich? Ich würde
> auf alle Fälle Kühchen sagen. Und ein überzeugenderes Beispiel ist
> mir noch nicht eingefallen.

Nein, das gibts nicht. Es wird nur im ostpreußischen Dialekt verwendet,
und Minimalpaare aus einem Dialekt für die Phonetik der Hochsprache zu
verwenden, ist ein Kunstfehler.

Wozu Minimalpaare gut sein sollen, erschließt sich mir auch nicht.
Nicht alles, für was es kein Minimalpaar gibt, ist deswegen schon Allophon
desselben Phonems. Oder weiß jemand ein Beispiel für ein Minimalpaar
qu<->mpf? Und um das <ch> [ç] am Morphemanfang trotz vorangehendem
dunklen Vokal demonstrieren zu können, hätte "Frauchen" vs. "rauchen"
gereicht: zwar kein Minimalpaar, aber dafür gibts die Wörter. (Mehr
Beispiele weiß ich allerdings auch nicht.)

Helmut Richter

Volker Gringmuth

unread,
Aug 28, 2004, 7:18:42 AM8/28/04
to
Mathias Hiller wrote:

>> Und Washington ist die Hauptstadt der VSA.
>
> VSA? VSvA!

USoA? Nicht wirklich.


vG

--
~~~~~~ Volker Gringmuth ~~~~~~~~~~~ http://einklich.net/ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
"Was genau mißt man denn mit dem Mannometer?" - "Nichts. Das sagt man so." -
"Da bin ich ja beruhigt. Ich hatte schon Sorge, meine Freundin käme demnächst
mit so einem Ding an." (Olaf Skibbe und Wolfgang Schwanke in desd)

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