Liebe und Verbundenheit
[q “DocStrange"] Wir unterhielten uns angeregt in meiner Küche bis in
die frühen Morgenstunden, nach wie vor per Sie, dann bot ich ihr das
Zimmer meines Kommilitonen zur Übernachtung und versicherte ihr, als
Kavalier ihre Privatsphäre zu achten.
Sie erzählte viel von sich - Baronin aus Hamburg, liebte aber das
Unkonventionelle, lebte deshalb gerade mit einem Punk zusammen,
arbeitete zum Spaß als Fotomodell und war - oh Schreck! - mit 38
Jahren ganze 17 Jahre älter als ich! :o
(...)
Diese Dame hatte eine unglaubliche Präsenz, geschliffene Manieren, sah
umwerfend aus, war unglaublich gut drauf (besser als ALLE Frauen
meines Alters, die man dagegen nur als "Mädchen" bezeichnen konnte),
aber für meinen Geschmack inakzeptabel zu alt (was man ihr nicht im
Geringsten ansah) und außerdem BEREITS VERGEBEN. :)
(...)
Nach einigen Tagen traf ich sie erneut in der Disco, sie kam
anschließend wieder mit zu mir. Ich spielte ihr (auf Kassette) mein
Liebeslied vor, sie blieb über Nacht, diesmal allerdings NICHT im
anderen Zimmer.
(Über diese Nacht gab es dann einen neuen Song, einen meiner besten -
übrigens 1996 auf CD gesungen von Karl Frierson!)
Erst nach über fünf Jahren trennten wir uns - doch das ist eine andere
Geschichte.[q]
Das ist wirklich Prosa vom Feinsten – mit tiefen Einblicken in ein
Studentendasein und Musikerwerden.
Die Baronin, von der ich schon im Kontext meiner ersten großen Liebe
berichtete, stammte aus Ostpreußen, war mit zwei Trakehnerstuten nach
Italien geflohen, von einem Wehrmachtsmajor war sie geschieden, hatte
zwei Söhne und pachtete im Hinterland von Lindau (Bodensee) in einer
kleinen Ansiedlung auf einem der vielen Moränenhügel einen Bauernhof,
worauf sie ein Trakehnergestüt gründete und einen Reitstall (auch mit
anderen Pferderassen) betrieb.
Sie - eine erfolgreiche Springturnierreiterin - konnte fantastisch mit
Menschen und Pferden umgehen. Wenn sie gelegentlich mal einen
rumzickenden Hengst auf dem Reitplatz anbrüllte, kuschte er
anschließend wie ein Lämmchen.
Sie hatte hellblondes Haar, das knapp bis zur Schulter reichte. Wenn
man im Gelände gelegentlich hinter ihr her ritt, wirkte sie knackig
wie ein Teenager. Von sich selbst sagte sie: “Von hinten Lyzeum, von
vorne Museum“.
Ein Jahr später (nach dem Besuch ihrer Nichte J. aus Bonn) kam die
sechzehnjährige G.v.W. (Wiener Adelsgeschlecht) mit ihrer Mutter und
ihrem zwei Jahre jüngeren Brüderchen aufs Gestüt. Es wurde gefördert,
dass ich mich um G. intensiv kümmere. Neben den Ausritten ging ich mit
ihr in den Seen im Lindauer Hinterland schwimmen (das Brüderchen war
auch dabei), fuhr mit ihr (im Auto ihrer Mutter) auf die Insel Mainau
und ging häufig abends mit ihr aus, z.B. Candlelight Dinner im
romantischen “Lieben Augustin“ in Wasserburg.
G. hatte mehrere Jahre ihrer Kindheit in Indien verbracht, da ihr
Vater dort der Krupp-Generalrepräsentant bei einer
Stahlwerkserrichtung war. Vor kurzem war die Familie zurückgekehrt und
wohnte im Harvestehuder Weg an der Hamburger Alster.
Als Bergsteiger war die Silvretta (Piz Buin etc) eines meiner
Lieblingsreviere. Einmal lud ich G. mit ihrer Mutter und ihrem
Brüderchen zu einer Bergtour bis zur Wiesbadener Hütte ein. Sie gingen
sogar mit bis zu den Gletscherausläufern.
Die Familie hatte in der Nähe von Kitzbühl ein Chalet. Dort besuchte
ich G. und war häufig zum Essen im Familienkreis eingeladen. An einem
Nachmittag, als ich mit ihr von einer etwas abgelegenen Piste kam,
setzten wir uns, als es schon dunkel geworden war, ins Auto. Sie
erzählte mir, dass sie inzwischen in Paris war und dort einen Perser
kennen gelernt hatte, von dem sie sehr fasziniert war (u.a. wegen der
Größe eines gewissen männlichen Körperteils). Ihre Erzählungen reizten
mich, und wir gerieten auf dem Parkplatz entsprechend “in Fahrt“. Wir
vergasen Zeit und Raum.
Ziemlich spät, als das Abendessen schon gelaufen war, trudelten wir im
Chalet ein. Alle waren bestürzt, waren uns im Ort schon suchen
gegangen, weil sie annahmen, wir wären irgendwo auf einer Piste
verunglückt. Jedenfalls wurden wir beide ordentlich ausgeschimpft.
Später zog die Familie v.W. nach Essen-Heisingen, wo ich G. erneut
besuchte. Wir gingen im Krupp-Club am Baldeneysee segeln und stürzten
uns ins Düsseldorfer Nachtleben.
Und wieder ein paar Jahre später stellte sich heraus, dass meine Frau
ebenfalls ihre Jugendzeit in Heisingen verbracht hatte – nur ein paar
Meter davon entfernt.
Nach einigen Jahren kehrte die Familie v.W. nach Wien zurück. Von dort
aus wurde mir dann (auf eine Anfrage hin) mitgeteilt, dass G.
mittlerweile in der Freiburger Gegend lebe. Und kurz darauf rief sie
mich an. Wir (meine Frau und ich) waren gerade dabei (wie alljährlich
üblich), im Sommer nach Sardinien zu fahren. Also konnten wir G.,
ihren Mann und ihre beiden Kinder gleich (einen Tag danach) in ihrem
Haus besuchen, wo wir auch übernachteten, um am nächsten Vormittag die
Reise fortzusetzen...
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